Zwischen „Namen tanzen“ und der Wiederherstellung des Großdeutschen Reiches: das Netzwerk „Studenten stehen auf“ in Regensburg

Die Mittelbayerische Zeitung berichtete die letzten Wochen mehrmals über Studenten:innen die sich „kritisch“ zu den Corona-Maßnahmen an der Universität und der Hochschule positioniert haben. Parallel wurden am Campusgelände auch immer wieder verschwörungsideologische Poster und Sticker verklebt. Beides geht auf die Struktur „Studenten stehen auf – Regensburg“ zurück.

Das Netzwerk „Studenten stehen auf“

„Studenten stehen auf“ (StAuf) ist eine bundesweite Struktur im Netzwerk der verschwörungsideologischen Bewegung, das sich seit dem Beginn der Corona-Pandemie formiert hat. Neben bekannten großen Zusammenschlüssen wie „Querdenken“ oder „dieBasis“ hat sich in diesem Milieu die Namensgebung entlang von Statusgruppen etabliert: „Eltern Stehen Auf“, „Polizisten Stehen Auf“, „Ärzte stehen Auf“, „Schüler stehen auf“ etc. pp.

Die Vernetzung und Organisation läuft auch bei „Studenten Stehen Auf“ großteils über Telegram. Mehr als 60 lokale Gruppen soll es laut Eigenaussage mittlerweile im deutschsprachigen Raum geben. Aufgrund von internen Zerwürfnissen gibt es in Regensburg zwei entsprechende Gruppen.

Ihre Verankerung in der verschwörungsideologischen Szene wird bereits in den Gruppenbeschreibungen deutlich: Im Kurztext fordern sie „einen Weg in die Normalität ohne Impf- und Maskenpflicht“. Eine längere Vorstellungsnachricht spielt auf die Widerstandsgruppe Weiße Rose an: „Seid aktiv, geht zu Demos, trefft euch da und erkennt euch an der weißen Rose.“ – eine klare Verharmlosung des Nationalsozialismus.

Projekt: Nachwuchs für die Verschwörungsszene

In Regensburg bemühten sich die Hauptakteur:innen der regionalen Szene schon im Sommer 2020 um eine Vernetzung von jüngeren Personen. Mit der Telegramgruppe RGB 18-30 fokussierte man einen „unspezifischen Austausch und dem Planen gemeinsamer Treffen aller Art für Schüler, Studenten, Auszubildenden im Alter von ca. 18-30 Jahren“. Die Teilnahmezahl beim gemeinsamen Treffen am Abend des 28. September 2020 in einer Regensburger Kneipe war jedoch überschaubar.

Viele Personen stammten aus direktem Umfeld der Gruppe „denk.Mal“, darunter Carsten Bulicke, Sarah Dobler und Samuel Spachtholz. Letzterer veröffentlichte einige Tage nach diesem Treffen auf der Internetseite „mitdenken-blog.de“ von Dr. Katrin Gierhake einen Artikel. Für Denk.Mal versuchte er sich zudem an einer „wissenschaftlichen“ Betrachtung, ob die BRD eine „Coronadiktatur“ ist. Zudem ist Spachtholz in einigen Telegramgruppen – in denen antisemitischer und extrem rechter Content gepostet wird – Admin.

Bei dem Treffen im September war auch Martin Gerloff anwesend. Auch er war in dieser Zeit im Umfeld von Denk.Mal präsent. Überregional wurde Gerloff bekannt, da er eine Polizeikontrolle filmte und ins Netz stellte. Diverse Journalist:innen, darunter Christian Eckl von der Mittelbayerischen Zeitung, interviewten ihn daraufhin und boten ihm ein Podium. Mittlerweile ist Gerloff Ortsvorsitzender der Partei „dieBasis“ im Landkreis Neumarkt.

Sowohl Spachtholz als auch Bulicke sind in Regensburg noch immer als wichtige Akteure zu sehen und haben sich, nachdem das Projekt „RGB 18-30“ relativ schnell beendet worden ist, unter dem Label „Studenten stehen auf Regensburg“ im November 2020 zusammengefunden. Vor allem Bulicke ist hier Führungsfigur.

Extrem rechte Person ganz vorne mit dabei

Mit Bulicke war bereits von Beginn an eine extrem rechte Person bei der Gruppe „Studenten stehen auf Regensburg“ aktiv. Durch ihn ist die Gruppe auch bestens in das Netzwerk verschiedener verschwörungsideologischer Gruppen in Regensburg eingebunden.

Bulicke selbst ist seit über 1 1/2 Jahren aktiv, zuerst als Mitglied der Gruppe „denkMal.“, die im Frühjahr/Sommer 2020 Kundgebungen mit mehreren Hundert Teilnehmenden am Regensburger Dom veranstaltete. In diversen Telegram-Gruppen verbreitete Bulicke zu dieser Zeit Inhalte, die der sogenannten Reichsbürger-Szene zuzuordnen sind. Nach und nach entwickelte sich auch „denk.Mal“¹ in Richtung Reichsbürger, in einem öffentlichen Statement heißt es:

  • Grundgesetze stärken, Neuwahlen sind ganz nett, was wir jedoch wollen ist ein absoluter Neubeginn. Wir fordern folgendes:
  • Friedensvertrag (hat Merkel bereits öfter angeboten bekommen, aber immer abgelehnt)Mit dem Friedensvertrag erhalten wir eine gültige Verfassung
  • damit erhalten wir die hoch geschätzte Souveränität
  • Das Politsystem hat ausgedient und kann verabschiedet werden

Neben seiner organisatorischen Mitwirkung trat Bulicke bei „denk.Mal“ zur musikalischen Untermalung mit seinem Dudelsack auf. Bei der Nachfolgeorganisation „Querdenken941“, mischte er ebenfalls mit und stand beim großen „Querdenken“-Fest im November 2020 mit auf der Bühne – immer im Kilt und mit seinem Dudelsack, was in der Szene teilweise spöttisch betrachtet wird und viele sich über sein musikalisches Können lustig machen.

Nachdem der regionale Querdenken-Ableger Anfang 2021 mit seinen zwei Führungsfiguren Annette Greisinger und Holger Bürner klammheimlich das Handtuch warf, wurde es auch um Bulicke stiller. Im Frühjahr 2021 trat er dann wieder mit seinem Dudelsack bei der Kundgebung vom Basis-Vorstand Jörg Brunschweiger bei dessen Kundgebung auf.

Auf Telegram äußerte sich Bulicke unter dem Pseudonym Detleff Maier regelmäßig zur angeblich fehlenden Souveränität Deutschlands und über seine Affinität für ein deutsches Reich. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass Bulicke sich mittlerweile in der extrem rechten Organisation „Vaterländischer Hilfsdienst (VHD)“ organisiert. Diese stammt aus dem militanten Reichsbürger-Spektrum und will mit Hilfe von Armeekorpsbezirken die „Reorganisation des Vaterlandes“ starten und ein neues „Großdeutsches Reich“ aufbauen. Für die Organisation sucht Bulicke „für ein geschlossenes patriotisches Gruppentreffen“ Räumlichkeiten.

Überprüfungen der Staatsangehörigkeit – völkischer Nationalismus in Reinform

Auch bei den „Studenten stehen auf“ ist Bulickes extrem rechter Einfluss sichtbar. Als Admin der Telegramgruppe schrieb er (unwidersprochen):

In enger Zusammenarbeit zwischen StudentenStehenAuf®️ – Regensburg und dem Vaterländischen Hilfsdienst sind ab heute Überprüfungen der Staatsangehörigkeit sowie die physische Meldung zum VHD direkt in der Region Regensburg möglich.
27. September 2021
Regionalleitung Regensburg,
III.B AKB

Der VHD bezieht sich hierbei auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913. Die Mitglieder vom VHD müssen anhand ihrer Ahnen-/Abstammungsunterlagen vorweisen, dass sie „deutschen Blutes“ sind. Dabei gibt fast ausschließlich der Mann das „Blutrecht“ des Deutschen weiter. Auf der Seite vom VHD heißt es zudem: „§ 17 Die Staatsangehörigkeit geht verloren […] für eine Deutsche durch Eheschließung mit dem Angehörigen eines anderen Bundesstaats oder mit einem Ausländer.“

Junge Alternative mischt mit

Auch weitere Personen aus der organisierten extremen Rechten sind im Telegramkanal der „Studenten Stehen Auf Regensburg“. So etwa Jonathan Hahn aus Oberbayern, der im bayerischen Landesvorstand der Jungen Alternative (JA) ist. Für diese warb er auch im Chat offen, was wiederum nicht problematisiert wurde.

Ein weiteres Mitglied der extrem rechten Partei und ihrer Jugendorganisation ist Nico Haller, der 2017 im Vorstand der JA Ostbayern war. Anders als Hahn ist Haller tatsächlich Master-Student an der Uni Regensburg und eines der aktiveren Mitglieder im „Studenten stehen auf“-Chat rund um Bulicke.

„Studenten stehen auf“ gegen „Studenten stehen auf“ oder: Wer ist hier der „Knecht der Finsternis?

Bulicke selbst ist in der Szene umstritten. Dies liegt nicht an seiner politischen Ausrichtung, sondern vielmehr daran, dass sich viele an seiner autoritären Art stören. Zudem wird ihm Narzissmus und Persönlichkeitsstörung vorgeworfen. Aus diesem Grund spaltete sich der regionale Chat im Juli 2021 in zwei Telegramgruppen. Seit dem herrscht eine persönliche Aversion zwischen einzelnen Mitgliedern. Dies geht soweit, dass sich gegenseitig vorgeworfen wird, ein „Knecht der Finsternis“ oder „Betrüger“ zu sein. Kritik an der extrem rechten Einstellung von Bulicke wird dabei aber nie geäußert und spielt in dem Konflikt wohl auch keine Rolle.

Im Netzwerk von StAuf scheint dieser private Kleinkrieg für die meisten aber nicht besonders interessant zu sein. Vielmehr gibt es in beiden Chats sehr viele Überschneidungen, viele wissen nicht einmal, warum es überhaupt zwei Chats gibt.

Zwei Telegramgruppen – aber gleicher Inhalt

Beide Telegramgruppen hatten in den letzten Monaten vermehrt Zuspruch. Die Selbstdarstellung des Netzwerks ist dabei sehr allgemein gehalten und um einen friedfertigen Ton bemüht. Den „politischen und gesellschaftlichen Umgang mit der Pandemie“ würden sie „kritisch hinterfragen“. Diese „kritischen Debatten“ setzen sie einer angeblich gefährdeten Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit entgegen – ein im Verschwörungsmilieu gerne bedientes Narrativ.

De facto sind aber beide Gruppen identisch mit anderen Chats der Szene. Bei Bulickes StAuf-Gruppe werden vor allem Fake News, Verschwörungsinhalte, Content von Qanon und anderen extrem rechten Portalen wie der Holocausleugnerseite „GeheimeswissenderEliten“ oder des Neonazis Attila Hildmann geteilt. Zu den Inhalten gibt es von den Teilnehmer:innen keinen Widerspruch oder gar Diskussion darüber.

Bei der neueren Gruppe dürfen die Mitglieder keine Links aus anderen Gruppen setzen. Hier wird sich mehr ausgetauscht. Im Kern wird aber auch hier die Gefährlichkeit des Coronavirus geleugnet, Verschwörungsideologien verbreitet und die aktuelle Lage mit dem Nationalsozialismus verglichen. In einer Tag-X-Manier wird auch über einen Treffpunkt (sehr originell: bei der Kugel am Campus) im „Krisenfall“ fabuliert. Auch Gewaltfantasien werden geäußert, ein User schreibt:

„Spuck doch dem Test-Personal an der OTH-Teststation ins Gesicht. Das macht auch Freude […]“.

Dies natürlich auch hier alles widerspruchslos.

Darüber hinaus wird sich viel darüber unterhalten, wo man sich am besten testen lassen kann. Unverblümt wird sich aber auch darüber ausgetauscht, wie und wo man solche Zertifikate ohne Testung erschleichen kann. Eine Studentin aus dem 6. Semester der Sozialen Arbeit berichtet darüber hinaus stolz:

„Also ich wurde heute an der oth mit meinem gefälschten Test Zettel kontrolliert und es gab keine Probleme […]“.

Parallel zum Austausch auf Telegram finden mehrmals im Quartal Studierende aus der Gruppe zu „Spaziergängen“ und „Kennenlerntreffen“ am Campus zusammen. Teilweise organisierten diese Treffen Akteur:innen, die in beiden Gruppen organisiert sind.

Der ursprüngliche Plan der Nachwuchsrekrutierung für die verschwörungsideologische Szene ging dabei offenbar auf. Mitglieder aus dem Netzwerk schlossen sich mehrfach den montags in der Altstadt stattfindenden „Spaziergängen“ mit anschließendem Kreidemalen am Neupfarrplatz an. Diana Braukmüller aus Hannover, die mit Bulicke eine intime Beziehung pflegt, malte dabei im Sommer das Logo von Studenten stehen auf großflächig vor das Dani-Karavan Denkmal.

Bei den als „Spaziergängen“ titulierten unangemeldeten Versammlungen kommen seit vielen Monaten wöchentlich Verschwörungsideolog:innen verschiedenster Couleur wie Jörg Brunschweiger (dieBasis), Stefan Schiller (Admin der extrem rechten TG-Gruppe „Oberpfalz steht auf“) oder Otmar Spirk (RA und „Blogger“) zusammen.

Gruppe „OTH Widerstand“

Auffallend häufig sind im Netzwerk StAuf Studentinnen aus dem Bereich Soziale Arbeit vertreten. Beispielsweise Maria Bisaha, die der MZ ein Interview gab und dort die Corona-Maßnahmen an der OTH kritisierte. Bisaha war zu dem Zeitpunkt des Interviews in der StAuf-Telegramgruppe von Bulicke. Die Impfverweigerin verbreitet darüber hinaus aber auch selbst Inhalte aus der extremen Rechten. Auf Instagram verlinkt sie ein YouTube Video von Daniele Ganser, Ken Jebsen und dem bayrischen AfD-Politiker Rainer Rothfuss – alles drei Personen, die seit vielen Jahren (antisemitische) Verschwörungsinhalte verbreiten.

Am 25. November fanden sich ein Dutzend Personen mit selbstgemalten Schildern rund um die Brücke der OTH ein. Die Gruppe nennt sich intern „OTH Widerstand“ auf, rekrutiert sich aber tatsächlich aus den zwei Telegramgruppen der „Studenten stehen auf Regensburg“. Die 2G-Regeln bezeichneten sie als diskriminierend, die Kritik an rechten und verschwörungsideologischen Positionen sei nur dazu da, ihre Aussagen zu „entwerten“, Impfen sei Privatsache, weil es nur dem Eigenschutz, nicht dem Schutz anderer diene. Auf einem Plakat war zudem zu lesen „Die Impfung ist der erste Schritt im Sozialkreditsystem nach chinesischem Vorbild“, Hammer und Sichel wurden dabei als Hammer und Spritze dargestellt.

Zwei Studentinnen der Sozialen Arbeit – die als Art Pressesprecher:innen fungieren – berichten hingegen der Mittelbayerischen Zeitung, dass sie nicht zu den „Schwurblern“ gehören. Im Anbetracht der Tatsachen, dass beide auch in den regionalen StAuf-Chats sind, der Inhalte auf den Schildern und das Carsten Bulicke bei der (unangemeldeten) Versammlung auch auf der OTH-Brücke dabei ist, macht das ganze mehr als unglaubwürdig.