Martin Hoff: „Mit der Schwarzen Wahrheit gegen das Corona-Regime“

Am Samstag, dem 30. Januar, fand in der Regensburger Altstadt eine „Kunstaktion“ mit dem Namen „Schwarze Wahrheit“ statt. In der „Performance“ traten die Teilnehmenden einheitlich gekleidet mit Maler:innenanzügen, Theatermasken und Schildern („Distanz=Sicherheit“, „Selber denken gefährdet“, „Körperkontakt ist gefährlich“, etc.) um den Hals auf. Dabei bewegten sie sich mit eingehaltenem Mindestabstand und Lautsprecherdurchsagen wie:

„Söder, erhöre uns / Schnelltests in allen öffentlichen Räumen / Spahn, erhöre uns / Überwachung durch Drohnen / Merkel, erhöre uns / Masken mit Warnsensor bei Verrutschen / Drosten, erhöre uns / Erschießt die Maskenverweigerer / Isolation für Infizierte“.

Die Agitprop-Aktion sollte sichtbar machen, dass Deutschland sich aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in einer „Corona- bzw. Hygienediktatur“ und einem „Gesundheitsfaschismus“ befinde. Die Aktion, die anhand ihres Wordings und ihrer Teilnehmenden der verschwörungsideologischen Szene zuzurechnen ist, wurde dabei relativ klandestin geplant – vor Ort gab es keine Sprecher:innen oder dergleichen. Der Organisator war jedoch auszumachen: der Ex-Vorstand von Transition Town Martin Hoff.

Vom Öko-Vorstand …

Martin Hoff (Tegernheim, Lkr. Regensburg) ist in Regensburg kein Unbekannter. Jahrelang war der 36-Jährige Mitglied im Vorstand der Regensburger „Transition Town“ (TT) Initiative (1) und arbeite auch mit linken Gruppen und Organisationen in Regensburg zusammen. Doch im Herbst 2020 gab es innerhalb von TT massive Diskussionen und Streit. Anlass war die Ablehnung von Kritik am verschwörungsideologischen Spektrum um „Querdenken“ im Allgemeinen und dem Regensburger Ableger „Querdenken941“ im Besonderen durch Hoff (und andere). Er trat am 16. Dezember als Vorstand zurück. Für ihn ist die Kritik an Querdenken und der anhängenden Bewegung eine „Form der gesellschaftlichen Spaltung und überhebliche denunziative Verleumdung“, sowie „Diskreditierung“. Wie so viele Personen in dem Spektrum der „Anti-Coronamaßnahme-Kritker:innen“ sieht er dabei nicht die immanenten Verschwörungsideologien und den strukturell antisemitischen Charakter, von den offenen extrem rechten Inhalten und Personen gar zu schweigen (2).

… zum Verschwörungsideologieanhänger

Seinen Austritt aus TT postet er in der internen Facebookgruppe „Oberpfalz steht auf“ mit den Worten „Auch ich bin #Aufgestanden“. Hier wird bereits das verschwörungsideologische Vokabular deutlich: Martin Hoff ist nun kein „Schlafschaf“ der Masse mehr, sondern erkennt die Zusammenhänge der Verschwörung rund um das Coronavirus. Doch dabei will der Tegernheimer es nicht belassen, er sucht für „Aktion[en] subversiv gegen das Corona-Regime“ in der Facebookgruppe Mitstreiter:innen und legt dazu die Telegramgruppe „Oberpfalz ist frei“ an.

Die erste Aktion sollte die „Kunstaktion Schwarze Wahrheit“ am 10. Februar sein. Hoff übernahm dabei die Organisation und die Durchführung vor Ort. Nach der Aktion beteiligte sich ein Großteil der Teilnehmenden an der Kundgebung von Jörg Brunschweiger (Regensburg) (3). Dabei trugen sie weder Mund-Nasen-Schutz, noch hielten sie Abstand. Die rund 20 Teilnehmer:innen konnte Hoff vor allem über die Facebookgruppe „Oberpfalz steht auf“ gewinnen. In der Gruppe – ähnlich wie in den einschlägigen Telegramgruppen – werden Unmengen an Content mit Verschwörungsmythen und Vernichtungsideologien, offener Antisemitismus, NS-Relativierung und anderem gepostet (ein ausführlichen Artikel folgt). Auch dies scheint Hoff nicht zu stören, zumindest widerspricht er diesen Posts nicht und macht sie dadurch mit salonfähig.

Auch andere Aktionsformen unterstützt Hoff. Bereits am 05. Januar erkundigte er sich in der Facebookgruppe, wer bei der Aktion #wirmachenauf in Regensburg teilnehmen würde. Zwar verlief die Aktion anders als es sich die Aufrufenden vorgestellt hatten: in Regensburg öffnete lediglich ein Händler am 11. Januar sein Geschäft. Hoff war jedoch zur Stelle und gab sich als zufälligen, interessierten Kunden aus. „Also ich war heute mir bei ihm ne Winterjacke kaufen. Die 2k wars mir wert (sic!)“ schrieb Hoff über seinen Besuch beim Pelzgeschäft „Marcus Müller Pelzdesign“ (4). Leider sprang die Lokalpresse auf seine Rolle an und der Verschwörungsideologe konnte diverse Interviews und O-Töne liefern.

Strategiewechsel der Querdenker – Hintergrund „Schwarze Wahrheit“

Die „Kunstform Schwarze Wahrheit“ geht auf einen Artikel von Stefan Korinth (5) im Multipolar Magazin vom September 2020 zurück. Dort schreibt er:

Es braucht keine fröhlichen Veranstaltungen und keine tiefschürfenden Argumente, um dort prominent aufzutauchen. Es braucht beeindruckende Bilder und plakative Botschaften. Über Bilder, Symbole und Botschaften müssen die Querdenker die Kontrolle gewinnen. Besser spät als nie. Und zwar indem sie diese selbst anbieten. Aber nicht viele verschiedene, sondern genau ein Bild, ein Symbol, eine Botschaft.“

Für ihn ist die Aktionsform Widerstand gegen den „ideologischen Überbau vom Killervirus und von der „epidemischen Lage nationaler Tragweite““. Der Debattenbeitrag kann als Strategiewechsel der verschwörungsideologischen Szene gelten. Vor allem die Querdenken-Kundgebungen waren zum Ende des Sommers medial stark in Kritik geraten. Hauptgrund dafür war die Verankerung der extremen Rechten im Protestgeschehen. Mit einem Wechsel der Aktionsform und der Etablierung des Labels „Schwarze Wahrheit“ und der Nutzung von Masken und einheitlicher Kleidung kann eine Identifizierung der Teilnehmenden besser vermieden werden. Hier zeigt sich die Taktik der Bewegung: Statt eine klare Trennlinie zu extrem rechten und verschwörungsideologischen Inhalten und Personen zu ziehen, sollen diese nun im Protest verborgen werden.

Es ist deshalb kein Wunder, dass gerade neonazistische und extrem rechte Medien diese Aktionsform besonders gut finden. So spricht die Autorin Maria Schneider positiv von einem neuen Trend. Ihr Artikel wird auf dem Blog des NPD-Magazins Deutsche Stimme, philosophia-perennis (David Berger), dem Compact Magazin sowie anderen extrem rechten Blogs verbreitet. Auch in den Telegramgruppen der verschwörungsideologischen Szene werden diverse Videos von den Aktionen gepostet. In Ostbayern wurde die Aktionsform „Schwarze Wahrheit“ zuerst im Oktober 2020 in Deggendorf praktiziert. Organisatorisch traten dort maßgeblich die Neonazis Ulrich Pätzold (Schöllnach, Lkr. Deggendorf) und Michael „Mike“ Kastner (Platting, Lkr. Deggendorf) auf. Im Landkreis Passau steht hinter dem Protest der sogenannten „Mask Force“ der Neonazi Martin Gabling (Ruhstorf, Lkr. Passau) (6).

Der Sound bzw. das Sample der Durchsagen der „Schwarzen Wahrheit“ ist unter hygienediktatur.com zu downloaden. Für diese Seite ist die Linzerin Edith Brötzner und ihre Werbeagentur Bluemarketing verantwortlich. Sie gilt als eine der Hauptfiguren der verschwörungsideologischen Szene in Österreich, organisiert einige Internetplattformen und tritt als Rednerin auf den zugehörigen Demonstrationen auf. Am 31.01.2021 war sie bei der extrem rechten FPÖ in einem Livestream zu Gast. Brötzner hat die Aktionsform „Schwarze Wahrheit – Hygienediktatur“ in Österreich maßgeblich etabliert. Bei einer solchen Aktion ließen sich knapp 50 Teilnehmer:innen winkend vor dem Geburtshaus von Adolf Hitler ablichten, einige zeigten dabei den Hitlergruß, weswegen Ermittlungen aufgrund des Verdachts der NS-Wiederbetätigung laufen (7).

Das alles scheint aber Hoff und auch den Rechtsanwalt Otmar Spirk (Pentling, Lkr. Regensburg) nicht zu stören. Auf seinem Blog leben-und-leben-lassen-in-regensburg.de berichtet Letzterer positiv über die Aktion und verlinkt zur Seite hygienediktatur.com. Verwundern kann das eigentlich nicht mehr: Beide sind fester Bestandteil der regionalen verschwörungsideologischen Szene, die sich eben maßgeblich mit der extremen Rechten überschneidet.

anita f. – Februar 2021

(1) Zur rechtsoffenen Charakter von Transition Town und die Duldung von dem AfD Anhänger Joachim Datko (Regensburg) schrieben wir hier: https://anitaf.net/2018/09/28/ein-gruen-blauer-brauner/.

(2) https://anitaf.net/tag/corona-rebellen/ & https://anitaf.net/tag/querdenken/

(3) https://anitaf.net/?s=J%C3%B6rg+Brunschweiger

(4) Belege ob der Inhaber Marcus Müller (Lkr. Passau) der verschwörungsideologischen Bewegung angehört sind nicht auszumachen. In der Vergangenheit äußerte sich Müller immer wieder gegen Linke und linke Vorstellungen. Dies hatte den Anlass das er mit seinem Geschäft in Kritik von (linken) Tierschützer:innen geraten ist.

(5) Korinth ist wie das Magazin Multipolar der verschwörungsideologischen Szene zu zurechnen. In der Vergangenheit schrieb er u.A. für Antisemiten Ken Jebsen (Kayvan Soufi Siavash) auf seinem Blog KENFM und ist aktiver Autor im Rubikon Blog.

(6) https://twitter.com/nullacht51/status/1359220876995158017