Recherche zu den verschwörungsideologischen Versammlungen: Teil I

Seit Ende April 2020 finden in Regensburg Versammlungen statt auf denen verschwörungsideologische Inhalte und klare Falschmeldungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sowie Nationalismus, Antisemitismus und Sozialdarwinismus verbreitet und befeuert werden.

Die Kundgebungen und teils unangemeldeten Demonstrationen gegen eine angebliche „Corona-Diktatur“ bieten dabei unterschiedlichen Spektren Resonanzraum für ihre Inhalte. Die Organisationsstruktur war in den ersten Wochen von personellen Unstetigkeiten geprägt, es entwickelten sich mehrere Gruppen und Organisationsstrukturen heraus.

Trotz der Heterogenität sind vor allem Impfgegner_innen, Verschwörungsideolog_innen, Coronaleugner_innen und Personen aus der extremen Rechten fest verankert, dennoch ist ein konsistentes Selbstverständnis nicht auszumachen.

Im folgenden Artikel werden die bisherigen Entwicklungen zusammengefasst und ein Überblick über die verschiedenen Spektren gegeben. Eine chronologische Übersicht befindet sich in unserer Chronologie über extrem rechte Aktivitäten 2020.

1. Die Anfangsphase: Versammlungen der “Corona Rebellen“ / „Nicht ohne uns“

Im Kontext deutschlandweit beobachtbarer Formierungen an Versammlungen gegen die “Corona Maßnahmen” der Regierung begann sich auch in Regensburg Mitte April 2020 ein Netzwerk aus unterschiedlichen Spektren zu formieren. Begonnen hatte die Organisierung via Telegram-Gruppen mit Namen wie „Corona Rebellen“ oder nach Berliner Vorbild „Nicht ohne uns“. Zunächst auf Bayern-Ebene, schließlich auf Regensburg bezogen, schossen immer mehr solcher Gruppen aus dem Boden. Als Admins der ersten regionalen Telegramgruppe “Corona Regensburg” fungierten Sandra Eckert (Regensburg) und Rebecca Bemmerl (Regenstauf, Lkr. Regensburg). Die Gruppe sollte als reine Plattform für die Organisation von Versammlungen dienen. Daraufhin gründete Anisa Preljevic (Regensburg) die Telegramgruppe “Corona Rebellen Regensburg” mit den Worten: “Diese Gruppe dient für Austausch und Diskussionen für systematische Regensburger” (Fehler im Original).

Das Label „Corona Rebellen“ oder „Nicht ohne uns“ war außerhalb der Telegram-Gruppen wenig präsent. In beiden Gruppen befanden sich von Beginn an Meinungsführer_innen die extrem rechte Inhalte verbreiteten und weniger politisch Erfahrene radikalisierten. Inhaltlich gesetzt waren von Beginn an Verschwörungsmythen über den Zweck und die angeblich negativen Auswirkungen von Impfungen und die damit verbundene Hetze gegen Bill Gates. Aber auch die Qanon-Ideologie, die angeblichen Pläne der “NWO” und extrem rechte Inhalte waren von Anfang an verbreitet.

Zum ersten Mal auf die Straße ging der lose Zusammenschluss am Samstag, den 25.04. um 15:00, an dem bundesweit zu Aktionen aufgerufen worden war. An der nicht angemeldeten Versammlung beteiligten sich etwa 30 Personen. Inhaltlich dominierte vor allem die angeblichen geheimen Pläne von Bill Gates, der 7 Milliarden Menschen zwangsimpfen wolle. Mit Berufung auf den Artikel 20 des Grundgesetzes sahen sich die Teilnehmer_innen in der Pflicht, Widerstand gegen die aus ihrer Sicht “staatszersetzende Politik der Regierung Merkel” zu leisten.

Impfgegnerinnen als treibende Kräfte

Am 02.05. kam es dann zu einem erneuten unangemeldeten “Spaziergang gegen die Corona-Diktatur” inklusive NS-Vergleichen und -Relativierungen durch Aufschriften wie „Impfen macht frei“ oder „1933 = 2020 aufwachen!“. Als Organisatorin und Sprachrohr trat hier vorallem Ines Graßl (Lappersdorf, Lkr. Regensburg) auf. Obwohl bereits im Vorfeld in Sozialen Medien von Graßl und anderen zur Kundgebung mobilisiert worden war, sprach sie im Nachhinein von einer „zufälligen“ Zusammenkunft. Nachdem die ca. 200 Personen, die aus der gesamten Oberpfalz angereist waren, am Haidplatz zu einer Demonstration durch die Altstadt aufbrachen, stoppte die Polizei den Zug kurz vor dem Neupfarrplatz und zeigten Graßl wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Infektionsschutzgesetz an. Dennoch durfte Graßl die Anmeldung einer “spontanen” Kundgebung übernehmen und am Haidplatz durchführen.

Graßl ist selbstständige Gesundheits- und Ernährungsberaterin (“Genusswerkstatt Ines Graß”) und entwirft nach der Devise „Unsere Nahrung, unser Schicksal“ Kochkurse – unter anderem auch für die VHS Regensbuger Land – und Speisepläne die angeblich Krankheitsbilder heilen können. Auf ihrem Facebookaccount sind Inhalte der “Qanon-Bewegung” genauso wie Post die von einem „Völkermord für Deutschland“ durch „Asylanten-Invasoren“ nach dem Muster der neurechten Erzählung des „Großen Austausch“ berichten. Graßl betrieb für kurze Zeit auf Telegram den Kanal “quergedacht”.

Eine weitere Kraft in der Mobilisierung war Anisa Preljevic. Sie war Admin der Facebook-Gruppe „Impfkritisches Regensburg“ (zuvor „Natur verbindet – Regensburg“) zu der knapp 200, fast auschließlich weibliche Mitglieder zählten und zumeist Themen rund um Mutterschaft verhandelt wurden. Darüber hinaus wurden auch Verschwörungsideologien und Falschinformationen über „Impfschäden“ und „Pädophilie“, aber auch rassistische („die Invasion der Fremden“) Inhalte verbreitet. Auch Ines Graßl,Rebecca Bemmerl und Melanie Ullmann waren in der Gruppe aktiv. Die Gruppe wurde Mitte Juni 2020 deaktiviert.

Personen aus Esoterik und alternativer Heilkunde

Neben den Impfgegner_innen waren auch Personen die aus dem Spektrum der Esoterik und der alternativen Heilkunde entstammen seit Anfang an stark vertreten. So bewarb Melanie Ullmann (Bernhardswald, Lkr. Regensburg), die im März 2020 für die Freien Wähler Bernhardswald zur Kommunalwahl antrat, die unangemeldete Demonstration am 2. Mai auf Facebook und war in der Telegramgruppe aktiv. Ullmann betreibt das Geschäft “DUFT OASE – Melanie Ullmann – Öleflüsterin”, in dem sie ätherische Öle verkauft. Auch sie postet auf Facebook rechte Verschwörungsideologien wie Qanon.

Zeitgleich zu der unangemeldeten Versammlung am 2. Mai vollzog die Heilpraktikerin Clarissa Schubart (Pentling) eine Meditationsversammlung und bewarb diese auch in der Telegramgruppe. Schubarts extrem rechte Einstellung sowie ihren extrem rechten Telegram Kanal „Leben in Freiheit“ haben wir in einem ausführlichen Artikel vorm 02.05. analysiert.

Ein weitere von Beginn an aktive Person in der Telegramgruppe war Stefan V. (Lappersdorf, Lkr. Regensburg). Er sieht sich als ganzheitlicher Lebensberater und bietet “Psycho emotionale Stabilisierung”, “Rituale & Zeremonien” und “Räucherung – Reinigung” an. Er war bei der Meditation Teilnehmer.

Personen aus der (organisierten) extrem Rechten

Auch aus dem Spektrum der organisierten extremen Rechten waren Personen von Anfang an beteiligt. Sophie Ferstl aus Neutraubling betrieb seit Jahren den anonymen Twitteraccount „CantaTeDominum“. Dort teilte sie Posts und Artikel von extrem rechten Medien, Organisationen und Personen (u. a. Identitäre Bewegung). Nach einem ausführlichen Artikel von uns zu ihrem rassistischen Weltbild, löschte sie den Twitteraccount „CantaTeDominum“. Unter diesem Namen war sie auch in der Telegramgruppe aktiv und nahm am 02. Mai bei der unangemeldeten Demonstration teil.

In den Demonstrationszug hatte sich auch das Ehepaar Jürgen und Ulrike Spielhofen (Weiden) eingereiht. Beide sind Vorstandsmitglieder des AfD-KV Weiden i. d. Opf. und nahmen bereits an Veranstaltungen des faschistischen „Flügel“ teil.

Am 09.05. war dann der Regensburger AfD-Stadtratskandidat Peter „Porno” Heinz bei der Kundgebung, in deren Nachgang er Bilder auf Facebook stellte und ein Lob an Ken Jebsen aussprach.

Auch Gerhard Heitzer (Mintraching,Lkr. Regensburg), ehemaliger Kreistagskandidat der AfD, hält sich im Umfeld der Corona-Rebellen auf. Verschwörungsmythen verbreitete Heitzer schon vor der Corona-Krise: Er teilte beispielsweise einen Post, in dem das antisemitischen Attentat von Halle als Komplott dargestellt wird („Der Anschlag von Halle stinkt zum Himmel!“) und ergriff er Partei Xavier Naidoo. Besonders ins Auge fallen die offen antisemitische Postings auf Heitzers Facebook-Profil, auf dem unter anderem gefragt wird: „Welcher Jude hat sich je offen gegen die Pläne zur Vernichtung der Deutschen gestellt?“ und bezieht sich auf die in der extremen Rechten gängige geschichtsrevisionistische Behauptung, eine jüdische Weltelite hätte sich gegen die Deutschen verschworen.

Weitere AfD-Vertreter (u. a. Christian Paulwitz (Nittendorf) hielten sich wiederholt interessiert im Umfeld der verschiedenen Kundgebungen auf, scheinen aber diesbezüglich keine klare Linie zu finden. Teile der Regensburger AfD sympathisieren inhaltlich jedoch klar mit den Protesten.

2. Meditationen am Dani-Karavan-Kunstwerk

Eine weitere Aktionsform des Milieus waren als Kundgebungen angemeldete “Meditationen”. Drei Mal, am 02., 09. und 17.05., fanden diese am Dani-Karavan Denkmal am Neupfarrplatz statt. Zu den Versammlungen kamen jeweils zwischen 40 und 60 Personen. Als Ort der Meditationskundgebungen wählte Schubart, die der antisemitischen Verschwörungsideologie QAnon anhängt, das Dani-Karavan-Kunstwerk am Neupfarrplatz. Das Denkmal erinnert an die antijüdische Pogrome die Zerstörung der Synagoge im Mittelalter.

Nach dem Vorbild der Berliner „Ignorance Meditation“ des rechten Querfrontideologen Ken Jebsen wollte die Organisatorin und Anmelderin Clarissa Schubart „100% friedlich“ gegen die Corona-Maßnahmen meditieren. Anwaltliche Hilfe bekam sie von Otmar Spirk (Pentling), der bei einer Meditation ein T-Shirt mit der Aufschrift „Ich bin Verschwörungstheoretiker“ trug.

Auch Schubart sieht in der Corona-Pandamie eine Verschwörung und verglich in der Rede am 09. Mai die Verbrechen des Nationalsozialismus mit der Bekämpfung und den staatlichen Maßnahmen gegen das Virus:

“Durch von einer kleinen Minderheit angezettelte Kriege, Vertreibungen, Folter und Machtmissbrauch wurden uns Menschen systematisch Traumatisierungen zugefügt, die auch noch heute in Deutschland transgenerational von den Weltkriegen in uns wirken und uns in unserer Lebenskraft blockieren. Auch durch die Maßnahmen der letzten Wochen sind Menschen weltweit traumatisiert und geschädigt worden […]. Ich frage mich, was der ganze Plan hinter der Corona Kulisse ist. […] Seht ihr auch, wie ich, die Parallelen zu einer ganz bestimmten Zeit in unserer Geschichte? Unsere Eltern, unsere Großeltern mussten sich fragen lassen, wie sie damals blind in die Diktatur geraten sind und all das Unrecht und das Grauen haben zulassen können. Viele sagen und sagten, sie hätten von nichts gewusst. Ich kann schon einige Wochen nicht mehr sagen, ich wüsste von nichts. Deshalb bin ich heute hier.“

Seit dem 17.05. fand – nicht zuletzt aufgrund zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Intervention – keine Meditation mehr statt.

Teilnehmer_innen der Meditationen

Bei der Meditation am 17.05. hielt Lucy Frank (Regensburg), Yogalehrerin und Dozentin am Music College Regensburg, eine Rede, in der sie in esoterisch-religiöser Weise das Corona-Virus leugnete:

„Ich bete, dass alle Masken fallen, denn es gibt nichts, vor was wir uns schützen müssen, außer vor Angst, Angstmacherei, Unwissenheit und Unbewusstheit.“

Unterstützung erhielt die Organisatorin auch von Anita Krieger (Regenstauf, Lkr. Regensburg), die bereits zu Zeiten der „Montagsmahnwachen“ 2014 in Regensburg als Querfront Aktivistin aufgefallen war. In den Folgejahren war Krieger, die im Kontext vermeintlichen Tierschutzes immer wieder mit menschenverachtenden Aussagen aufgefallen war, Organisatorin des Vegan- und Tierschutzfestes „Veganmania“ in Regensburg, zu der sie Musiker aus dem Verschwörungs-Milieu wie Kilez More und Morgaine geladen hatte. Mehr zu Anita Krieger hier.

Auch weitere Personen, die an den Meditationen teilnahmen, verbreiten rechte Inhalte und Verschwörungsideologien im Internet, beispielsweise der Stuntman und Esoteriker (healing-touch.eu/) Markus P. (Mintraching, Lkr. Regensburg).

Ein weiterer Selbstständiger, der mehrfach an der Meditation teilnahm, ist Alexander K. (Regensburg). Er bittet auf der Seite raum-lebensliebe.de “offene Männertreff” und “ Transformative Männergruppe” an bei dennen es heißt: “Entdecke Deine MÄNNLICHKEIT neu!”

3. Repräsentationsfigur „Froschkönig“

Nach erfolgreicher antifaschistischer Intervention begannen Graßl und Preljevic, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Auch die Telegramgruppe “Corona Regensburg” wurde nicht mehr als Plattform für die Organisation der Versammlungen benutzt und die Organisator_innen zogen sich in private Telegramgruppen zurück. Für die kommenden zwei Wochen übernahm dann Holger Gerstl-Dos Santos (Regensburg) eine tragende Rolle. Hintergründe und Belege zu Gerstl-Dos Santos extrem rechter politischer Einstellung und Facebookpost finden sich hier.

Bereits am 19. April trat Gerstl-Dos Santos – verkleidet als weiblicher Weihnachtsmann – auf den Domplatz und lud seine Rede ohne Publikum, bei der er sich gegen die Coronamaßnahmen der Regierung aussprach, auf Facebook. Ber der unangemeldet Versammlung von Graßl am 02. Mai trat er, verkleidet als „Froschkönig“, als Redner auf.

Gerstl-Dos Santos fungierte in den folgenden zwei Wochen, am 09.05. und am 16.05., als Anmelder zweier Kundgebungen unter dem irreführenden Namen „Solidarität mit den Corona-Opfern“, bei der 300 – 400 Personen teilnahmen (und 50 erlaubt waren). Bei der heterogenen Ansammlung waren auch Neonazis und ReichsbürgerInnen anwesend.

Spaltung der CoronaRebellen

Aufgrund seiner narzisstischen Auftritte als „Froschkönig“, dem Titel der Versammlung und dem Flyer gab es jedoch intern harte Kritik an Gerstl-Dos Santos. Nach der Kundgebung am 16. Mai kam es zum Bruch zwischen ihm un den anderen „Corona Rebellen“ und der “Froschkönig” organisierte fernab der Hauptgruppe drei eigene Versammlungen.

Auf der Tanz-Kundgebung am 20. Mai am Schwanenplatz, mit der er 15-20 Personen aus dem Rave- und Goa-Milieu ansprach, wurde zur Musik des DJs Malte L. (Tatonkaa) getanzt. Nach zweiwöchiger Pause mobiliserte Gerstl-Dos Santos am 06. Juni als “Olga die Putzfrau” auf den Dultplatz, konnte jedoch nur noch ca. 30 Personen mobilisieren. Am Samstag darauf war nur noch eine Handvoll Menschen mit Gerstl-Dos Santos am Dultplatz. Am Sontag, den 28. Juni lud er dann als Organisation “Upstand2020” zu einer Versammlung am bay. Museum, zu der 15 Personen kamen. Gerstl-Dos Santos ist aktuell bei der regionalen Telegramgruppe des Widerstandes2020 aktiv.

Seit 23. Mai formierte sich die Hauptstruktur der „Corona Rebellen“ als Organisation  “DenkMal” um Andreas Sünder und Christian Jecht, auf die wir in Teil II näher eingehen werden.

Quellen

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