Am Samstag, den 18. Dezember 2021 wollen Akteur:innen aus der verschwörungsideologischen Bewegung eine größere Kundgebung in Regensburg durchführen. Angemeldet hat dies Johann Schuierer aus Nittenau (Lk. Schwandorf). Er ist Teil des losen Netzwerkes „Bayern steht auf“, in dem auch extrem rechte Personen Führungsrollen inne haben.
Neue Entwicklungen der „Corona-Proteste“ …
Im Zuge der aktuell debattierten „Impfpflicht“ sowie der neueren Regelung der Infektionsschutzmaßnahmen und im Schatten der größeren Proteste in Österreich nahmen zuletzt bundesweit wieder mehr Teilnehmer:innen an den Versammlungen der verschwörungsideologischen Bewegung teil. Dieser neueren Mobilisierungswelle folgten auch viele Personen, die bis dato nicht oder nur wenig mit den Protesten zu tun hatten. Eine Art „neue Generation“ kam sowohl bei den Teilnehmenden, als auch bei den Aktiven hervor. Im letzten Monat entstanden aus dieser Dynamik heraus neue Netzwerke und damit verbunden auch neue Telegramgruppen. Als Hauptchat ist die Gruppe „Bayern steht auf“ zu nennen. Diese konnte in knapp vier Wochen über 1.700 User:innen gewinnen. Zudem gibt es für jeden Regierungsbezirk nochmals mit gleichnamigem Wortlaut Untergruppen. In der Telegramgruppe „Bayern steht auf – Oberpfalz“ sind aktuell 800 Mitglieder zu verzeichnen. Neben dem gibt es für die regionale Kommunikation noch eine kleinere Telegramgruppe („93XXX vernetzt sich…“).
… mit alten „Bekannten“
Trotz dieser neuen Aktivist:innen können auch Personen in den Organisationsstrukturen ausgemacht werden, die seit fast einem Jahrzehnt in Regensburg extrem rechte Politik machen.
Zum einen ist hier Thomas „Tom“ Braun aus Sinzing (Lkr. Regensburg) zu nennen. Er ist einer der fünf Admins der „Bayern steht auf“ Telegramgruppen. Der 55-Jährige Zahntechniker war von 2014 – 2017 im Vorstand des Kreisverbandes der „Alternative für Deutschland“ (AfD). Bei der Kommunalwahlliste 2020 trat er darüber hinaus für die extrem rechte Partei auf Platz 9 an. (1)
Vordergründig behauptet Braun wegen des drohenden „Impfzwanges“ auf die Straße zu gehen, in den Telegramchats agiert er aber in verschwörungsideologischem Duktus. So spricht er von Söder als Södolf (in Anlehnung an Adolf Hitler), nennt die Impfkampagne als das „schlimmste Verbrechen aller Zeiten“ und wägt sich im „Widerstand“ gegen das System.
Eine weitere Person die sich in dem Zusammenhang organisatorisch bewegt ist Martin „Martl“ Gorgiev. Der Sinzinger (Lkr. Regensburg) versuchte – mit anderen Personen, darunter mit dem Besitzer des „First Class“ Tattoostudios Ante „Tonco“ Serdarusic – 2015 einen PEGIDA-Ableger in Regensburg zu installieren. Aufgrund antifaschistischer Recherchen und zivilgesellschaftlichem Handeln wurde dies aber schon im Kern verhindert. Martl betrieb darüber hinaus noch einige Zeit lang die Facebookgruppe „Wir sind die X%“, zog sich dann aber politisch zurück. Zu der verschwörungsideologischen Bewegung stieß er Anfang 2021. Auf Telegram – mit einem Q und einer Reichsfahne als Profilbild – warb er für die Organisation „Nationale Befreiungsbewegung Deutschland“. Darüber hinaus äußerte er sich auch in der Ideologie der Reichsbürger und fordert die Verfassung von 1871 und damit auch ein „Großdeutschland“ wieder. Aktuell ist er einer von zwei Admins der Telegramgruppe „93XXX vernetzt sich…“ mit über 200 Mitgliedern.
„Endgegner Regensburg“ – wenn Zivilgesellschaft und Geflüchtete als Problem gesehen werden
Im Zuge der größeren Teilnehmer:innenanzahl bei den Protesten der verschwörungsideologischen Szenen Anfang Dezember, kam auch im regionalen Chat von „Bayern steht auf“ die Frage auf, warum denn in Regensburg nicht protestiert wird bzw. der Protest so klein ist. Schnell wurde sich auf gängige extrem rechte Narrative bzw. Feindbilder geeinigt. Über den Groupbot – den vermutlich Thomas Braun betreibt – wurde folgendes geschrieben:
„Regensburg ist rot-grün versifft…mach da ne Demo, es kommen 200 leute und die stadt fährt ihre bezahlten schreikinder, gewerkschaften, antifanten etc auf, die gegen rechts demonstrieren. Die pfeifen und brüllen alles nieder…kenn ich alles. Denn die Bürgermeisterin lässt sich ja auch gern ablichten auf ner Bühne mit Antifa flaggen….soviel zu regensburg.“ (Fehler im Original)
darüber hinaus schrieb er:
„Anhaltspunkt wäre wie gesagt: Umliegende Ortschaften Regensburg abzuklappern / aufzuwecken, dort findest du die Leute […] Und erst DANN über Regensburg herfallen. Endgegner Regensburg“
Auch andere Mitglieder, darunter Martl und Reinhard Mixl (AfD-Stadtrat Schwandorf) kommentierten die aufgeworfene Frage unter anderem mit „Regensburg ist verloren“. Auch der Anmelder der kommenden Versammlung, Johann Schuierer, stieg mit in die Diskussion ein und sah in dem Problem die „Migranten“.
Bei der militärischen Sprache und den extrem rechten Feindbildern verwundert es nicht, dass Braun dann auch unwidersprochen von den „Zecken“ (1), gemeint ist der IgR-Protest am Samstag in der Chatgruppe sprechen kann.
„Ich gebe Regensburg nicht auf“ – Protest für die Szene
Doch trotz der Debatten ob man in Regensburg demonstrieren sollte, entschied sich Schuierer mit den Worten „Ich gebe Regensburg nicht auf“ für eine Versammlung und meldete diese beim Ordnungsamt an. Juristische Unterstützung bekommt er aktuell vom Multiaktivisten und Rechtsanwalt Otmar Spirk. Dieser bewegt sich schon seit Beginn der Pandemie in der verschwörungsideologischen Szene als Aktivist, vertritt darüber hinaus Szeneangehörige vor Gericht und betreibt den dilettantischen Blog „Leben und leben lassen in Regensburg“. Jüngst geäußerte antisemitische Chiffren des Ex-Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller nennt Spirk „richtige Einschätzungen zu den Superreichen“. Immer wieder in der Vergangenheit hatte sich Spirk teilweise schützend vor extrem rechte Personen in der Bewegung gestellt, diese Strömung versucht unsichtbar zu machen oder das Problem kleingeredet.
Neben Spirks Blog wird die Versammlung aber auch in vielen anderen Kreisen und Gruppen der Szene beworben. Darunter den „Studenten stehen auf“, der Partei „dieBasis“ und den „Eltern stehen auf“. Dazu formieren sich noch Impfgegner:innen bzw. Impfverweigerer die zur Kundgebung aufrufen.
Aufgrund eines fehlenden Aufrufes und dem inhaltslosen Flyer („Für unsere Zukunft, für unsere Kinder“ „No Impflicht – No Spaltung“) scheint es so als wollen die Organisator:innen gar keinen Inhalt auf der Straße präsentieren, sondern setzen vielmehr darauf, dass viele Personen kommen. Dieses Phänomen zeigte sich auch in den anderen bayerischen Städten, wo ganz „natürlich“ Neonazis und andere Faschist:innen neben Impfverweigerer, Esoterik-Anhänger:innen und alternativen Hippies ohne jegliches Abgrenzungsbedürfnis Hand in Hand gingen. Aus diesem Grund könnte auch die Versammlung am Samstag, die größte rechte Kundgebung der letzten Jahrzehnte werden.
(1) was wiederum an die Sprache des Nationalsozialismus anknüpft, in dem es gebräuchlich war Gegner:innen und Feindbilder mit Tiermetaphern darzustellen („Volksschädlinge“, „jüdische Parasiten“).
anita f. – Dezember 2021