„Gemeinsam in Regensburg“ – verschwörungsideologische Impfgegner:innen und Pflegekräfte

Seit Jahresbeginn kann eine neue Phase der Regensburger Corona-Protestebeobachtet werden. Mit der gesellschaftlichen Debatte über die Impfpflicht bekam die verschwörungsideologische Bewegung wieder vermehrt Zulauf. Daraus entwickelte sich in Regensburg nach längerer Zeit auch wieder eine feste Organisationsstruktur außerhalb der Partei „dieBasis“, die vordergründig das Thema Impflichtin den Fokus der Proteste stellt. In unserem mittlerweile neunten Artikel beschäftigen wir uns deshalb mit diesen aktuellen Protagonist:innen der Szene: Gemeinsam in Regensburg“ (GiR).

Wie es begann…

Seit nunmehr zwei Jahren ist der verschwörungsideologische Corona-Protest in Regensburg auch dadurch gekennzeichnet, dass es oft schon nach kurzer Zeit wechselnde Organisationsstrukturen gab. Damit hebt sich Regensburg von vielen anderen bayerischen Städten ab. Ein Umstand der teilweise auf die doch sehr heterogene Zusammensetzung zurückzuführen sein dürfte. Vor allem aber an einer kontinuierlichen antifaschistischen Aufklärung und zivilgesellschaftlichem Protest liegt.

Auf eine diffuse Anfangsphase, die bis Ende 2020 vor allem durch die Orga-Kreise „denk.Mal und Querdenken941 geprägt wurde, folgten 2021 wechselnde Aktionen wie Schweigemärsche, Autokorsos”, die Schwarze Wahrheit, oftmals organisiert von Personen die nicht in Regensburg wohnen. Auf diese Phase folgte der Bundestagswahlkampf der Partei dieBasis. Die Gruppen Studenten stehen auf“ und Bayern steht auf“ versuchten Ende 2021 in Regensburg Fuß zu fassen. Mit GemeinsamZukunft Regensburg, dessen Akteur:innen aus dem bürgerlichen Mittelstand kommen, fanden die „Montagsspaziergänge“ ein Sprachrohr außerhalb von Telegram.

Nach dem Wahlkampf der Partei dieBasiswurde es zeitweise wieder stiller in der verschwörungsideologischen Bewegung in Regensburg. Über mehrere Wochen fanden vor allem unangemeldete Demonstrationenin der Szene Montagsspazierganggenanntstatt. Die Teilnahmzahl war bis in den Herbst 2021 aber überschaubar. Zum Generalstreik” der Szene am 01. Dezember kamen nur 80 Personen. Mit Aufkommen der gesellschaftlichen Debatte um eine allgemeine Impfpflicht und Überlegungen über eine einrichtungsbezogene Impfpflicht ab Mitte Dezember nahmen dann die Teilnahmezahlen der verschwörungsideologisch geprägten Proteste sprunghaft zu. Das betraf sowohl die unangemeldeten Montagsspaziergänge, als auch die angemeldeten Demonstrationen.

Rechter Klima- & Pandiemieleugner gibt Starthilfe für Gemeinsam in Regensburg

Am 18. Dezember fand dann die erste Corona-Demo in Regensburg mit mehr als 2.000 Besucher:innen statt. Damit übertraf man die bis dahin größte Veranstaltung vom September 2020 auf dem Dultplatz von „Querdenken941“. Am 18. Dezember, nun auf dem Domplatz, meldete der Wackersdorfer Gemeindemitarbeiter Johann Schuierer (Nittenau, Lkr. Regensburg) an. Schuierer war bis dahin noch nicht in der verschwörungsideologischen Szene aufgefallen, tauschte sich aber schon länger im rechten Telegram-Netzwerk von Bayern steht aufmit anderen aus. Als Mitveranstalter agierte der rechte Klimawandel- und Pandemieleugner Helmut Bauer (Eslarn, Lkr. Neustadt/Waldnaab), der in der Vergangenheit schon mehrere verschwörungsideologische Versammlungen in Regensburg unter anderem unter dem Label Querdenkenorganisiert hatte. Polizeiliche Ermittlungen wegen Beihilfe zur Öffentlichen Aufforderung zu Straftatenbrachten Bauer kurz zuvor eine Hausdurchsuchung ein. Anlass dürfte hier gewesen sein, dass Bauer als Administrator der rechten Facebookgruppe Der grüne Schreibis zu dessen Löschung durch Facebook fungierte. Auf dem Domplatz waren auch Personen der extremen Rechten anwesend sowie viele Verschwörungsideologieanhänger:innen, die in der Vergangenheit entsprechende Versammlungen besucht oder sogar selbst veranstaltet hatten (siehe Chronologiebeitrag 18.12.21).

Auf der Kundgebung Mitte Dezember betraten auch Florian Kuttner (Pentling, Lkr. Regensburg) und Sebastian Brand (Regensburg) die Bühne. Während Kuttner zuvor noch nicht in der verschwörungsideologischen Bewegung aktiv war, ist Brand seit Beginn dabei. Bei denk.Mal” war er zum Beispiel als Ordner eingesetzt. Zudem beteiligte sich Brand am verschwörungsideologischen Blog Regensburg leben und leben lassen von Otmar Spirk (mittlerweile an Corona verstorben). Auf dem Blog wurden auch immer wieder Bilder von Antifaschist:innen und Journalist:innen ins Netz gestellt.

Am Silvestertag organisierte Bauer zusammen mit Lothar Albrecht (Bernhardswald, Lkr. Regensburg) wie schon häufiger – einen Autokorso, bei dem auch ein antisemitisches Rechtsrock-Lied abgespielt wurde. Unter den 100 Teilnehmenden waren auch Teile des späteren Kerns von GiR, unter anderem Martin Breu (Wiesent, Lkr. Regensburg). Einen Tag später lud Bauer zu einer Neujahrsdemonstration auf den Parkplatz vor den Arcaden. Als Redner trat neben dem Basis-Vorstand Jörg Brunschweiger (Regensburg) und einer Person, die schon im AfD-Kontext aufgefallen ist, erneut auch Florian Kuttner auf. Der Heilpraktiker bediente in seiner Rede gängige Feindbilder der extremen Rechten: so unter anderem eine Aversion gegen Merkel und den Journalismus. Als Abschlusssatz zitierte er die Parole Wir sind das Volk. (siehe Chronologiebeitrag 01.01.22)

Eine Woche später war Kuttner zusammen mit Helmut Bauer dann auch als Leiter der Versammlung mit dem Titel Gemeinsam in Regensburg” tätig. Auf allen einschlägigen verschwörungsideologischen Telegramgruppen wurde dafür geworben. Auch die Regensburger AfD mobilisierte öffentlich. Auf der Kundgebung waren Schilder mit verschwörungsideologischen Parolen sowie Vergleichen mit dem Nationalsozialismus und der Shoa zu lesen. (siehe Chronologiebeitrag 08.01.22)

GiR-Akteuer:innen nach außen hin nicht besonders radikal, eingebunden aber in die verschwörungsideologische Szene

Johann Schuierer, dessen Auftritt den inoffiziellen Beginn von Gemeinsam in Regensburg“ markierte, zog sich nach unseren Recherchen bzw. Veröffentlichungen aus dem sichtbaren Teil und nach kurzer Zeit auch aus der gesamten Struktur von GiR zurück und betätigte sich seither vor allem bei den Montagsspaziergängenin Nittendorf. Auch Bauer trat seit Anfang Januar in Regensburg nicht mehr organisatorisch auf und verlagerte seine Aktivität nach Niederbayern, blieb aber im regen Austausch mit GiR.

Mit Wegfall von Bauer änderte sich die Ausrichtung der Proteste. Wie an Kuttners Rede am 01. Januar zu sehen ist, weniger aus ideologischen als aus pragmatischen Gründen. In den Fokus rückte vor allem die Impflicht. Um ein gemäßigtes Publikum nicht zu verschrecken und um als legitimer Protest gegen die Impflicht wahrgenommen zu werden, hielten sich die Organisator:innen mit verschwörungsideologischen und rechten Inhalten zurück. Auch auf ihrem öffentlichen Telegramkanal repostete sie kaum Inhalte aus verschwörungsideologischen Gruppen. Auf ihren Flyern und auch auf den Kundgebungen distanzierten sie sich von linkem und rechten Extremismusund präsentierten sich als „Personen aus der Mitte der Gesellschaft. Dieses Narrativ der Mitte, das viele rechte Bewegungen nutzen, kann auch bei GiR schnell als Mimikri entlarvt werden. Eine wirkliche Abgrenzung nach Rechtsaußen, ein Bruch mit der verschwörungsideologischen Bewegung fand bei der rund zehnköpfigen Gruppe nicht statt, weder auf Demonstrationen, noch mit Bündnispartner:innen oder in den (internen) Telegramgruppen.

Florian Kuttner zeigt etwa kein Abgrenzungsbedürfnis zur extrem rechten bis neonazistisch geprägten Telegramgruppe Oberpfalz steht auf. Dort wird in häufiger Taktung der Holocaust entweder geleugnet oder relativiert, findet eine Hitler oder NS-Glorifizierung statt, werden Beiträge aus neonazistischen Telegramgruppen repostet, teilweise zur Vernichtung von Juden:Jüdinnen aufgerufen. Dort werden täglich Reichsbürger -, extrem rechte und verschwörungsideologische Inhalte verbreitet. Für Kuttner anscheinend alles kein Problem, denn er bewirbt dort in regelmäßigem Abstand die GiR-Demonstrationen. Auch hat er dort aufgerufen, ein rotes X auf die FFP2-Maske zu malen, was in der verschwörungsideologischen Szene als Erkennungssymbol für Aufgewachte” gilt. Er selbst trug auf den Demonstrationen wiederholt selbst ein solches X auf der Maske. Zudem hat Kuttner zu einer weiteren verschwörungsideologischen Gruppe Kontakt. Beim Verein Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“ (MWGFD e.V) wird Kuttner auf der Liste von unterstützenden Therapeuten geführt. Gegen den Vorsitzenden Sucharit Bhakdi läuft derzeit ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung aufgrund von antisemitischen Aussagen. Der zweite Vorsitzende Ronald „Ronny“ Weikl hat mit einem Verfahren wegen des Verdachts falsch ausgestellter Gesundheitszeugnisse gegen sich laufen.

Auch mit anderen Strömungen der extremen Rechten scheinen die GiR-Organisator:innen kein Problem zu haben. In Schwandorf veranstaltet seit Monaten der dortige AfD-Stadtrat Reinhard Mixl zusammen mit dem Regensburger AfD-Kreisvorsitzenden Dieter Arnold die Corona-Proteste“ . Kuttner trat dort Anfang Februar als Redner auf und hetzte unter tosendem Applaus gegen die Regensburger Zivilgesellschaft rund um die Initiative gegen Rechts. Ein zweiter Redner von GiR, Martin Breu, trat ebenfalls vor einigen Wochen bei den Schwandorfer Protesten auf. Regelmäßig ist Breu dort auch als Ordner, oftmals neben subkulturellen Neonazis, tätig.

Aber auch auf den Montagsspaziergängen“ in Regensburg kommt regelmäßig das Who-is-Who der regionalen verschwörungsideologischen Szene zusammen. Darunter auch AfDler (etwa Thomas Braun), Neonazis (Phillip Abt) und andere Personen die in der Vergangenheit im extrem rechten Kontext aufgefallen sind. Ein regelmäßiger Besucher und teilweise auch treibender Akteur ist dabei Sebastian Brand von GiR. Auch bei den Telegramgruppen werden die unangemeldeten Demonstrationen regelmäßig beworben. Sascha Wittling (Regensburg), der als Verantwortlicher für das Impressum von GiR steht, begleitet die Spaziergänge“ regelmäßig und stellt danach eine filmische Nachbereitung ins Netz.

Auf ihrem Telegramkanal bewerben GiR alle möglichen verschwörungsideologischen Proteste aus ganz Bayern, darunter aktuelle Kundgebungen von Bayern steht zusammen. Diese waren in Regensburg zuletzt im Mai 2021 mit Helmut Bauer zu Gast. Neben der Bewerbung solcher Events der bayerischen Szene, beteiligen sich Regensburger Akteur:innen auch regelmäßig daran. Somit spielt auch der Demotourismus weiter eine gewisse Rolle. So ging es im April 2022 geschlossen nach München zu der Großdemo“ von „München steht auf. Auch auf der Demonstration Neonazis vom Dritte Weg und Akteure der AfD.

Gemeinsam in Regensburg Pflegekräfte: Verschwörungsanhänger:innen in weiß

Neben der Impfgegnerschaft inszeniert sich GiR als Stimme der Regensburger Pflegekräfte. Mit Tobias Kersten und Petra Paic (beide Regensburg) sind zwei Mitglieder von GiR selbst direkt von der einrichtungsbezogenen Impflicht betroffen; beide arbeiten im Klinikum der mebdo auf der selben Station. Für die Agitation hat Paic die Telegramgruppe Gemeinsam in Regensburg Pflegekräfteangelegt. Bei der internen Gruppe mit aktuell 170 Personen, wird sich zwar teilweise über die einrichtungsbezogene Impflicht ausgetauscht, vielmehr ist die Telegramguppe aber eine Plattform für FakeNews und Verschwörungserzählungen. Die meisten Reposts sind dabei aus rechten bis neonazistischen Telegramgruppen. So kann man mit einem Klick auf Gruppen kommen, wo ganz offen die Shoa geleugnet, Ursula Haverbeck als große Heldin gefeiert oder zur Vernichtung der Juden aufgerufen wird. Für Admin Paic kein Problem, sie schreibt:

„Solange diese Nachricht nicht zu Gewalt/Hass/Diskriminierung aufruft, kann eine wichtige Information von dieser Quelle gern geteilt werden, solange diese der Richtigkeit entspricht. Lasst uns dies aber bitte nicht weiter thematisieren, es gibt wichtigeres als eine politische Gesinnung! Und nicht jedem ist dies wichtig, der Inhalt der uns weiter bringt hat Vorrang!!.

Neben der Tatsache, dass viele der geteilten Informationen rechte Narrative und Verschwörungserzählungen bedienen, ist diese unkritische Haltung natürlich ein Einfallstor für die extreme Rechte.

treffen sich mit dem bayerischen Gesundheitsminister

Unkritisch waren auch die Regensburger Medien, als sie von dem Treffen von GiR und der Landrätin Tanja Schweiger berichteten. Schweiger, von der behauptet wird, dass sie selbst Impfverweigerin ist, traf sich mit GiR Mitte Februar und ließ sich eine Unterschriftenliste von über 450 Unterschriften aus dem regionalen Pflegebereich” übergeben. Ob diese Unterschriften wirklich von tatsächlichen Mitarbeiter:innen stammen ist fraglich, denn die Listen lagen bei jeder Versammlung von GiR aus und alle Demonstrant:innen hatten darauf zugriff. Auch fraglich ist, was für GiR regionalbedeutet. So wurden die Listen unter anderem in Straubing und auch in Schwandorf ausgelegt. Dass regional eher wenig Pflegekräfte zu GiR gehören, zeigte die Tatsache dass bei der Übergabe mit der Landrätin auch eine Kittelniederlegungstattfinden sollte. Dafür fanden sich intern aber zu wenig Leute. Die symbolische Aktion wurde deshalb abgesagt.

Ein zweiter Versuch von Paic und GiR, eine Versammlung vor dem Landratsamt in Regensburg zu veranstalten, folgte dann Anfang März. Bei der rund 120 Personen-Demonstration fanden sich neben den üblichen Personen der verschwörungsideologischen Szene auch vermeintliche Personen aus dem medizinischen und Pflegebereich ein. Ziel war es, Öffentlichkeitswirksam zu zeigen, dass aufgrund der Impflicht Personal wegfalle. Symbolisch gaben die ca. 50 Impfverweiger:innen (darunter diverse Heilprakter:innen und Sozialarbeiter:innen) ihre Berufsurkunde dem Landratsamt das für die Überprüfung gar nicht zuständig ist wieder zurück. Bei der Kundgebung, wie auch bei allen anderen Versammlungen von GiR, reisten die Teilnehmenden teilweise aus anderen Landkreisen, bis zu über 100 Kilometer Entfernung an.

Bei den GiR-Pflegekräften ist also mehr Schein als Sein. Für die Mittelbayerische Zeitung war das dennoch ein unkritischer Artikel wert. Die MZ ging jedoch noch weiter und lud Kuttner als Vertreter von GiR zu einem runden Tischmit dem bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek am 12. April im Verlagshaus ein. Die Initiative gegen Rechts machte dieses Treffen im Voraus öffentlich und forderte eine Absage, was die MZ-Verantwortlichen verneinte.

Ebenfalls mit am Tisch saß Robert Friedl (Oberpöring, Lkr. Deggendorf), der im Raum Deggendorf als Kopf von „SelbstDenken21“ die Proteste – lange Zeit zusammen mit den Neonazis von BfFuW (siehe unten) – organisiert. Trotz seiner „Distanzierung von rechts“, sprachen letztes Jahr auf seiner Kundgebung extrem rechte Personen wie Ralf Stadler, Stephan Protschka, Peter Junker (alle AfD) und Oberst a.D. Maximilian Eder. Letztere rief auf der Bühne von Friedl schon zu einem offenen Systemsturz auf. Kein Wunder also, dass bei den Kundgebung von „SelbstDenken21“ auch immer wieder Neonazis vom Dritten Weg mit einem Transparent anwesend sind.

Gemeinsam in RegensburgKundgebungen

Im ersten Quartal 2022 organisierte Gemeinsam in Regensburgganze 12 Demonstrationen. Diese laufen meist ähnlich ab: Auftaktkundgebung (meist am Dom) mit Moderation (meist Florian Kuttner) und ein oder zwei Reden. Dann Demozug mit Trommeln mit wechselnder Route, Abschlusskundgebung mit minutenlangem Trommel- und Tanzkreis am Startpunkt. Besonders am Ende werden die vorgeschriebenen Abstände nicht eingehalten. Gleichbleibend neben dem Ablauf, ist auch das Erscheinungsbild nach außen. Seit Monaten werden die gleichen Transparente verwendet. Teilweise gibt es selbstgebastelte Plakate die von Love, Peace and Harmonybis zu Verschwörungsnarrativen reichen. In den letzten Wochen war zudem ein AUF1 Plakat, ein extrem rechtes Medienportal aus Österreich prägend. Auch kleinere Flyer oder Sticker von AUF1 tragen Demonstrierende regelmäßig mit sich. Ebenso ist das AfD Logo Gesund ohne Zwangauf Stickern und Westen im Publikum auszumachen. Verweise zu Q-anon oder Judensterne sind anders als in der Frühphase der Bewegung – bei den Versammlungen nicht mehr zu sehen. Dies hat mehre Hintergründe, zum einen aufgrund strafrechtlicher Verfolgung, zum anderen weil der Protest versucht, sich nach außen als legitim darzustellen.

Personen aus der organisierten extremen Rechten bilden, prozentual gesehen, die Ausnahme bei den Protesten, was allerdings mit der Tatsache zu tun hat, dass in Regensburg Personen der extremen Rechten überschaubar sind. Wie bei allen Protesten der verschwörungsideologischen Szene in Regensburg, ist daher das Publikum sehr heterogen. Bekannte extrem Rechte wie etwa der AfD-KV Vorsitzende Dieter Arnold werden allerdings nicht der Versammlung verwiesen. Auch Akteure die Anfang und Mitte Februar den Hitlergruß und auch den faschistischen Wolfsgruß zeigten wurden nicht verwiesen. Immer wieder fungieren auch extrem rechte Personen, darunter Personen aus dem Hooliganspektrum, als Ordner. Scheinbar für Sebastian Brand der für den Ordnerdienst bei GiR zuständig ist, kein Problem. Wie auch bei den anderen Protestorganisationen kommt es auch bei GiR zu verbalen und körperlichen Attacken gegen Journalist:innen, Gegenprotestierenden und Personen die am Rande der Versammlungen ihre Meinung kund tun.

Der Gesundheitsminister Karl Lauterbach stellt momentan das aktuellste personifizierte Feindbild von GiR da. Immer wieder wird er von Kuttner oder anderen in den Reden erwähnt. Bei einer Kundgebung am 20. März, bei der Sebastian Brand die Leitung hatte, wurde ein Schwarz-Weiß Foto von Lauterbach mit einem schwarzen Schnurbart („Hitlerbart“) aufgehängt. Dies wiederum sollte Assoziationen beim Betrachenden wecken, dass eben Lauterbach der neue Adolf Hitler ist. Seit Anfang April ist zudem von GiR eine Grafik und Sticker im Auflauf gebracht worden, bei dem neben dem Konterfei von Lauterbach geschrieben ist: Stoppt den Wahn(sinnigen)”.

Die Teilnahmezahlen waren zu Jahresbeginn extrem hoch und sinken seither kontinuierlich ab: 2000 (08.01.) – 2500 (15.01.) – 2300 (22.01.) – 1700 (29.01.) – 1600 (05.02.) – 1500 (12.02.) – 1250 (20.02.) – 900 (26.02.) – 800 (05.03.) – 650 (12.03.) – 900 (20.03.) – 500 (26.03.) – 380 (09.04.)

mit extrem rechten Redner:innen und Verschwörungserzählungen

Als externe Redner:innen treten teilweise extrem rechte Personen auf. Bei seinem 30-minütigen Auftritt am 20. März verbreitete der Musiker Estéban Cortez“ offenen Rassismus und rechte Narrative. Im Lied „Mädchen aus Westberlin“ besang er eine angebliche Islamisierung. Im Text heißt es:

Ich bin tausendmal lieber in Charlottenburg, als im grünversifften Friedrichshain [] in der Stadt gibt es nur noch Messerstecherein, Muezinne die über alle Häuserdächer schreien. Wo früher unsere Kneipe war, ist heute eine Shishabar.“

Auch andere Feindbilder der extremen Rechten thematisiert der Gitarrist in seinen Liedern, darunter etwa die Ökologiebewegung oder den Kampf für Geschlechtervielfalt. Moderator der Kundgebung Sebastian Brand, der sich selbst als links sieht, dankte für die „genialen Texte“.

Ein weiterer rechter Redner war am 05. März Peter Ganz aus Stadtbergen bei Augsburg. Über seinen Besuch, bei dem er offiziell als Redner auftrat, berichtete bereits regensburg-digital.de ausführlich. In seiner Rede verbreitete Ganz offen Fake News, griff ein Plakat der Neupfarrgemeinde, das an die Toten der Covid-Pandemie erinnert, verbal an und rief zum Widerstand gegen eine angebliche Coronadiktatur auf. Ganz nahm in der Vergangenheit an einem Treffen des faschistischen „Flügel“ der AfD in Greding teil und engagiert sich im Umfeld des Vereins Gedächnisstätte e. V., deren Vorsitz die bundesweit bekannte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck innehatte. Letztes Jahr half Ganz wie auf einem Foto der Vereinshomepage einsichtbar mit mehreren Neonazis beim Wiederaufbau einer Immobilie des Vereins im thüringischen Guthmannshausen. Wie Ganz bei jeder ihm bietenden Gelegenheit selbst mitteilt, wird gegen ihn aktuell wegen Holocaustrelativierung ermittelt – was den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Auch bei seinem Auftritt in Regensburg berichtete er von einer damit verbundenen Hausdurchsuchung. Neben seiner Rede zeigte Ganz mit Hilfe von GiR (Kuttner half beim Aufbau, Brand war als Ordner eingesetzt) seine Ausstellung Galerie des Grauensund rief zum Widerstand gegen die Regierung nach Artikel 20 GG auf. Ein beliebter rhetorischer Trick innerhalb der extremen Rechten, einen Systemsturz zu legitimieren.

Beliebt ist auf den Demonstrationen von Gemeinsam in Regensburgauch die Legende von für Impfungen durchgeführten Abtreibungen. Annesagte am 20. Februar unter gröhlender Zustimmung: „Für mich als Christin ist der Impfstoff auch ethisch nicht annehmbar. Er basiert auf Zelllinien abgetriebener Kinder. () Das Zellgewebe aus der Niere wurde den Kindern ohne Betäubung in der 14. bzw 18. Schwangerschaftswoche bei lebendigem Leibe entnommen, bevor sie dann für die Abtreibung getötet wurden. Ja, sind wir denn Kannibalen, dass wir zur eigenen Gesunderhaltung so etwas akzeptieren? Ich vermisse hier die klare Positionierung unserer Kirchen, von der Spitze bis ganz nach unten. Stattdessen ruft man zur Impfung auf. Ich leide als Christin mit Jesus an diesen Auswüchsen.“ Der bereits erwähnte Neonazi Peter ganz rief in seiner Rede: „Für diesen Impfstoff werden kleine Babys, die man aus dem Leib der Mutter rausholt, 3 Monate alte Babys () die werden lebendig ausgeschlachtet, das steht auf Wikipedia, () weil man diese Zellen benötigt für die Impfstoffe. Jetzt frag ich euch: Ist das göttlich oder ist das satanisch?“ Diese Erzählung verknüpft antifeministische (Anti-choice), christlich-fundamentalistische (Lebensschützer), antisemitische (Ritualmordlegende) und gegen die Impfung gerichtete Verschwörungserzählungen und kommt beim Demopublikum immer wieder gut an.

Vernetzung nach Straubing: Den Neonazis so nah

Eng vernetzt ist Gemeinsam in Regensburg auch mit dem Straubinger Matthias Höchbauer. Er organisiert in Straubing, in der Vergangenheit auch mit Helmut Bauer, regelmäßig die Corona-Proteste, dort traten auch Kuttner und Breu bereits als Redner auf. GiR und Höchbauer helfen sich zudem gegenseitig aus und stellen jeweils Ordner:innen für die jeweils andere Versammlung.

Höchbauer ist dabei kein neuer Akteur, sondern schon seit über einem Jahr in die Organisation der Proteste der Pandemieleugner:innen in Straubing und Deggendorf eingebunden. Dabei hat er kein Problem, eng mit Neonazis zusammenzuarbeiten und bei deren Kundgebungen organisatorisch mitzuwirken. So beteiligte er sich im Winter 2021 mindestens zwei Mal als Ordner – neben deutlich erkennbaren Neonazis – bei Veranstaltungen der neonazistisch geprägten Bewegung für Freiheit und Wandel Plattling“ (BfFuW) und meldete eine davon in Straubing sogar in Kooperation mit der Gruppe als Veranstalter an. BfFuW ist dabei überregional bekannt, maßgeblich von Neonazis wie Ulrich Pätzold (ehem. NPD und HDJ; Schöllnach, Lkr. Deggendorf) und Michael Kastner (u.a. ehem. Freies Netz Süd, Niederpöring, Lkr. Deggendorf) organisiert zu werden. Bei einer Kundgebung im Februar 2021, bei der Höchbauer auch als Ordner tätig war, wurden dort offen antisemitische Verschwörungsideologien und ein rechter Systemsturz propagiert. Auch außerhalb von regionalen Versammlungen hat Höchbauer Kontakte mit Neonazis. Auf Facebook ist er mit Kastner befreundet, mit ihm und seinem Umfeld war er auch Ende 2021 in Nürnberg auf der AfD-Kundgebung gewesen.

Vernetzung nach Weiden: dieBasis organisiert die Proteste

Neben der Vernetzung nach Süden, ist GiR auch im Austausch mit Strukturen aus der Mittleren Opferpfalz. Dies war schon unter den Vorläuferorganisationen wie „Querdenken941“ zu beobachten.

Konkret mit Elisabeth Lisa und Manuela Kreis (Pfaffenreuth & Püchersreuth, Lkr. Neustadt a.d.Waldnaab). Tochter und Mutter organisierten Anfang Februar in Weiden eine Demonstration gegen die geplante Impfpflicht in Gesundheitsberufen. Zuvor war Peter Ganz mit seiner Ausstellung am Marktplatz. Am Abend interviewte Lisa Kreis noch Ganz für ein verschwörungsideologisches YouTube-Format, bei der er über eine Plandemie” und die üblichen Verschwörungserzählungen schwadronierte. Das schreckte Kreis nicht ab und sie intensivierte in den nachfolgenden Wochen ihren Kontakt mit Ganz, befreundete sich mit ihm auf Facebook und verkündete in Regensburg Anfang März bei GiR mit Ganz zusammen, dass sie und ihre Mutter eine regionale Oberpfälzer Galerie des Schreckensaufbauen will.

Manuela Kreis ist dabei keine Unbekannte in der verschwörungsideologischen Szene. Sie sprach Anfang Januar 2021 bei einer Querdenken-Kundgebung im Landkreis Neustadt an der Waldnaab. Als die Partei dieBasissich im Laufe des Jahres in Weiden gründete, trat sie, neben vielen anderen der Szene, ein und übernahm den Vorsitz. Auf Facebook kann ihre Ideologie gut nachvollzogen werden. Dort teilt sie extrem rechte (AUF1, Compact-Magazin und Jou-Watch) und verschwörungsideologische Medien (reitschuster, Ken Jebsen, wochenblick.at). Verbreitet Pandemie- und Klimawandelleugner-Narrative und auch Chemtrail-Positionen. Besorgniserregend dabei ist auch, dass Kreis in der Jugendarbeit bei der Bayerischen Sportjugend im BLSV tätig ist und für diese auch im Stadtjugendring in Weiden sitzt. Auch Elisabeth Kreis, scheint Verschwörungsmythen nicht abgeneingt und teilte auf ihrer Facebook Seite ein Video, dass den russischen Angriffskrieg negiert.