
Vor gut einem halben Jahr fand die Bundestagswahl statt. Zwei AfD-Kandidierende mit Regensburg-Bezug haben Mandate in Berlin erlangt: Carina Schießl für den Wahlkreis Regensburg-Land und der Regensburger Stadtrat Erhard Brucker, der im Wahlkreis Passau kandidierte. Auch der lokale Kreisverband feierte, dass Regensburg künftig neben Dieter Arnold im Landtag auch im Bundestag präsent sein würde. Was ist seither passiert? Ein Update.
Räume für extrem rechte Politik
Schießl und Brucker stehen als Bundestagsabgeordnete u. a. finanzielle Mittel für Wahlkreisbüros zur Verfügung – ein massiver Beitrag zum Strukturaufbau einer extremen Rechten, die von einem autoritären Umbau träumt.
So gibt es seit kurzem ein offizielles AfD-Wahlkreisbüro in Regensburg – allerdings nicht von Schießl oder Brucker. Dieter Arnold, Vorsitzender des Regensburger Kreisverbands und Landtagsabgeordneter, ließ auf dem Gelände seiner Sicherheitsfirma in Regenstauf tatsächlich einen zusätzlichen Gebäudeteil errichten. Der Containerbau beherbergt nicht nur sein Büro, sondern fungiert auch als Location für Stammtische, Public Viewings und AfD-Feste mit mehreren Hundert Teilnehmenden.

Erhard Brucker hingegen hat bislang kein Wahlkreisbüro eröffnet. Er dürfte vor allem damit beschäftigt gewesen sein, das eigene Leben neu zu ordnen: Sein Tauchsportgeschäft in der Prüfeninger Straße hat vor wenigen Wochen geschlossen. Seinen Wohnsitz im Regensburger Norden plant er ebenfalls aufzugeben, um endgültig nach Passau zu ziehen. Das Mandat im Regensburger Stadtrat will Brucker noch ausüben, zur Kommunalwahl im Frühjahr 2026 aber nicht mehr antreten. (Zu Brucker siehe auch
Geheimplan für Deutschland – ein Trauerspiel und
BTW25: AfD Passau entsendet extrem rechten, alkohol- & gewaltaffinen Burschenschafter nach Berlin)
Carina Schießl hat bislang ebenfalls kein offizielles Wahlkreisbüro. Trotzdem bemüht sie sich, in der Region präsent zu sein. Mehrfach organisierte sie bereits eigene Stammtische im Papillon in Lappersdorf oder nahm als Abgeordnete an offiziellen Veranstaltungen in der Oberpfalz teil. Der Großteil ihrer Arbeit scheint jedoch in Berlin und auf Social Media stattzufinden.



Extrem rechte Mitarbeitende im Bundestag
Was hingegen alle drei AfD-Mandatsträger:innen haben: Personal. Seit Jahren ist es gängige Praxis, extrem rechte Aktivist:innen der Identitären Bewegung, der Jungen Altnerative oder anderer extrem rechter Verbände, die teils sogar auf der offiziellen Unvereinbarkeitsliste der AfD stehen, als Personal anzustellen und damit Netzwerke aufzubauen und zu stärken.
Erhard Brucker kündigte bereits bei seiner Kandidatur an, im Falle eines erfolgreichen Einzugs in den Bundestag seinen langjährigen Weggefährten und extrem rechten Aktivisten Michael Stürzenberger einzustellen. Und tatsächlich ist Stürzenberger nun offiziell Bruckers Mitarbeiter. Wie kürzlich bekannt wurde, wurde Stürzenberger aufgrund seiner extrem rechten Vorgeschichte der Mitarbeiterausweis für den Bundestag verwehrt. Stürzenberger ist seit Jahrzehnten vor allem in der muslimfeindlichen Szene unterwegs und tourt mit der „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) durch Deutschland. Brucker und Stürzenberger sind politische Weggefährten: Kein Jahr nach dem rechtsterroristischen Attentat von Anders Breivik in Oslo und Utøya nahmen beide an einer sogenannten „Counter-Jihad-Konferenz“ in Stockholm teil, gemeinsam mit bekannten europäischen Rechtsterroristen. Erst im September hielt die BPE eine Kundgebung in Regensburg ab, allerdings ohne Stürzenberger. Dieser ist nämlich nach einem Messerangriff vergangenes Jahr nach wie vor eingeschränkt und nicht arbeitsfähig.


Den Großteil der Arbeit für Brucker in Berlin dürfte deshalb seine Büroleitung Rebecca Seidler erledigen. Diese ist selbst AfD-Politikerin. Im Jahr 2021 wurde sie zur Vorsitzenden der neu gegründeten niedersächsischen Parteijugend gewählt. Die Junge Alternative (JA) Niedersachsen war im November 2018 nach Beschluss des Bundeskongresses der JA aufgelöst wurden. Als Begründung wurden Verstöße gegen die Bundessatzung, die Ordnung der Organisation sowie die freiheitlich-demokratische Grundordnung angegeben. Im April 2021 gründete sich JA Niedersachsen erneut. Zur Vorsitzenden wurde Rebecca Seidler aus dem Björn-Höcke-Dunstkreis gewählt. Seidler war zuvor schon Beisitzerin im Landesvorstand der AfD Niedersachsen.
Seit 2022 ist sie im Social-Media-Bereich für die AfD-Bundestagsfraktion tätig. Gegen Seidler wurde zuletzt wegen Volksverhetzung ermittelt, nachdem ein Video mit rassistischen Gesängen publik geworden war. Seidler ist ein Paradebeispiel für die Verschränkung von AfD-Mandatsträger:innen und extrem rechtem Aktivismus.


Auch Schießl hat mittlerweile zwei Mitarbeiter:innen im Bundestag eingestellt. Ihr Büroleiter ist der Augsburger Felix Thiessen. Ende seit 2017 war er ebenfalls in Strukturen der JA aktiv, namtlich als Vorstandsmitglied der JA Bayern. Als weitere Mitarbeiterin hat Schießl Jennifer Lorenz eingestellt. Lorenz war wie Schießl zuvor beruflich im medizinischen Bereich tätig und passt damit zu deren thematischer Schwerpunktsetzung.


Ebenfalls für Schießl arbeitet Felix Thiessen. Er gehörte dem bayerische Landesvorstand der JA seit November 2017 als stellvertretender Vorsitzender an. (Beisitzer im JA Landesvorstand war damals übrigens Jakob Kerler aus Regensburg.) Thiessen gibt an, bereits seit Oktober 2017 als Büroleiter im Deutschen Bundestag gearbeitet zu haben – vermutlich bereits damals für eine:n AfD Abgeordnete:n. Im Januar 2019 war Thiessen Teil der JA-Bayern Delegation beim Bundeskongress der Jungen Alternative in Magdeburg. In der delegierten Reisegruppe aus Bayern fanden sich neben Thiessen auserdem Luis Hill aus Regensburg (JA Ostbayern) und Alexander Salomon aus Passau (ehem, NPD und JA Brandenburg). Zu diesem Zeitpunkt wurde die JA Bayern neu als Beobachtungsobjekt des Landesamtes für Verfassungsschutz geführt. Dem vorausgegangen war eine Aktion der Jungen Alternative Bayern: Mit einem „Sponsored Post” auf Facebook bewarb sie die Webseite Merkelstote.de, die Bundeskanzlerin Merkel die Schuld an Gewalt und Terroranschlägen in Deutschland und Europa gab. Um auf die Webseite aufmerksam zu machen, startete die JA eine Aktion vor der CSU-Zentrale in München, welche im Oktober 2018 bei mehreren JA-Mitgliedern zu Hausdurchsuchungen wegen Sachbeschädigung führte. Im Zusammenhang mit dieser Aktion wurden die Wohnungen mehrerer Beschuldigter durchsucht – unter anderem die von Felix Thiessen.


Schon wieder Streit im Kreisverband
Erfreulich ist zumindest, dass es innerhalb des Regensburger AfD-Kreisverbands wieder einmal Streit gibt. Nachdem der letzte Machtkampf zwischen Arnold und Brucker dazu geführt hatte, dass Brucker den Regensburger KV verließ und sich mit Ralf Stadler, MdL einen neuen Verbündeten in Passau suchte, gab es bereits kurz nach der Wahl den nächsten Krach, diesmal zwischen Arnold und Schießl.
Im Wahlkampf noch hatte Arnold die junge Kandidatin in höchsten Tönen gepriesen. Schon damals wirkte das seltsam, denn Schießl war erst seit kurzer Zeit im Kreisverband aktiv. Nachdem Schießl dann tatsächlich in den Bundestag einzog, kühlte das Verhältnis zwischen den beiden deutlich ab. Obwohl Arnold diese nach seinem Einzug in den Bayerischen Landtag noch als Mitarbeiterin in seinem Büro bschäftigt hatte, scheint Schießls Karrieresprung das Verhältnis der beiden nicht überlebt zu haben. Es gab kaum noch gemeinsame Auftritte, es wurde nicht mehr öffentlich übereinander und scheinbar auch kaum mehr miteinander gesprochen.
Schützenhife im Kommunalwahlkampf erwartet
Der Krach um Schießl dürfte für Arnold zwar lästig sein, den Einfluss der Regensburger AfDler mindert er aber nicht. Schon seit dem Wahlkampf tönt Arnold, der Regensburger Kreisverband sei der Mitgliederstärktste Bayerns. Kürzlich öffentlich gewordene Mitgliedszahlen der AfD lassen dies tatsächlich realistisch erscheinen.
Vor kurzem hat der Regensburger Kreisverband seine Liste für die Kommunalwahl im März 2026 aufgestellt. Spätestens im Wahlkampf düften die Kandidierenden mit allerlei Schützenhilfe ihrer lokalen Mandatsträger:innen aus Berlin und München rechnen. Aktuell hat die AfD mehr Mitglieder, Räume, Geld und Mitarbeitende zur Verfügung als jemals zuvor. Denn der extrem rechte Strukturaufbau schreitet voran.
