III. „Lebensschutz“-Vereinigungen mit Strahlkraft nach Regensburg
Regelmäßig bewirbt das Bistum Regensburg auf seiner Website den vom „Bundesverband Lebensrecht“ organisierten „Marsch für das Leben“. Für Mai diesen Jahres kündigt die Website des Bistums außerdem ein „ProLife“-Event an, zu welchem sich die Crème de la Crème der „Lebensschutz“-Bewegung in Schwäbisch Gmünd sammelt: Der Kongress „Leben.Würde“ im Haus Schönblick (9. bis 11. Mai 2025). Auch dieser „Lebensschutz“-Kongress wird vom „Bundesverband Lebensrecht“ ausgerichtet. Zu den darin aktiven Organisationen, die auch als Partner auf der Kongresswebsite aufgeführt werden, gehören u.a. „Aktion Leben“, ALfA, „Ärzte für das Leben“, „ProLife Europe“, „Stiftung Ja zum Leben“ sowie die Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA. Die Schirmherrschaft haben der, ebenfalls der „Lebensschutz“-Bewegung sehr nahestehende, Passauer Bischof Oster und die „Lebensschutz“-Influencerin Jana Highholder übernommen. Doch im Line-Up der ReferentInnen des Kongresses fällt vor allem eine Regensburger Personalie auf: Prof. Dr. Angela Köninger, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
1. Der „Bundesverband Lebensrecht“ und Prof. Angela Köninger, Leiterin der Gynäkologie im Krankenhaus St. Hedwig
Ziel des zweiten, vom „Bundesverband Lebensrecht“ ausgerichteten, „Leben.Würde“-Kongress ist es laut Eigenauskunft, der Vernetzung von LebensrechtlerInnen zu dienen und Wege aufzuzeigen, „um im Alltag das Leben zu schützen“. Den Auftaktimpuls gibt die „Lebensschützerin“ Alexandra Maria Linder vom „Bundesverband Lebensrecht“ (BVL) und in den Seminarangeboten können die BesucherInnen zwischen 20 Einzelthemen wählen. Im Plenum referieren Prof. Dr. Jörg Benedict zur „Menschenwürde in Zeiten des Krieges“ und Weihbischof Thomas Maria Renz assistiert theologisch; „Noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt“ (Jer 1,5) – Über die biblischen Grundlagen einer christlichen Lebensschutzethik. Prof. Dr. med. Paul Cullen (Vorsitzender „Ärzte für das Leben“) warnt: „Transhumanismus – Einen neuen Menschen wollen wir schaffen“ und Susanne Kummer zeigt auf: „Ethische Perspektiven am Lebensende – wie geht Europa damit um?“. Der abschließende Sonntagvormittag ist geprägt durch ein Plenum unter dem Motto „Lebensoasen schaffen“ mit Ulrike Eichenberg (Gründungsmitglied Lichtzeichen e.V.), Frank Heinrich von der Deutschen Evangelischen Allianz, Dr. Susanne Ley und Daniela Städter (IDEA) sowie Prof. Dr. Angela Köninger. Der Kongress solle dazu beitragen, mehr Menschen dazu zu ertüchtigen, im Alltag Lebensoasen zu schaffen“, verspricht das Bistum Regensburg.
Im Kongressprospekt werden unter den ReferentInnen weiterhin aufgeführt: Prof. Dr. Jörg Benedict, Professor am Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Privatrecht, Rostock; Lic. Theol. Thomas Maria Renz, Weihbischof in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Aufsichtsrat von Pro Femina e.V. (Schwangerschaftsberatung 1000plus). Die Kongressleitung übernehmen Elisa Ahrens (Geschäftsleitung STIFTUNG JA ZUM LEBEN), Dr. Raphael Bexten (Referent beim Bundesverband Lebensrecht e.V.), Alexandra Maria Linder M.A. (Vorsitzende Bundesverband Lebensrecht (BVL) e.V., Gründerin und Leiterin vitaL – Beratung für Schwangere), Hartmut Steeb (Ehemaliger Generalsekretär der Evangelischen Allianz in Deutschland, Mitbegründer des Bundesverbands Lebensrecht), Dr. Albrecht Voigt (Leitung – Wissenschaft und Bildung beim Bundesverband Lebensrecht e.V.), Susanne Wenzel (Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben e.V.) und Andreas Düren (Aktivist und Vorstand sundaysforlife) sowie Daniel Funk (Programmleiter auf dem Schönblick) und verschiedene AkteurInnen der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA.
Prof. Dr. med. Angela Köninger, Direktorin und Chefärztin der Klinik St. Hedwig, Regensburg und Vorsitzende der Ärztevereinigung St. Lukas hält dabei den, prominent an zweiter Stelle im Programmheft, beworbenen Vortrag: „Arbeiten im Gesundheitswesen – wie kann ich einer Pro-Life-Ethik treu bleiben?“

Angela Köninger (*1976 in Offenburg) ist Frauenärztin und Hochschullehrerin an der Universität Regensburg. Sie studierte und promovierte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg Humanmedizin und arbeitete von 2002 bis 2004 als Assistenzärztin in der Frauenklinik im Kantonsspital Nidwalden (Schweiz). Danach setzte sie ihre Assistenzärztinnenzeit in Essen fort, erst im Evangelischen Bethesda-Krankenhaus und ab 2006 im Universitätsklinikum. In der Frauenklinik des Universitätsklinikums Essen wurde sie 2011 Leitende Oberärztin für den Bereich Geburtshilfe und Pränatalmedizin und habilitierte drei Jahre später an der Universität Duisburg-Essen. Seit 2020 wirkt sie im Bereich der Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Geburtshilfe der Universität Regensburg, wo sie die Stelle als Chefärztin und Direktorin der Klinik und der Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe innehat.
Köninger ist Teil der sogenannten „Lebensrechtsbewegung“ und setzt sich durch ihre Auftritte als Rednerin und Expertin gegen die Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen ein. In ihrer Stellungnahme als Sachverständigezur öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zugunsten der Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB) im Bundestag, erklärt Köninger über sich selbst: „Zu meiner Person: Ich bin Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit 20 Jahren Berufserfahrung. Ich habe die Zusatzqualifikation Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin und beschäftige mich schwerpunktmäßig mit Risikogeburtshilfe und Pränatalmedizin. Nach 16 Jahren Tätigkeit im Ruhrgebiet, davon 14 Jahre in einem großen Universitätsklinikum, bin ich seit 2 Jahren Klinikdirektorin des größten Perinatalzentrums Ostbayerns mit über 3500 Geburten pro Jahr. Zudem besetze ich den Lehrstuhl für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Geburtshilfe der Universität Regensburg.“
Was Köninger bei der ExpertInnenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 18.5.2022 zur geplanten Abschaffung des §219a StGB nicht erwähnt: Seit dessen Gründung im Jahr 2009 ist sie Vorsitzende des „Lebensschutz“-Vereins „Ärztevereinigung St. Lukas“, der wiederum laut Angaben des „Lebensschutz“-Vereins KALEB e.V. seit dem Frühjahr 2022 Mitglied im „Bundesverband Lebensrecht“ (BVL) ist. Für den BVL war Köninger schon zuvor seit Jahren ganz öffentlich aktiv.
Ihr Engagement als Vorsitzende der „Ärztevereinigung St. Lukas“ hingegen, scheint ein seit über einem Jahrzehnt gut gehütetes Geheimnis. Neben der Erwähnung des Vereins im KALEB-Mitgliederrundbrief findet sich lediglich ein einer einzigen Stelle ein Verweis auf Köningers Verbindung zur „Ärztevereinigung St. Lukas“: Im Programmheft des „Lebensschutz“-Kongresses „Leben.Würde“ 2025. In der Ankündigung ihres Seminars „Arbeiten im Gesundheitswesen – wie kann ich einer Pro-Life-Ethik treu bleiben?“ wird Köninger als „Direktorin und Chefärztin der Klinik St. Hedwig, Regensburg; Ärztevereinigung St. Lukas“ vorgestellt.

Die Ärztevereinigung St. Lukas wurde 2009 als eine Initiative bzw. Unterorganisation des deutschen Distriktes der rechtsklerikalen Priesterbruderschaft St. Pius X. gegründet (Die verschiedenen geografischen Regionen der Piusbruderschaft sind in „Distrikte“ eingeteilt). Laut Vereinsregisterauszug ist Angela Köninger seitdem und bis heute Vorsitzende des Vereins.
Im „Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X für den deutschen Sprachraum“ wird 2009 unter „Neues aus dem Distrikt 20“ vom „Treffen der Ärztevereinigung St. Lukas“ berichtet. Beim zweiten Treffen der bis dahin informellen „Ärztevereinigung St. Lukas“ Oktober 2009 im deutschen Distriktsitz der Priesterbruderschaft St. Pius X. in Stuttgart kam ein gutes Dutzend Ärzte, Pflegefachkräfte und Medizinstudenten zusammen. Vor Ort beschlossen und eingeleitet wurde die Vereinsgründung der „Ärztevereinigung St. Lukas – Katholiken im Gesundheitswesen“, um den bisher informellen Treffen einen festen Rahmen zu geben. Die im Vereinsregister hinterlegte Satzung des Vereins trägt das Datum des Treffens (11.10.2009) und führt als 1. Vorsitzende Dr. Angela Köninger aus Essen, als Schriftführer Franz Schmidtberger aus Stuttgart und als Kassenwart Dr. Harald Keller aus Rheinstetten. (Nur wenige Monate zuvor, so wird im anschließenden Artikel des Mitteilungsblatts beschrieben, war der Bischof der Priesterbruderschaft St. Pius X, Richard Williamson, wegen Volksverhetzung verurteilt worden, nachdem er in einem TV-Interview in Zaitzkofen den Holocaust mittels eines „Auschwitz-Lüge“-Vorwurfs geleugnet hatte.)

Für die „Ärztevereinigung St. Lukas“ wurden außerdem drei Ziele konzipiert: (1) Vernetzung (katholischer Ärzte, Pflegekräfte und weiterer Berufsgruppen aus dem Gesundheitswesen), (2) Austausch beim jährlichen Treffen und (3) Beratung für katholisch orientierte Patienten und Studierende, die sowohl moraltheologische als auch medizinische Fragen haben.
Ziel der Vernetzung ist nach Angaben der Ärztevereinigung ein „Zusammenschluss von katholischen Ärztinnen und Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern, Medizinstudierenden und Apothekern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum (Deutschland, Schweiz, Österreich). […] Als Interessengemeinschaft mit dem verbindenden Element des katholischen Glaubens ist die Integration und Verwirklichung der Gebote Gottes in unserem beruflichen Alltag und in der umfassenden Betreuung unserer Patienten ein wesentliches Ziel.“
Das zweite formulierte Ziel sei es zudem, auf jährlichen Treffen sowie in persönlichem Kontakt ethisch-moralische Problemfelder zu analysieren, zu diskutieren und mit Theologen zu besprechen. Besonders Patienten und Studierende sollen den Verein zu ethisch-moralischen Fragen kontaktieren um in konkreten Fällen Hilfestellungen zu erhalten – z.B. zur Frage, wie die christlichen Wert- und Moralvorstellungen im beruflichen Leben im Alltag praktizieren werden können.
Im Kontext der angebotenen Beratung wolle man als „im medizinischen Bereich Tätige und Patienten [unterstützen], die ihr Lebenziel auf Gott ausrichten wollen und in seinen Geboten die Richtschnur für ein zufriedenes Leben suchen. In moralischen Fragen wie der Empfängnisregelung, der Familienplanung oder Konflikte in der Schwangerschaft wollen wir medizinisch kompetente Hilfe anbieten“, heißt es weiter auf der Website des Vereins.
Patron des Vereins sei der heilige Lukas, der als Evangelist, Arzt, Marienverehrer und Märtyrer dafür bekannt wurde, dass „er das Kindheitsevangelium Jesu aus dem Munde Mariens vernahm“ und deshalb zum geistlichen Vorbild der Ärztevereinigung gewählt wurde.
Die hinter dem Verein stehende Piusbruderschaft ist aus Überzeugung streng hierarchisch organisiert und lehnt die in der heutigen katholischen Kirche entstandene „Kollegialität“ ab, da „der modernistische Begriff der religiösen Kollegialität […] aus einem falschen Verständnis der Freiheit und der individuellen Rechte [stammt]. Er bedroht die klare hierarchische Struktur der Kirche, indem er darauf besteht, dass ein strikt demokratischer Prozess die Kirche beherrschen solle.“
Ebenso wie demokratische Prozesse, lehnt die Piusbruderschaft die Gleichberechtigung von Frauen ab und Homosexualität. Die streng konservativen Regeln des Zusammenlebens der Piusbruderschaft verbietet den Mitgliedern vorehelichen Geschlechtsverkehr, Selbstbefriedigung und Scheidung u.v.m. Ehemalige Mitglieder berichten von Ächtung und Ausschluss, wenn man die Regeln nicht befolgt.
Die Priester leben in Prioratsgemeinschaften zusammen, andere Mitglieder der Gemeinschaft besuchen Gottesdienste und integrieren besonders die Kinder der Gemeinschaften stark, indem dezidierte Piusbruderschaft-Schulen besucht werden. Zu den weiteren Initiativen der rechtsklerikalen Bruderschaft, in welchen sich das religiöse Leben der Mitglieder von der Außenwelt relativ abgeschottet entfaltet, zählen offiziell die „Katholische Jugendbewegung“ (KJB) in der sich junge Menschen für das „soziale Königtum Christi“ und kirchliche Anliegen einsetzten; der „Fond der barmherzigen Liebe“, eine gemeinnützige Stiftung in Weihungszell, die Projekte wie das Piusbruderschaftsinternat „St.-Theresien-Gymnasium“ unterstützt, die Marienverehrungsvereinigung „Militia Immaculatae“ (MI) und die 2009 gegründete „Ärztevereinigung St. Lukas“, die medizinische Themen nach katholischer Ethik erörtert.
Eines dieser medizinischen Themen, welches der Verein, dessen Vorsitz Angela Köninger seit gut sechzehn Jahren innehat, nach katholischer Ethik erläutert, ist im Jahr 2020 die „Impf-Frage“. Anlässlich der damals im Deutschen Bundesrat neu verabschiedeten „Masern-Impfpflicht“ führt die Ärztevereinigung auf ihrer Website aus: „In den letzten Jahren ist eine zunehmende Kritik am Impfen erwacht. Ein Hauptgrund ist die Sorge, dass Impfstoffe mit Hilfe von Zellkulturen abgestorbener Feten hergestellt werden. Insbesondere Eltern, die ihrer moralischen Pflicht des Impfens ihrer Kinder nachkommen wollen oder die nun durch das neue Gesetz zur Impfpflicht dazu angehalten sind, können in Konflikte kommen.“
Die Jahrestagung der „Ärztevereinigung St. Lukas e.V.“ im November 2022 fand im Exerzitienhaus Porta Caeli (lat. Himmelspforte) der Piusbruderschaft, im Schwarzwald statt und war den Themen „Transhumanismus“ und „Transidentität“ gewidmet. Unter Transhumanismus wurde hier das Bestreben gefasst, durch Technologie die Grenzen menschlicher Möglichkeiten zu erweitern, sei es physisch, intellektuell oder psychisch. „Der Transhumanismus ist pervers“ lautet das klare Urteil eines Referenten, denn der „Transhumanismus ist deshalb widernatürlich (pervers), weil er die Natur verneint und einen unversöhnlichen Gegensatz zu ihr bildet. Mit „Natur“ ist hier nicht die Umwelt gemeint […], sondern die Schöpfungsordnung, die vom Menschen unabhängig vorliegende Ordnung der Lebewesen und Dinge – eine Ordnung die der Mensch vorfindet und bejahen soll, aber leider auch verneinen kann.“
Die Piusbruderschaft St. Pius X und ihre Initiativen lehnen offenbar nicht nur das Selbstbestimmungsrecht der Frau, sondern das Konzept des freien Willens ganz allgemein ab, sowie gleichberechtigte Mitsprache- und Teilhaberechte im Sinne demokratischer Prozesse. Schwierig.
Drei Monate nach dem Jahrestreffen des Vereins, im Januar 2023, kündigte die „Schwäbische Zeitung“ an, dass Angela Köninger als Vorsitzende der Ärztevereinigung St. Lukas e.V. und Chefärztin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe St. Hedwig in Regensburg auf Einladung der Piusbruderschaft am 14. Januar im Dorfgemeinschaftshaus Göffingen über das Thema „Aktuelle Gesetzeslage zu bioethischen Fragen: Von Abtreibung bis Transgender“ referieren werde. Welche Haltungen sie dort in Bezug auf Verstöße gegen die gottgewollte Schöpfungsordnung durch Abtreibung und Transgender vertreten haben dürfte, lässt sich erahnen.
Besonders interessant in Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung „Ärztevereinigung St. Lukas“ und ihres Menschenbildes, dürfte die Personalie Franz Schmidberger sein. Schmidberger ist neben Angela Köninger Gründungs- und Vorstandsmitglied der Ärztevereinigung und als solcher langjähriger Vorstandskollege und Weggefährte Köningers.
Franz Schmidberger FSSPX (*1946) ist Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X. und war von 1982 bis 1994, nach dem Begründer der Piusbruderschaft Erzbischof Lefebvre, ihr zweiter Generaloberer (= der zweithöchste Rang in der Ordensgemeinschaft) und ab 1979 Oberer des Deutschen Distrikts. In seiner Eigenschaft als Distriktsoberer für Deutschland gründete Schmidberger 1977 die Katholische Jugendbewegung (KJB), bis heute die Jugendorganisation der Priesterbruderschaft St. Pius X. 1978 folgte im Auftrag Lefebvres die Gründung des Internationalen Priesterseminars Herz Jesu im Schloss Zaitzkofen durch Schmidtberger. Im Sommer 2020 trat Schmidberger in den Ruhestand ein. Im Kontext von Schmidbergers Rolle als Vorstandsmitglied in der „Ärztevereinigung St. Lukas“ und seiner Verbindung zur „Pro Life“-Lobbyistin Angela Köninger, sollte insbesondere dessen Stellung zur Gesellschaftsordnung aufhorchen lassen:
Schmidberger lehnt eine religiöse Neutralität des Staates ab und plädiert für eine „christliche Gesellschaftsordnung“, in welcher beispielsweise die Todesstrafe gälte, „keine zivile Ehescheidung“ vorgesehen sei, eine „Unauflöslichkeit der Ehe“ als „einer ihrer Grundpfeiler“ bestehe, „den vorehelichen und außerehelichen Beziehungen“ der Kampf angesagt und der „Vertrieb von empfängnisverhütenden Mitteln“ verboten werde, ebenso wie Zinsspekulation, Großbanken, Abtreibung, „Gotteslästerung, Homosexualität und Pornographie“. Ihm schwebt eine Gesellschaft vor, in welcher die „Gewalt in Staat und Gesellschaft“ „nicht vom Volke“, nicht „von der Basis aus[geht], sondern von Gott.“ Er lehnt den Grundsatz „one man one vote“ ab. Statt eines Parteiensystems empfiehlt er, dass an deren „Stelle jene christlichen Männer treten, die sich durch sittliche Reife und Lebenserfahrung, durch Gerechtigkeitssinn und Sorge um das Gemeinwohl auszeichnen“.
Im Februar 2022 wurde die – in ihrer inhaltlichen Ausrichtung nicht besonders lebensbejahend wirkende -Unterorganisation der Piusbruderschaft unter Vorsitz Köningers Mitglied im „Lebensschutz“-Dachverband „Bundesverband Lebensrecht“ (BVL). Der „Bundesverband Lebensrecht“ beschreibt sich selbst als „Zusammenschluss deutscher Lebensrechtsorganisationen“ und tritt vorgeblich für „eine sachliche, ideologiefreie, auf Fakten gegründete Diskussionskultur und eine umfassende, individuelle, respektvolle Hilfe und Beratung im Schwangerschaftskonflikt, mit der die Mutter, das Kind und alle anderen Betroffenen leben können“ ein.
Im BVL ist die „Ärztevereinigung St. Lukas“ inzwischen eine von 16 Mitgliedsorganisationen, neben u.a. der Aktion Lebensrecht für Alle e. V. (ALfA), der Juristen-Vereinigung Lebensrecht e. V. (JVL), der Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren e. V. (KALEB) sowie der Stiftung Ja zum Leben. Schon in der Zeit vor dem offiziellen Beitritt ihrer Ärztevereinigung war Angela Köninger immer wieder auf Veranstaltungen des „Bundesverbands Lebensrecht“ als Referentin aufgetreten. Ihre Tätigkeit als Vorsitzende eines „Lebensschutz“-Projekts der rechtsklerikalen Piusbruderschaft sucht man in den Veranstaltungsankündigungen des BVL jedoch vergeblich.
Angela Köninger war bereits im Jahr 2019 Teil der Fachtagung „Fakten für das Leben“ des BVL. Im Rahmen der „Woche für das Leben“ trat sie in einer Reihe namhafter ReferentInnen auf und schildert (damals noch als Leitende Oberärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Essen) laut Pressemitteilung des BLV„anschaulich, wie gut Mutter und Kind mit medizinischer Unterstützung und Begleitung geholfen werden kann.“ Die Situation, dass aufgrund einer gesundheitlichen Gefahr für die Mutter eine Schwangerschaft beendet werden muss, gebe es heute eigentlich nicht mehr, stellte Köninger in ihrem Vortrag klar.
In einem Nachruf „Ein Leben für das Leben“ des BLV für den 2019 verstorbenen Dr. med. Rudolf Ehmann, der von Dr. Angela Köninger unterzeichnet ist und augenscheinlich auch von ihr verfasst wurde, heißt es über ihren verstorbenen Mentor:
„Am 8. April 2019 verstarb im Alter von 77 Jahren unser ehemaliger Chefarzt, Lehrer, Freund und Vorbild Dr. Rudolf Ehmann. Er war von 1984-2006 Chefarzt im Kantonsspital Nidwalden, Schweiz, und leitete dort die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe. […] Er praktizierte ein Ideal, das ungeborenes Leben in allen Phasen der Existenz, d.h. von der Konzeption an bis zur Geburt, schützte und unterstützte. Dies bedeutete, dass er in all seinem Tun die reproduktive Gesundheit seiner Patientinnen immer berücksichtigte in Beratung, Therapie und konkreter Entscheidung am Krankenbett oder Operationssaal. Somit war es undenkbar, dass er zur Fortpflanzung notwendige Organe ohne medizinischen Grund ihrer Funktion beraubte. Potentiell frühabortive Maßnahmen, die den Embryo in seinen frühesten Entwicklungsstadien beeinträchtigen könnten, wurden von ihm niemals rezeptiert oder angewendet. Eher hätte er sein eigenes Leben gegeben, als dass er das eines ungeborenen Menschen getötet oder dessen Tötung veranlasst hätte. Diese seine konsequente Haltung, die heutzutage etablierte Methoden der Kontrazeption und des Schwangerschaftsabbruches nicht auf seiner Agenda erscheinen ließen, weckte durchaus auch Widerstand. Ohne hart, ungerecht oder emotional zu werden, erklärte und verteidigte er mit durchdachtem und intellektuellem Wesen seine Grundhaltung. Diese basierte nicht auf einer subjektiven Meinung, sondern resultierte aus einer intensiven wissenschaftlichen und religiösen Auseinandersetzung, insbesondere die hormonale Kontrazeption betreffend. Seine Vortragstätigkeit auf bioethischen Kongressen, die Mitgliedschaft in Pro-Life-Organisationen und zahlreiche Buchbeiträge ermöglichten es einem breiten Publikum, seine Schlussfolgerungen nachzuvollziehen und wertzuschätzen. […] Mit fortdauerndem Dank und im Namen vieler weiterer KollegInnen, Priv.-Doz. Dr. med. Angela Köninger, Deutschland“ und weitere.

Auch Köninger scheint ihre Position zum Thema „Lebensschutz“ durch eine Mischung aus wissenschaftlicher und religiöser Auseinandersetzung zu generieren. In einem Videobeitrag des Magazins „Grandios“ für den Sender BibelTV, erläutert Köninger im Jahr 2024 ethische Fragen der Geburtshilfe und Frauenheilkunde, einschließlich Schwangerschaftsabbruch und Pränataldiagnostik. Dabei betont sie das Potenzial des Lebens von der Befruchtung an und reflektiert gesellschaftliche Haltungen zu Menschen mit Behinderungen. Im Interview mit Stefan Rehder verdeutlicht sie „die faszinierende und engmaschige Verbindung zwischen Mutter und Kind von Beginn an, denn die kindlichen Zellen bringen den mütterlichen bei: Ich gehöre zu dir.“
Ihre Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen legt die „Lebensschützerin“ und Gynäkologin in Leitungsfunktion auch in einem Video des YouTube-Kanals „Ärzt*innen zu 218“ vom Januar 2025 dar. Auf die Frage „Wieso gibt es Frauenärzt*innen, die keine Schwangerschaftsabbrüche durchführen?“ erläutert Angela Köninger:
„Wir [Ärztinnen und Ärzte] sind dafür zuständig, alle unsere Erfahrungen die wir machen konnten, die wir auch unter mühsamen Bedingungen gemacht haben, die lange lange Zeit die wir in Krankenhäusern verbracht haben, die wir an Krankenbetten verbracht haben, die wir über Büchern verbracht haben, wir sind dafür verantwortlich und wir haben auch die Möglichkeit in unseren Händen und auch vielleicht in unseren Köpfen aber auch in unseren Herzen, Leben zu erhalten Leben zu verbessern Leben zu ermöglichen und man kann von uns nicht verlangen, dass ich mit der einen Hand Leben erhalte und mit der anderen Hand Leben beende und man muss auch eins Bedenken: Um welches Leben geht es hier? Es geht um den Beginn des Lebens. Jedes Kind eröffnet eine neue Generation. Wer schafft es hier diesen Prozess, diese Weitergabe des Lebens einfach zu beenden, einfach abzubrechen? Das schaffen nur Wenige. Wir sind Ärztinnen und Ärzte, mit unseren Händen mit unserem Verstand und mit unserem Herzen und unsere erste Aufgabe ist es für das Leben unserer Mitmenschen alle Energie alle Kraft und alle Erfahrung einzusetzen. Und von uns zu erwarten, dass wir mit gleicher Selbstverständlichkeit Leben ermöglichen und Leben beenden ist derart paradox, dass die meisten dieses Paradox zumindest nicht lebenslang aufrechterhalten möchten.“


Eine Haltung, die die „Doctors for Choice Germany e. V.“ (DfC) so nicht teilen können. In einer Stellungnahme der DfC zur Beteiligung von Dr. Angela Köninger am „Leben.Würde“-Kongress 2025 kritisieren diese, dass sie die Aktivitäten von Köninger, die immerhin Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) ist, als Seminarleiterin beim „Leben.Würde“-Kongress des „Bundesverbands Lebensrecht“ und aller größeren „ProLife“-Organisationen Deutschlands mit Sorge zur Kenntnis nehmen. Der Titel ihres Seminars – „Arbeiten im Gesundheitswesen – wie kann ich einer Pro-Life-Ethik treu bleiben?“ lege Köningers wiederholte, aktive Unterstützung einer ideologisch motivierten Haltung nahe, die im Widerspruch zur wissenschaftlichen, auf Evidenz basierenden Ausrichtung der DGGG steht. Mit dem Engagement für die „ProLife“-Bewegung positioniere sich Köninger für eine Bewegung, die das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch pauschal ablehnt, was im klaren Widerspruch zu der Haltung der DGGG stehe. Diese betont in ihrer Stellungnahme zum Schwangerschaftsabbruch, dass jede Frau das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung hat, es die Würde aller Beteiligten zu achten gilt und eine sachliche, wissenschaftlich fundierte Diskussion erforderlich ist. „Es entsteht der Eindruck, dass persönliche ideologische Überzeugungen über wissenschaftlich fundierte medizinische Standards gestellt werden – gerade im Kontext reproduktiver Rechte und Selbstbestimmung ist dies besonders problematisch und widerspricht der Verpflichtung zur evidenzbasierten Medizin.“, so die Doctors for Choice.
Und Prof. Köningers Meinung – sei sie ideologisch oder wissenschaftlich fundiert – hat realen Einfluss. Bereits im Mai 2022 war Köninger als einige von zehn Sachverständigen zur Debatte um die Aufhebung von Paragraf 219a (das „Werbeverbot“ für Abtreibungen) im Paul-Löbe-Haus in Berlin eingeladen. Dort vertrat sie die Position, dass die von mehreren Sachverständigen geschilderte schlechte Lage zur Versorgung von ungewollt Schwangeren nicht zutreffe. Die Klinikdirektorin und Inhaberin des Lehrstuhls für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universität Regensburg betonte in ihrem Beitrag, aus ihrer Sicht seien die in der aktuellen Debatte um den Gesetzentwurf postulierten Missstände in der Information und Versorgung von Frauen im Schwangerschaftskonflikt in der Realität nicht präsent (Wortprotokoll: BT-Drucksache 20/1635). Zudem stelle 219a nicht den Grund dar, warum Ärztinnen und Ärzte keine Abbrüche anbieten. Grund hierfür sei in fast allen Fällen deren Berufung auf ihr eigenes Selbstbestimmungsrecht. In der Frage, ob es weiter ein Werbeverbot für Abtreibungen in Deutschland geben solle, oder der 219a – wie von der Ampel-Koalition geplant – abgeschafft gehöre, stellte Köninger klar: „Wir sehen mehr als einen Zellhaufen“. Die Chefärztin für Frauenheilkunde bemängelt ein Informationsdefizit, denn bis zur 12. Woche ist eine Abtreibung in Deutschland möglich, obwohl kaum eine Frau wisse, wie weit das Kind im Mutterleib zu diesem Zeitpunkt schon entwickelt sei. Nach Ansicht Köningers sollten ÄrztInnen nicht für den bei ihnen durchgeführten Schwangerschaftsabbruch werben dürfen, da man nur das bewerbe, was man auch für erstrebenswert halte – und einen Schwangerschaftsabbruch für erstrebenswert zu halten, stelle „einen Dammbruch dar“. Vielmehr sollte Köninger zufolge die sachliche Information im Vordergrund stehen, dazu gehöre es, von einem Embryo beziehungsweise Fötus zu sprechen, der bei der Abtreibung entfernt werde. (Siehe auch: Wortprotokoll der der 15. Sitzung des Rechtsausschusses, Berlin, den 18. Mai 2022, Paul-Löbe-Haus, Saal 2.600, Vorsitz: Stellvertretender Vorsitzender Dr. Thorsten Lieb, MdB oder Stellungnahme als Sachverständige zur öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB))
Zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode hatte die SPD-geführte Bundesregierung eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin eingesetzt um Optionen der Liberalisierung des Rechts um Schwangerschaftsabbrüche zu untersuchen. Das Gremium legte im April 2024 einen Abschlussbericht vor und plädierte darin für eine Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts. Der Bericht empfiehlt unter anderem die Legalisierung von Abtreibungen bis zur 12. Woche und will die derzeit geltende Wartepflicht von drei Tagen zwischen Beratung und Abtreibung abschaffen. Als Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe kritisierte Prof. Dr. Angela Köninger am Bericht, dass die Perspektive der ÄrztInnen in der Diskussion zu wenig berücksichtigt werde.
Das betreffe insbesondere drei Aspekte: „Wir sind die einzigen, die einen medizinischen Zugriff auf das ungeborene Kind haben. Dabei wird von uns einerseits verlangt, das Leben von Mutter und Kind bestens zu betreuen, und andererseits sollen wir ohne medizinische Notwendigkeit das ungeborene Leben abtöten. Vor diesem Dilemma stehen wir“. Kritisch sehe sie zweitens den enormen gesellschaftlichen Druck eine Abtreibung durchzuführen, der mittlerweile auf ÄrztInnen ausgeübt werde, dabei müsse sie diese Gewissensentscheidung jedoch selbst treffen können. Drittens könne sie keine Probleme bei der Versorgungslage von Schwangerschaftsabbrüchen erkennen. Angesichts der im Vorjahr mehr als 100.000 durchgeführten Abtreibungen, sei es verfehlt von einer grundsätzlichen Versorgungslücke zu sprechen, wertete die Gynäkologin.
Im Februar 2025 wurde dank Recherchen von NDR und BR bekannt, dass AbtreibungsgegnerInnen offenbar versucht haben, am Lobbyregister vorbei Einfluss auf Bundestagsabgeordnete zu nehmen. Dabei sei der Verein ALfA e.V. aus Bayern besonders aufgefallen – und die als Privatperson auftretende Angela Köninger. Köninger hatte im Zuge der jüngsten Debatte um die Reform des § 218 StGB persönlich mit einem offenen Brief Bundestagsabgeordnete kontaktiert und diese dazu aufgefordert hatte, gegen den Gesetzentwurf zur Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen zu stimmen. Mit Erfolg: Während der Bundestagsdebatte zu §218 nahmen Abgeordnete in ihren Wortbeiträgen Bezug auf die Inhalte des Briefes, als handle es sich um eine anerkannte ärztliche Meinung. Problematisch sei dies, da diese Lobbyarbeit am Lobbyregister vorbei erfolgt sei.
Auch der Verein „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA e.V.) aus Augsburg ist Teil der selbsternannten „Lebensschutz“-Bewegung hatte nach den in den vergangenen Monaten mehrfach Postkarten, Briefe und ihre Vereinszeitschrift „Lebensforum“ an Bundestagsabgeordnete verschickt. Darin forderten sie den Erhalt der jetzigen Regelung von Paragraf 218 Strafgesetzbuch, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. Mit Hilfe der Postkarten sollten die Abgeordneten darin bestärkt werden, „die rot-grüne ideologiegetriebene und lebensfeindliche Politik nicht weiter zu unterstützen„. Trotz der mehrfachen versuchten Einflussnahmen von ALfA auf Bundestagsabgeordnete in ihrem Sinne, habe sich der Verein jedoch nicht ins Lobbyregister eintragen lassen – dies ist jedoch seit aus Transparenzgründen Pflicht. Verbände und andere Interessenvertreter müssen sich seit 2021 im Lobbyregister eintragen lasse, damit sie Kontakt zu Bundestagsabgeordneten aufnehmen dürfen. Damit wird transparent, welche Ziele sie verfolgen, an welche MinisterInnen und Abgeordnete sie sich wenden und woher ihre Geldmittel stammen. Das gilt auch für AbtreibungsgegnerInnen und selbsternannte „LebensschützerInnen“ wie den Verein ALfA und den „Bundesverband Lebensrecht“, in dem ALfA Mitglied ist – aber auch für Einzelpersonen!

Der „Bundesverband Lebensrecht“ (BVL) hatte sich erst Mitte Dezember 2024 im Lobbyregister eingetragen. Doch LobbyControl kritisiert, die vom Verband gemachten Angaben seien insgesamt „nicht plausibel“. So gibt der Bundesverband etwa an, null Euro für Interessenvertretung auszugeben. Bei einer Organisation, die keinen anderen Zweck als Lobbyismus verfolge und ein eigenes Büro in Berlin betreibe, werfe das Fragezeichen auf, so LobbyControl. Außerdem seien im Zuge der Debatte um die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs verschiedene Bundestagsabgeordnete auch von vermeintlichen Privatpersonen kontaktiert worden. Darunter Angela Köninger, Direktorin und Chefärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum der Barmherzigen Brüder in Regensburg. Anfang Dezember 2024 verschickte sie per E-Mail einen offenen Brief an Bundestagsabgeordnete. Das Anschreiben, mit der Forderung gegen die Liberalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu stimmen, war von Köninger und weiteren FrauenärztInnen unterzeichnet worden. Ihre Aktivitäten für die „Lebensschutz“-Bewegung und ihre Mitgliedschaft im BVL machte Köninger in dem Schreiben jedoch nicht transparent.

2. Die AfD und ihr Einsatz als parlamentarischer Arm der „Lebensschutz“-Bewegung
Bereits in der 2022 stattgefundenen Bundestagsdebatte um die Abschaffung des 219a, in welcher auch Angela Köninger als Expertin und Aktivistin der „Lebensschutz“-Bewegung angehört worden war, zeigte sich die AfD im Bundestag als engagierte Vertreterin der „ProLife“-Positionen. In verschiedenen Anträgen forderte die AfD-Fraktion um Alice Weidel, Tino Chrupalla im Mai 2022 den im Deutschen Bundestag auf, die „Staatliche Schutzpflicht des ungeborenen Lebens“ ernst zu nehmen und „keine Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch nach § 219a des Strafgesetzbuches“ zuzulassen. Außerdem beantragte die Fraktion der AfD im Bundestag den „§ 219a StGB zu erhalten und Schutzauftrag des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu beleben“ (Drucksache 20/1505). Darin wird u.a. festgehalten, dass „Abtreibungen in unserer Rechtsordnung grundsätzlich als Unrecht anzusehen sind […] und im Strafgesetzbuch als grundsätzlich rechtswidrig eingestuft werden, auch wenn sie unter gewissen Bedingungen straffrei bleiben. […]“. In der Schwangerschaftskonfliktberatung müsse „der Frau bewusst sein, dass das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und, dass deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann“ (§ 219 StGB). Die Beratung solle der Frau helfen, eine „verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen“ und hat sich „von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen“ (ebenda). Dem verfassungsrechtlichen Auftrag, „den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben“ […] würde eine Streichung des § 219a StGB jedoch diametral widersprechen. Der rechtliche Schutzanspruch des ungeborenen Lebens werde negiert, wenn Schwangerschaftsabbrüche ohne Rücksicht auf das eigenständige Lebensrecht ungeborener Kinder beworben oder als vermeintlich normale medizinische Dienstleistung banalisiert oder wenn über darüber scheinbar neutral „informiert“ werde, erklärt die AfD in ihrem Antrag.
Ende des Jahres 2024 wurde bekannt, dass die „Alternative für Deutschland“ laut dem Entwurf zum Bundestagswahlprogramm das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche massiv einzuschränken plante. Demnach sollten Schwangerschaftsabbrüche nur noch „bei kriminologischer oder medizinischer Indikation“ erlaubt sein – also etwa nach Vergewaltigungen oder in Fällen, in denen die Gesundheit der Mutter gefährdet ist. Stattdessen wolle die AfD eine „Willkommenskultur für Kinder“ etablieren. In dem Entwurf hieß es, dass beim sorgfältigen Abwägen der Interessen Abtreibung die absolute Ausnahme bleiben müsse. Bei der derzeitigen Abtreibungspraxis in Deutschland sei „weder das Lebensrecht der Kinder ausreichend geschützt, noch kann davon ausgegangen werden, dass die Schwangeren hinreichend über schwere Abtreibungsfolgen und über Hilfsangebote aufgeklärt wurden“.
Diese Haltung spiegelt sich auch im schließlich auf dem Parteitag beschlossenen Programm der Alternative für Deutschland zur Bundestagswahl 2025. Darin forderte die extrem rechte Partei die „Willkommenskultur für Kinder“ und führt aus: „Das Recht auf Leben ist ein fundamentales Menschenrecht. Ohne dieses Recht kann kein anderes Menschenrecht in Anspruch genommen werden. Durch die Befruchtung wird aus der Eizelle ein menschlicher Embryo. Das Lebensrecht des ungeborenen Kindes steht aber einem Wunsch der Mutter auf Abtreibung diametral entgegen.“. Deshalb müsse die Gewissensfreiheit für Ärzte, Abtreibungen zu verweigern, erhalten bleiben und es dürfe keine Werbung von Ärzten für Schwangerschaftsabbrüche geben. Weiter heißt es im Programm, die AfD lehne jede Förderung von Organisationen oder Maßnahmen ab, durch die Abtreibungen forciert oder verharmlost werden. Folgerichtig lehnt die AfD auch alle Bestrebungen ab, Abtreibungen zu einem Menschenrecht zu erklären. Nach der Vorstellung der AfD soll das Beratungsgespräch werdende Mütter von einem Schwangerschaftsabbruch abbringen – auch mit drastischen Mitteln. Konkret schlägt das Programm vor, „während der Schwangerschaftskonfliktberatung sollen den Müttern Ultraschallaufnahmen des Kindes gezeigt werden, damit sie sich über den Entwicklungsstand des Kindes im Klaren sind.“


Ähnlich formulierte es der Bayerische Landesverband der AfD bereits im Wahlprogramm der Partei zur Landtagswahl in Bayern 2018. Darin heißt es unter „5.1. Ungeborene Kinder haben ein Recht auf Leben“:
„Abtreibung ist daher grundsätzlich Unrecht, auch wenn sie unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleibt. Alle Bestrebungen, die Tötung Ungeborener zu einem „Menschenrecht“ zu erklären, lehnen wir konsequent ab. Die Schwangerschaftskonfliktberatung muss tatsächlich dem Schutz des Lebens dienen.“ Neben dem Angebot von Hilfen solle auch über körperliche und seelische Folgen einer Abtreibung informiert werden. Es folgt der konkrete und absolut hanebüchene Vorschlag, dass bei der Schwangerschaftskonfliktberatung nach Möglichkeit der Vater des ungeborenen Kindes und die werdenden Großeltern mit einzubeziehen seien.
„Die AfD mixt das Abtreibungsthema mit völkischen Erwägungen„, erläutert die Publizistin und Juristin Liane Bednarz im BR-Beitrag „Gegen Abtreibung: AfD demonstriert mit strenggläubigen Christen“ (2024). Der AfD sei das Thema Abtreibung aus völkischen Motiven heraus wichtig. In ihrem Grundsatzprogramm werbe die Partei unter der Überschrift „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung“ für weniger Einwanderung und beklage gleichzeitig die hohe Zahl der Abtreibungen in Deutschland. Um dem demografischen Wandel entgegenzuwirken, lehne die AfD Einwanderung ab und wolle stattdessen erreichen, dass die Geburtenrate in Deutschland steigt. So würden Kinder und werdende Kinder gegen Migranten ausspielt, kritisiert Bednarz.
Spätestens seit den Bundestagswahlen 2025 ist die rechtsextreme AfD mit inzwischen zwei Stellen im Regensburger Stadtrat vertreten (Erhard Brucker, Thomas Straub), mit vier Männern im Kreistag Regensburg (Armin Bauer, Norbert Jörß, Markus Meier, Michael Ofen), mit einem Regensburger AfD-Abgeordneten im Bayerischen Landtag (Dieter Arnold) und einer neu-Parlamentarierin im Bundestag in Berlin (Carina Schießl). In all diesen Gremien und Parlamenten werden die FunktionärInnen der extrem rechten und antifeministischen Partei ihr Programm, darunter auch die Linie der AfD zu Schwangerschaftsabbrüchen, vertreten und in die politische Praxis sowie Gesetzgebungsprozesse einbringen. Wie sich das bereits heute äußert, zeigt sich beispielsweise an der Arbeit der AfD im Bayerischen Landtag.
Gleich der Bundespartei, stellt auch die AfD im Landtag Bayern immer wieder die These in den Raum, dass es ein Problem unzureichender und einseitiger Schwangerenkonfliktberatung sei, dass überhaupt noch Frauen sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden – und sie fordert Abhilfe. Regelmäßig beantragt die AfD-Fraktion im Landtag die „Schwangerschaftskonfliktberatung in Bayern evaluieren und [zu] verbessern“ (Drs. 18/10427).
Im Protokoll zum 85. Plenum am 16.06.2021 im Bayerischen Landtag führt der AfD Abgeordnete Jan Schiffers dazu aus: „[…] Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Bayern ist mit leichten Schwankungen in den letzten Jahren anhaltend hoch. Im Jahr 2020 wurden im Freistaat 12.487 Abtreibungen vorgenommen. Diese hohe Zahl ist erschütternd, geht es doch in jedem einzelnen Fall um ein Menschenleben. Rund 96 % aller Abtreibungen in Bayern fanden nach der sogenannten Beratungsregelung statt. Nur rund 4 % der Abtreibungen erfolgten hingegen aufgrund medizinischer Indikation bzw. infolge eines Straftatbestandes oder eines Sexualdelikts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet das Grundgesetz den Staat, auch das ungeborene Leben zu schützen. Hiernach hat der Staat die Aufgabe, den rechtlichen Schutzanspruch de s ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu beleben und zu erhalten. […] Ja, es gibt im Freistaat Bayern bereits ein umfangreiches Beratungsangebot. […] Doch nichts ist so gut, dass es nicht noch verbessert werden könnte, und die anhaltend hohen Zahlen der Schwangerschaftsabbrüche zeigen, dass hier auch ein konkreter Verbesserungsbedarf besteht. […] Im Rahmen der Beratung des Antrags im Sozialausschuss wurde vonseiten einiger Fraktionen sinngemäß eingewandt, das Selbstbestimmungsrecht der Frau sei allein entscheidend für die Frage, ob ein Abbruch vorgenommen werden soll oder nicht. […] Diese Art der Argumentation verkennt auch, dass die Frage, ob eine Abtreibung durchgeführt wird oder nicht, eben nicht eine reine Frage der Selbstbestimmung der Frau ist, sondern letztlich auch eine der Fremdbestimmung. Das ungeborene Kind, über dessen Schicksal bestimmt wird, kann sich schließlich nicht selbst äußern. […]“
In der Drucksache wird Antrag mit der Forderung der AfD mit Aussagen des „Lebensschutz“-Vereins ALfA begründet: „Anhand der Zahlen [zu Schwangerschaftsabbrüchen in Bayern] kann man klar erkennen, dass das Beratungsmodell, bei dem schwangere Frauen eine „ergebnisoffene“ Beratung durchlaufen, wenig dazu beiträgt, das ungeborene Leben effektiv zu schützen, wie auch die „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA) konstatierte. Weiter erläuterte Cornelia Kaminski, die Bundesvorsitzende der ALfA: „Wer angesichts der Zahlen immer noch davon spricht, die Gesetzeslage in Deutschland sei zu wenig liberal und nicht frauenfreundlich genug, handelt in Wahrheit frauenfeindlich. Frauen leiden an Abtreibungen, nehmen hohe gesundheitliche Risiken bis hin zum Tod durch Abtreibungspräparate in Kauf und Kinder sterben dabei. Als Gesellschaft sind wir gefordert, dieses Leid weitestgehend einzudämmen: bessere Beratung, mehr Hilfe, mehr Schutz des ungeborenen Lebens sind dringend vonnöten.“ (Drs. 18/10427).
Das Misstrauen der AfD zieht sich durch die Legislaturperioden. Im Juli 2024 fragte die Partei die Staatsregierung zu „Schwangerenkonfliktberatungen, deren Qualitätssicherung und Kontrolle“ (Drucksache 19 / 2629), wie „nach Ansicht der Staatsregierung eine effektive Kontrolle mittels der Auswertung der Tätigkeitsberichte der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen gewährleistet [sei], wenn diese von den Beraterinnen bzw. Beratern selbst verfasst werden und sie damit „geschönt“ oder „frisiert“ werden können?“.
Auch in dieser Anfrage beruft sich die AfD auf diverse Quellen aus der „Lebensschutz“-Bewegung. Beispielsweise in der Frage, wie sich nach Ansicht der Staatsregierung der Widerspruch erklären lasse, dass einerseits die Auswertung der Tätigkeitsberichte nach Auskunft von Staatsministerin Ulrike Scharf „keine Anhaltspunkte“ über eine nicht gesetzeskonforme Durchführung der Gespräche ergebe, sich andererseits aber immer wieder Beiträge in den Foren von betroffenen Frauen fänden, wonach eine Beratung nicht „ergebnisoffen“ stattgefunden habe, sondern betroffene Frauen sich zur Entscheidung für oder gegen das ungeborene Kind gedrängt bzw. unter Druck gesetzt gefühlt hätten (Quellen: www.editionf.com, www.1000plus.net, www.forum.profemina.org usw.), sowie wenn berichtet werde, dass „die Beraterin von der Diakonie mit dem Schein nur so um sich warf wie mit Bonbons an Fasching“ (Quelle: sunshinewalk, 03.10.2015, www.1000plus.net) usw.

Zuletzt erkundigte sich der Oberpfälzer AfD-Abgeordnete Roland Magerl in der Plenarsitzung am 22.01.2025 in einer Anfrage zum Plenum danach, wie viele Schwangerschaftsabbrüche in Bayern im Jahr 2024 durchgeführt wurden, wie sich die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Bayern im Vergleich zu den letzten 5 Jahren entwickelt habe und welche Altersgruppen in Bayern im Jahr 2024 am häufigsten betroffen gewesen seien.
Auch um die Frage, wie die Anzahl von Schwangerschaftsabbrüchen abseits von Kriminalisierung und einer restriktiveren Auslegung von Schwangerenkonfliktberatungen gesenkt werden könne, macht sich die AfD Gedanken. In der Drucksache 19 / 2196 vom 14.06.2024 fragten Abgeordnete der AfD die Staatsregierung nach der Durchführung des „Aktionstag für das Leben“ an weiterführenden Schulen in Bayern. Da das Grundgesetz (GG) den Staat verpflichte menschliches Leben zu schützen und auch ungeborenes menschlichen Leben darunterfalle, so die Begründung, ergebe sich daraus für Schulen die Aufgabe, „die Würde auch des ungeborenen Lebens herauszustellen, Verantwortung gegenüber dem ungeborenen Kind zu wecken und den Willen zum Schutz des ungeborenen Lebens bei den Schülerinnen und Schülern zu stärken. In Ergänzung zur unterrichtlichen Wissensvermittlung über den ungeborenen Menschen und sein Lebensrecht, solle daher an den weiterführenden Schulen nach Möglichkeit jährlich ein ‚Aktionstag für das Leben‘ unter Einbezug der Schülermitverantwortung und der Eltern durchgeführt werden“. Daher frage die AfD die Staatsregierung an wie vielen weiterführenden Schulen im Freistaat Bayern in den vergangenen fünf Jahren ein „Aktionstag für das Leben“ durchgeführt wurde und an wie vielen Schulen nicht?
Die völkische Agenda hinter den „Lebensschutz“-Bemühungen der AfD zeigt sich dabei auch in den Anfragen der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag. Beispielsweise in der schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Rene Dierkes vom 15.03.2024 zum Thema „Abtreibung/Schutz des ungeborenen Lebens“ (Drucksache 19 / 1867). Darin möchte er u.a. wissen, ob „die Zahl der Abtreibungen proportional zur Bevölkerungszunahme durch Zuwanderung nach Bayern“ wachse. In anderen Teilen der Anfrage zeigt sich Dierkes als Unterstützer der ProLife-Bewegung. Beispielsweise wenn er fragt, wie sich die Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche (Streichung von § 219a StGB) im Sommer 2022 seither auf die Zahl der Abtreibungen in Bayern ausgewirkt habe (Spoiler: Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Zahl der Abtreibungen in Bayern und der Streichung von § 219a StGB ist nicht feststellbar.), welche Faktoren nach Ansicht der Staatsregierung die Zunahme von Abtreibungen begünstigen? (Spoiler: Laut der Beratungspraxis belastet die aktuelle Krisenentwicklung (Bedrohung durch Pandemien, Krieg in Europa, Klimawandel etc.) auch die Klientel in der Schwangerschaftskonfliktberatung.) und was die Staatsregierung aktuell und konkret unternehme, um die jährliche Abtreibungsquote in Bayern nachhaltig zu senken.
Provokant formuliert er „Inwieweit fühlt sich die Staatsregierung dem christlichen Gebot „Du sollst nicht töten“ auch heute noch verpflichtet?“ und fragt, wie die Staatsregierung zu Änderungsvorhaben der Bundesregierung zum Schwangerenkonfliktgesetzes stehe, „wonach Gehsteigberatungen und Gebetsmahnwachen vor bzw. in der Nähe von Abtreibungskliniken und -praxen als „Belästigung“, „Behinderung“ und „Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes“ („Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung“ der Schwangeren und „Berufsfreiheit der betroffenen Ärzte und Berater“) als „Bußgeldtatbestände“ verboten werden sollen (www.alfa-ev.de)“. Er fragt auch, wie viele Anzeigen gegen Personen, die Gehsteigbelästigungen (Dierkes nennt sie ganz im ProLife-Sprech verharmlosend „Gehsteigberatungen“) vor bzw. in der Nähe von Abtreibungseinrichtungen durchgeführt hätten von 2018-2023 aufgenommen worden seien und wie oft und an welchen konkreten Orten solche „Gehsteigberatungen“ in Bayern stattgefunden hätten. Es ist kaum zu übersehen, dass der AfD-Abgeordnete ein Unterstützer der als „Gehsteigberatungen“ getarnten „Gehsteigbelästigung“ vor Kliniken und Praxen ist.


3. Der „ProLife“-Aktivist Klaus Günter Annen und sein Wahn vom „Babycaust“
Damit dürften der Abgeordnete Dierkes und seine AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag in ähnlichem Fahrwasser unterwegs sein, wie der wohl bekannteste „Lebensschutz“-Aktivist Deutschlands: Klaus Günther Annen. Klaus Günter Annen (* 1951) ist fanatischer Abtreibungsgegner und als solcher Gründer und Leiter des Vereins „Initiative Nie Wieder!“ mit Sitz in Weinheim. Seit 2016 ist er außerdem stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Christliche Mitte“ und vertritt den Verein presserechtlich. Annen selber ist Katholik und unterhält Verbindungen zu evangelikalen und rechtsextremen Kreisen. Er organisiert bundesweit Proteste gegen ÄrztInnen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen und erstattete laut Süddeutscher Zeitung seit 2001 Strafanzeigen gegen über 400 MedizinerInnen wegen „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ (§ 219a). Eine dieser Anzeigen führte zu den bundesweit bekannt gewordenen Prozessen gegen die Gießener Gynäkologin Kristina Hänel. Mit seinem Verein „Christliche Mitte“ unterstützt Annen den „Marsch für das Leben“.
Annen vergleicht den Schwangerschaftsabbruch mit dem Holocaust und bezeichnet ihn als „Babycaust“. Im Jahr 2000 wurde der von Annen genutzte Slogan „Damals: Holocaust – heute: Babycaust“ vom Bundesgerichtshof als von der Meinungsfreiheit gedeckt eingeschätzt. Später wurde Annen von mehreren deutschen Gerichten verboten, Parallelen zwischen ÄrztInnen, die Schwangerschaftsabbrüche vornahmen, und KZ-Kommandanten in der Zeit des Nationalsozialismus zu ziehen. Im Juli 2019 erstattete die Ärztin Kristina Hänel Anzeige auf Unterlassung, da Annen sie und andere ÄrztInnen in einer persönlicher Schmähkritik auf eine Stufe mit den VerbrecherInnen des Nationalsozialismus gesetzt hatte. Sie gewann das Verfahren im August 2020 vor dem Landgericht Hamburg. Durch alle Instanzen bestätigt wurde ein Urteil gegen Annen aus dem Jahr 2003, als er vom Landgericht Heilbronn zu einer zweimonatigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde, nachdem er einem Mannheimer Arzt, der Abtreibungen vornahm, vorgeworfen hatte, „Mord an Kindern“ zu praktizieren. Nach einer weiteren derartigen Protestaktion erhielt Annen eine Ordnungsstrafe von vier Tagen.

Allen Rechtsstreitigkeiten zum Trotz betreibt Annen die Websites babycaust.de (alternativ babykaust.de), die 2007 durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wurde, und abtreiber.com, auf der unter anderem Namen von ÄrztInnen gelistet werden, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Dabei wird er durch das holocaustleugnende katholisch-traditionalistische bis rechtsextreme Blog kreuz.net unterstützt, für das er selbst schon als Autor tätig war. Seine wahnhaft anmutenden Vergleiche und Projekte vertrat Annen sogar schon persönlich in Regensburg. Während des viertägigen 99. Katholikentages in Regensburg im Juni 2014 stellte Annen, der vom rechten Verlag IDEA als „Lebensrechtler des Jahres 2003“ ausgezeichnet worden war, seine Projekte an einem Infotisch vor. Er warb für die Website Babycaust.de und die „Initiative Nie wieder“ e.V.. Nach seinen damaligen Aussagen finanzierte Deutschland mit der Abtreibung einen Völkermord am eigenen Volk. In einem Interview für ein antisemitisches Onlineportal erklärte Annen, der am Kirchentag offizieller Mitwirkender war: „Weltweit werden jährlich ca. 60 bis 80 Millionen ungeborene Menschen ermordet. Angesichts solcher Zahlen kann man sich schon die Frage stellen: Was war da der Holocaust?“
Auf der eher neueren Website „Menschenreche.online – Menschenrechte für alle – für Geborene wie für Ungeborene“ führt Annen bundesweit Orte auf, wo Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. So auch das Ärztehaus im Regensburger Castra-Regina-Center, welches Annen als „Castra-Regina-(Tötungs) Center – Regensburg“ verunglimpft. In dem zugehörigen Artikel heißt es, man wolle „an dieser Stelle Menschen, Vereine und Organisationen aufzeigen, die sich im Besonderen gegen das Menschenrecht auf Leben für ALLE stellen, sei es durch Verbreiten einer menschenverachtenden Ideologie, sei es durch direkte oder indirekte Beteiligung am Töten unschuldiger und wehrloser Kinder vor deren Geburt. Ein getöteter Mensch, ob vor oder nach seiner Geburt, ist EINER zuviel! Das Töten von Menschen ist ein verabscheuungswürdiges Verbrechen und keine gute Tat !“
Im „Castra-Regina-Centrum“, so Annen, hätten sich „auch Mediziner niedergelassen bzw. bedienen sich der vorhandenen Einrichtungen, die unschuldige und wehrlose Kinder im Mutterleib töten.“. Weiter bezeichnet er die MedizinerInnen als „Kinderabtreiber“, die „Geschäft mit dem Tod“ betreiben.
„So ist Kai Dittmann u.a. ein Tötungs-Mediziner, deren Praxis in diesem Centrum zu finden ist. Er hat sich u.a. auf das Töten der ungeborene Kinder spezialisiert und nimmt die Hilfsdienste einer Anästhesie des OP-Zentrums im Castra Regina Center (CRC) an. Dort werden Kinder getötet, entweder chirurgisch oder durch Verwendung des Pestizids Mifegyne … rechtswidrig aber unter bestimmten Bedingungen straffrei. Abtreibung ist zudem ein MORDSgeschäft!“, wettert Annen gegen das Regensburger Ärztehaus und darin praktizierende Mediziner.


Dafür drückt Annen seine Solidarität für die BeterInnen der „Vigilen für das ungeborene Leben“ aus, welche regelmäßig vor dem Ärztehaus in der Regensburger Bahnhofstraße demonstrieren. Die wiederum haben in der Regensburger SPD-Politikerin Carolin Wagner, MdB, die ebenfalls Mitglied im Vorstand der „Pro Familia“ ist, eine zähe Widersacherin. Wagner setzt sich dafür ein, dass die „ProLife“-AktivistInnen im Zuge des „Gehsteigbelästigungsverbots“ für ihre Versammlungen eine Bannmeile von 100m um das Castra Regina Center auferlegt bekommen. Den LebensschützerInnen springt Annen auf seiner Website zur Seite, indem er Carolin Wagner und „Pro Familia“ massiv diffamiert.
„„Pro Familia“ ist eine Vereinigung, die sich nicht nur für das legale Töten von Kindern v.d.G. einsetzen, sondern die selbst einige Tötungseinrichtungen in Deutschland unterhalten und etwa jährlich über 5.000 Kindern vor der Geburt (v.d.G.) das Leben nehmen. Ist also kein Wunder, daß Carolin so denkt, wie sie denkt … obwohl sie angibt, selbst römisch-katholisch zu sein und in einem katholisch geprägten Umfeld lebt, hat noch nichts abgefärbt. Eine sich outende röm.kath. Christin, die sich aber für die Tötungs ungeborener Kinder einsetzt und nicht für ihr absolutes Lebensrecht, ist weder röm. kath. noch eine Christin!!! Bestenfalls eine verirrte, abgefallene, ehemalige Christin, die der Bekehrung bedarf.“, tobt er und kommentiert ein Bild Wagner bissig mit „Noch spendet sie großzügig einer Tötungsorganisation … vielleicht erkennt Carolin bald, daß getötete Kinder (auch vor der Geburt) fehlende Kinder für unsere Gesellschaft sind…mit verheerenden Folgen.“, sowie „Die rote Regensburger Wagnerin kämpft für die Abschaffung des § 218 StGB, was bedeutet: Kinderabtreibung bis vor die Geburt soll in Deutschland legal möglich werden.“
Anschließend veröffentlicht Annen im Artikel Namen und Daten aller Regensburger „Pro Familia“ Vorstände, wohl in der Hoffnung, damit Druck auf die Vereinsmitglieder ausüben zu können.

