II. Das Regensburger Bistum und dessen Einsatz für die „Lebensschutz“-Bewegung im Kampf gegen Abtreibung
Antifeminismus und Anti-Choice-Propaganda werden in Regensburg aber nicht nur von außerhalb der römisch-katholischen Kirche stehenden Organisationen, wie der Piusbruderschaft, sondern ebenso vom Bistum selbst propagiert und gefördert.
1. Das „Vigil für das ungeborene Leben“ und die Gehsteigbelästigung
Seit vielen Jahren und zeitweise durch Corona unterbrochen, feierten fundamentalistisch christliche AbtreibungsgegnerInnen monatlich in der Regensburger Kirche St. Johann eine „Vigil für die ungeborenen Kinder“. Nach der sonntäglichen Messe zogen die „LebensschützerInnen“ in einer Gebetsprozession durch die Innenstadt und beteten gemeinsam vor einer Regensburger Tagesklinik, die auch Abtreibungen übernimmt. Berichtet wurde über die „ProLife“-Prozessionen auf der Seite des Bistums Regensburg. Unter einer Vigil versteht man eigentlich einen Teil des monastischen Stundengebets, das in der Nacht bis in die frühen Morgenstunden gebetet wird. Dieser Begriff wurde von den AbtreibungsgegnerInnen nach eigenen Angaben „deshalb für die friedlichen Prozessionen gewählt, weil die Gläubigen betend und singend an die finstersten Orte der Städte ziehen, nämlich direkt vor die Abtreibungspraxen und –kliniken.“
Veranstaltet wurden und werden diese Events bis heute vom Verein „Helfer für Gottes kostbare Kinder Deutschland e.V.“, der in München ansässig ist. Als AnsprechpartnerInnen in Regensburg wurden über viele Jahre Vigilleiterin Petra Gunser aus Donaustauf sowie Edmund Bachmeier aus Regensburg benannt. Noch zu Ostern 2023 hieß es im Pfarrbrief Pfarreiengemeinschaft Donaustauf-Bach: „Vigil für die Ungeborenen. Am Freitag, 31. März 2023, ist wieder die Vigil für die ungeborenen Kinder. Die hl. Messe beginnt um 9.30 Uhr in der Stiftskirche St. Johann in Regensburg. Anschließend ist eine Gebetsprozession zu einer Arztpraxis, in der Abtreibungen vorgenommen werden. Unterstützen Sie dieses wichtige Anliegen als Beitrag für den Frieden!„.


Im Jahr 2018 nahmen am sogenannten „Tag der unschuldigen Kinder“ noch rund 80 Personen an der Prozession und dem anschließenden Gottesdienst in Gedenken an das ungeborene Leben in Regensburg teil. Vom Emmeramsplatz aus lief die Prozession über die Maximilianstraße bis zur Basilika „Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle“ am Kornmarkt. In den rechtsklerikalen Abtreibungsgegnern, dem Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer und dessen Generalvikar Michael Fuchs hat das „Vigil für das ungeborene Lebe“ zwei starke Unterstützer des sogenannten „Lebensschützer“-Milieus. Voderholzer und Fuchs nahmen in der Vergangenheit am „Marsch für das Leben“ in Berlin teil, Fuchs besuchte ebenfalls die Regensburger „Vigil für die ungeborenen Kinder“. Dem organisierenden Verein „Helfer für Gottes kostbare Kinder Deutschland e.V.“ stellte das Bistum hierfür außerdem Räume zur Verfügung. Inzwischen finden das „Vigil für die ungeborenen Kinder“ wieder monatlich in Regensburg statt – wenn auch mit wesentlich geringerer personeller Beteiligung als noch vor der Pandemie-Pause.
Jeweils am letzten Tag des Monats sammeln sich die „LebensschützerInnen“ inzwischen zum „Vigil für die ungeborenen Kinder“ in der Maria-Schnee-Kapelle im Prinzenweg in der Regensburger Altstadt ein. Nach der „heiligen Messe in der außerordentlichen Form des römischen Ritus im Bistum Regensburg“ ziehen sie zum Castra Regina Center in der Bahnhofstraße, denn hier werden Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Gegenüber der Klinik stellen sich die AbtreibungsgegnerInnen auf. Ausgestattet mit Kruzifixen und Marienbildern und beten und singen sie die zentrale Stelle im Ave-Maria-Gebet: „Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus„.

Den dahinterstehenden Verein „Helfer für Gottes kostbare Kinder Deutschland e.V.“ hatte Wolfgang Hering 1999 in München gegründet. Bis heute ist Hering selbst aktiver Beter der „Lebensschutzbewegung“. Vor dem Regensburger Castra Regina Center sprach Hering beim diesjährigen Februar-Vigil von „Gehsteigberatung“ und davon, dass doch auch ohne theologische Herleitung klar sei: Mit der Befruchtung der Eizelle müsse bereits von einem menschlichen Individuum ausgegangen werden. Jeder Schwangerschaftsabbruch ist in dieser Weltanschauung ein Mord. Die jeweiligen Umstände und das Selbstbestimmungsrecht der Frau hätten hier eine untergeordnete Rolle zu spielen, machte Hering im Gespräch mit dem Straubinger Tagblatt deutlich.
Diese Haltung teilen die MedizinerInnen der Klinik im Castra Regina Center eher nicht, weshalb sie jedes Mal die Polizei informieren, wenn die Aufzüge der AbtreibungsgegnerInnen sich wieder, wenige Meter vom Eingang entfernt, in Stellung bringen. „Im Rahmen der Einsätze wurden keine konkreten Belästigungen von Schwangeren bekannt„, wiegelt hingegen die Pressestelle der Polizei lapidar ab. Außerdem seien die Aufzüge jedes Mal bei der Stadt angemeldet. Dass keine 15 Meter entfernt gegenüber Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, war den Beamten laut eigener Aussage gar nicht bekannt, recherchierte das Straubinger Tagblatt. Und auch, dass im vergangenen Jahr WissenschaftlerInnen mehrerer Universitäten eine umfassende Erhebung zu den „Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer“ (ELSA-Studie) erarbeitet haben. Darin wird bestätigt, dass zu den besonders negativen Einflussfaktoren für betroffene Frauen unter anderem Stigmatisierung und die sogenannte „Gehsteigbelästigung“ durch AbtreibungsgegnerInnen zählen.
Wohl auch deshalb plante die letzte Bundesregierung eine Nachschärfung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vor allem im Umfeld von Beratungsstellen und Kliniken mit dem Ziel, Gehsteigbelästigungen durch ein „Gehsteigbelästigungsverbot“ besser unterbinden und sanktionieren zu können. Veranstaltungen von AbtreibungsgegnerInnen soll damit außerdem ein 100-Meter-Abstand zu Kliniken und Beratungsstellen auferlegt werden können. Eine Möglichkeit, von der in Regensburg jedoch kein Gebrauch gemacht wird. In den Auflagen der Stadt werden die Demonstrierenden lediglich ausdrücklich auf die Einhaltung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes hingewiesen – mehr Handhabe sehe man aber nicht bei sich, erklärte die zuständigen Polizeiinspektion auf Nachfrage des Straubinger Tagblatt.
2. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer und der „Marsch für das Leben“
Aktiver Unterstützer der prozessionsbegeisterten AbtreibungsgenerInnen ist der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Voderholzer nimmt nach eigenen Angaben seit 2015 jährlich selber auch an den „Lebensschutz“-Demos des „Marsch für das Leben“ in Berlin und München teil. Die Veranstaltungen stehen immer wieder in der Kritik, da dort AbtreibungsgegnerInnen aus dem Milieu christlicher FundamentalistInnen mit teils prominenten Personen der (extremen) Rechten gemeinsam demonstrieren. Im Jahr 2017 sprach Voderholzer sogar als Redner beim Berliner „Marsch für das Leben“ und relativierte die Verbrechen des Nationalsozialismus mit dem Satz: „Kann man wirklich gleichzeitig Tränen der Rührung vergießen beim Verlesen eines Briefes aus dem Jahr 1943 durch einen Schauspieler mit Down-Syndrom, so geschehen hier neben uns in diesem hohen Hause am 27. Januar 2017, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, und gleichzeitig schweigen über die pränatale Selektion unserer Tage?“
Der Frage „Wie engagieren sich Menschen im Bistum Regensburg für den Lebensschutz?“, widmen Bischof und Bistum gleich eine ganze Rubrik auf ihrer Website. Dort heißt es: „Bischof Rudolf Voderholzer setzt sich sehr für den Schutz des Lebens ein: Er nimmt regelmäßig am „Marsch für das Leben“ in Berlin teil. In der Kirche St. Johann in Regensburg findet monatlich eine Vigil für das Leben statt. Diese Aktion besteht seit dem Jahr 2000. Traditionell wird sie am letzten Tag eines Monats gefeiert. Im Anschluss an die Vigil für die ungeborenen Kinder wird in einer Prozession durch die Regensburger Innenstadt gewandert. Veranstalter ist der Verein „Helfer für Gottes kostbare Kinder Deutschland e.V.„.
Neben den bereits beschriebenen Regensburger „Vigilien für das ungeborene Leben“ werden auch die jährlich stattfindenden „Märsche für das Leben“ auf der Seite des Bistums offen beworben und darüber hinaus gemeinsame Fahrten zu den Massenevents von AbtreibungsgegnerInnen aller Couleur organisiert:
„Alle Interessierten sind eingeladen, beim Marsch für das Leben am Samstag, 16. September 2023, teilzunehmen. Eine gemeinsame Busfahrt wird von der Jugend 2000 Regensburg, Prolife Regensburg und der Charismatischen Erneuerung in der Katholischen Kirche im Bistum Regensburg organisiert.“, heißt es dort beispielsweise unter „Fahrt zum Marsch für das Leben nach Berlin 2023“.
In der Rubrik „Lebensschutz“ der Website des Bistums Regensburg wird unter den „Feldern des Lebensschutzes“ erläutert: „Es ist ein Geschenk Gottes – unser Leben. Deshalb sollten wir alles tun, um es zu schützen. Dabei liegt das Augenmerk mehr von je her auf den Plagen Elend, Hunger, Krankheiten, Gewalt und Krieg. Aber auch alle Art von Mord, Völkermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord fallen in den Bereich des Lebensschutzes.“ – Hier werden also Schwangerschaftsabbrüche und Genozide sowie Euthanasie allen Ernstes in einem Atemzug gemeinsam genannt.

Die Website des Bistums führt weiter aus, was alles unvereinbar mit der Würde des Menschen und dem Lebensschutz sein soll, nämlich: Präimplantationsdiagnostik (PID), In vitro Fertilisation/Befruchtung (IvF), also Zeugung außerhalb des Mutterleibs sowie (damit verbundene) Embryonenreduktion. Letztlich sogar Interzeption, also Verhütungsmittel, die (nach Befruchtung) auf die Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter interzeptiv (zurückhaltend, verhindernd) wirken – wie beispielsweise die Kupferspirale, die Millionen Frauen verwenden. Sowie natürlich Kontragestion, also Mittel, die kontragestiv (abtreibend) wirken. Oder wie es das Bistum formuliert „…wenn sie die Vernichtung des schon eingenisteten Embryos zur Folge haben. Beide Techniken beabsichtigen eine direkte Tötung des bereits gezeugten menschlichen Lebens.“
Noch im Jahr 2014 hatte Voderholzer am Rande des in Regensburg abgehaltenen Katholikentages Schwangerschaftsabbrüche als ein „Massaker im Mutterleib“ bezeichnet. Als Bischof könne er es „nicht verantworten, dass Frauen eine Lösung annehmen, die keine Lösung ist.“. Im Jahr 2022 forderte der Bischof, dass die „Kirchenstimme in der Abtreibungsdebatte“ mit dem „Klaren Bekenntnis zum Lebensschutz“ mehr Gewicht zuteilwerden solle. Dabei appellierte er an die Gesellschaft, bei der Frage der Abtreibung mehr die Opferperspektive einzunehmen. Nur indem man „den Blickwinkel ändere“, sei „wahre Grausamkeit“ zu erkennen. „In der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs mussten vor allem wir Bischöfe lernen, die Opferperspektive einzunehmen, oft leider erst auf Druck der Medien und der Öffentlichkeit„, erklärte Voderholzer in einem Beitrag für den katholischen Privatsender „Radio Horeb“. Den Blickwinkel zu ändern, sei sehr wichtig gewesen, denn erst wenn ein gewaltsames Geschehen aus der Perspektive des Schwächeren betrachtet werde, erkenne man seine „wahre Grausamkeit“. Diese Erkenntnis klinge trivial, bei der Abtreibung aber, weigere man sich allerdings oft, sie anzuwenden. „Es ist eben nicht nur so, dass eine Frau oder ein Paar eine Schwangerschaft abbricht„, fabuliert Voderholzer. Bei dem Wort „Schwangerschaftsabbruch“ handle es sich um eine ideologische Verkürzung. Der Embryo sei nicht ein neues und weiteres Organ der Mutter. Es handle sich vielmehr um ein eigenständiges menschliches Wesen mit allen Potenzialen für ein Leben. Werde er getötet, werde ihm jede Chance auf eine selbstbestimmte Zukunft, auf eigenen „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ geraubt, warnte der Bischof.
Auch für den jüngst am 3. Mai 2025 stattgefundenen fünften „Marsch für das Leben“ in München mobilisierte das Milieu um Bischof Voderholzer. Zusammen mit dem Bischof wollten Katholiken aus dem Kreis Cham ein Zeichen für den Schutz des ungeborenen Lebens setzen, berichteten die Gläubigen aus dem Freundeskreis der „Alten Messe“ sowie der Rosenkranzgruppe Streicherröhren in der Chamer Zeitung. Deshalb hätte man einen Reisebus organisiert, der unter geistlicher Begleitung von Pater Johannes Maria Bachmaier (FSSP) alle jene, die sich der Chamer „ProLife“-Gruppe anschließen wollten, nach München brachte.
Bereits im Jahr 2023 hatte die Teilnahme des Bischofs beim „Marsch für das Leben“ in Berlin für einiges Aufsehen gesorgt. Voderholzer ist auf einem dort entstandenen Foto im Demozug zu sehen und neben ihm ein junger Mann, der den extrem rechten und rassistischen White-Power-Gruß in Richtung einer Kamera zeigt (Zeichen für vermeintliche „weiße Vorherrschaft“). Das sage zwar nichts über den persönlichen Kontakt der beiden Männer aus, aber über die Ausrichtung der Veranstaltung, kritisiert die feministische Autorin Eike Sanders.

In jenem Jahr war die „Lebensschutz-Bewegung“ im dritten Jahr nach dem Corona-Lockdown erstmals wieder auf der Straße um gegen Schwangerschaftsabbrüche, Pränataldiagnostik und Sterbehilfe zu demonstrieren. Mobilisiert Hatte der Dachverband „Bundesverband Lebensrecht“ (BVL) und rund 2000 TeilnehmerInnen folgten dem Aufruf zum „Marsch für das Leben“. In Deutschland ist die Bewegung christlich-fundamentalistischer AbtreibungsgegnerInnen zwar seit den 1970er Jahren aktiv und in eigenen Strukturen organisiert, ihr Einfluss auf die Politik ist jedoch, anders als in Ländern wie den USA, Brasilien oder Kroatien, marginal. Dies darf nicht davon ablenken, dass die Bewegung auch in der BRD eine Nische stabil besetzt und bei allen Widersprüchen vom Auftrieb der AfD profitiert. Deren Bundesvorstand hatte sich gar selbst zum Teil der „Lebensschutz“-Bewegung erklärt und zur Teilnahme an den „ProLife“-Demos aufgerufen, erläutert Sanders. Allerorts nahmen AfD-RepräsentantInnen darunter Abgeordnete und andere FunktionärInnen der Partei in den vergangenen Jahren an den „ProLife“-Events teil, beobachtete Eike Sanders. Doch der „Marsch für das Leben“ sei nicht schon deshalb rechts, weil FunktionärInnen der AfD dort regelmäßig mitlaufen oder ein Einzelner mit White-Power-Zeichen provoziere. „Er ist rechts, weil die Inhalte der Bewegung antifeministisch, autoritär, christlich-fundamentalistisch und eben auch oft genug völkisch-rassistisch, homo- und transfeindlich oder holocaustrelativierend sind.“, so Sanders.
Im Jahr darauf, bewarb das Bistum Regensburg die Teilnahme am Münchner „Marsch für das Leben“, der im April 2024 stattfinden sollte. Die Münchner Demonstration wird vom Verein „Stimme der Stillen“ organisiert und richtet sich vorrangig gegen reproduktive Rechte, es werden aber auch andere Themenbereiche wie bspw. Sterbehilfe behandelt. Der Marsch konnte sich in den vergangenen Jahren in der deutschsprachigen „Lebensschutz“-Szene etablieren und stellt – neben denen in Berlin und Köln — eine von drei Großdemonstrationen der Bewegung in Deutschland. Noch einen Monat zuvor, im März 2024, hatte das französische Parlament entschieden, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in der Verfassung zu verankern. Im April 2024 erklärte eine Mehrheit der Abgeordneten im EU-Parlament ihre Absicht, Abtreibung zu einem Grundrecht erklären zu wollen und in Deutschland wurde zeitgleich im Bundestag die Schaffung von Schutzzonen rund um Klinken und Beratungsstellen diskutiert (Entwurf des Gesetzes gegen „Gehsteigbelästigungen“). In München zog dies in jenem Jahr rund 3.000 (statt der angestrebten 6.000) teilnehmende AnhängerInnen der „Lebensschutzbewegung“ auf die Straße – eine Steigerung der Teilnehmendenzahlen im Vergleich zu den Vorjahren, berichtet die firm (Fachinformationsstelle Rechtsextremismus in München).

Begleitet wurde die Veranstaltung von den Rednerinnen Birgit Kelle und Isabel Vaughan-Spruce. Der Regensburger Bischof Voderholzer hielt Abschlusswort. Bilder zeigen ihn mit
Weihbischof Thomas Maria Renz aus Rottenburg-Stuttgart und dem Augsburger Weihbischof Florian Wörner
bei der Veranstaltung. Die rechtskonservative Publizistin Kelle hatte im März ihr neues Buch zur Leihmutterschaft veröffentlicht, Vaughan-Spruce war zuvor in England zweimal wegen „Gehsteigbelästigung“ vor einer Abtreibungsklinik von der Polizei festgenommen, aber beide Male von den Gerichten freigesprochen worden – unterstützt wurde auch sie bei den Prozessen von der christlichen Lobbyorganisation „Alliance Defending Freedom“. Ziel der Münchner Veranstaltung soll sein, in erster Linie junge Menschen anzusprechen. Unter den teilnehmenden Initiativen fanden sich deshalb Anti-Choice-Vereine wie „ProLife Europe“ bzw. „Jugend für das Leben“ und die „Katholische Jugendbewegung“ (KJB) als Jugendorganisation der rechtsklerikalen Piusbruderschaft. Neu war 2024 die Beteiligung der extrem rechten, erzkatholischen Initiative „Tradition, Familie, Privateigentum“ sowie die Teilnahme der AfD-Abgeordneten Franz Schmid (auch „Junge Alternative“) und Jan Schiffers. Franz Schmid zeigte sich mit seiner erneuten Beteiligung am „Marsch für das Leben“ 2025 als inzwischen regelmäßiger Besucher von ProLife-Events. Ebenfalls dabei war in diesem Jahr der Münchner AfD-Funktionär und Aktivist der rechtsextremen „Identitären Bewegung Bayern“, Tim Schulz.
3. Die Fürstin Gloria von Thurn & Taxis und die Stiftung „Ja zum Leben“
Die enge Vernetzung und Verzahnung von christlich-fundamentalistischer bzw. konservativer, klerikaler und extremer Rechter, in welcher sich der Antifeminismus zuverlässig als verbindendes Element erweist, zeigt sich exemplarisch auch an der Regensburger Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. Die Fürstin nimmt in den Kreisen der AbtreibungsgegnerInnen eine ähnlich wichtige Rolle ein, wie Bischof Voderholzer. Im Jahr 2008 beispielsweise, sammelte von Thurn und Taxisbei einer Charity Aktion Geld für die „Stiftung Ja zum Leben” und ein Jahr später für die „Juristenvereinigung Lebensrecht” (JVL) – ein männerdominierter Club juristisch bewanderter Abtreibungsgegner. Thurn und Taxis engagiert sich seit über zwei Jahrzehnten als Teil der „Lebensschutz“-Bewegung gegen Abtreibung und spricht in dem Zusammenhang von einer „Kultur des Todes und des Tötens“. Als überzeugte Katholikin, so erklärte sie 2008 in der ARD-Sendung „Menschen bei Maischberger“, sei sie sowohl gegen die Pille als auch gegen Kondome. „Ich empfehle meiner Tochter, nicht die Pille zu nehmen. Die Pille ist eine Form der Abtreibung. Leben ist gottgewollt“, meinte sie. Einen Monat später verglich die Fürstin bei einem Pressegespräch in Willebadessen die Abtreibungspraxis in Deutschland mit der Judenverfolgung im Dritten Reich.
Die lokale Celebrity-Adelige bekennt sich offen zum konservativen Katholizismus und ist selber Mitglied des Stiftungsrates der „Lebensschutz“-Initiative „Stiftung Ja zum Leben“ sowie Kuratoriumsmitglied des konservativen Forums Deutscher Katholiken. Sie ist außerdem Präfektin der im Jahr 2006 von ihr, in Anlehnung an die Marianische Männer-Congregation Regensburg, initiierten Gebetsgruppe Marianische Frauencongregation „Mariä Verkündigung“ Regensburg (MFC). Auf deren Website war bis November 2012 das rechtsextreme und antisemitische Blog kreuz.net verlinkt, Berichte zeigen, dass hier schon im 2006 beim ersten Einkehrtag der Marianischen Frauenkongregation (MFC) auf Schloss Thurn und Taxis rund 120 BesucherInnen einem Vortrag zum Thema „Lebensschutz und die Stiftung Ja zum Leben“ zu lauschen. Die Referentin, Johanna Gräfin von Westphalen, die als „unerschrockene Kämpferin gegen die Abtreibung“ beworben wurde, sprach in ihrem „Plädoyer für das Leben“ jedem Menschen das Recht ab, zu entscheiden, ob ein anderer – und sei es ein Embryo – weiterleben dürfe oder nicht. Niemand habe ein „Verfügungsrecht über das Leben“, auch die nicht die Frauen, die an eine Abtreibung dächten, so von Westphalen. Die Gesetzgebung habe, so die Referentin, „furchtbare Unrechtszustände“ geschaffen und Beratungsscheine seien „Beihilfe zur Abtreibung“


„Lebensschutz ist ihr ein wichtiges Anliegen“, betont auch die Website der Fürstin und führt anschließend eine ganze Reihe von Auszeichnungen aus, die ihr Engagement ihr eingebracht haben sollen. Darunter den Malteser Ritterorden (2009), das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland (2006) und den Bayerischen Verdienstorden (2014). Im Jahr 2016 erhielt Gloria von Thurn und Taxis u.a. für ihr Engagement bei der Stiftung „Ja zum Leben“ die Bayerische Staatsmedaille für soziale Verdienste. Dass der Bayerischen Staatsregierung das Mitwirken in der Bewegung radikaler AbtreibungsgegnerInnen die Sozialmedaille wert ist, bezeichnete Dorothea Weniger, Vertreterin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Bündnis „Vielfalt statt Einfalt“ als „ein frauenpolitisches Fiasko“. Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen werde damit obsolet, kritisierte sie.


Dabei gab es eine Zeit, in der man hätte hoffen können, dass Gloria sich durchaus für das Progressive begeistern würde. Als Gloria von Thurn und Taxis im Jahr 1980 mit knapp zwanzig Jahren den fast vierzig Jahre älteren Fürst Johannes (*1926) und damit in die Regensburger Fürstenfamilie einheiratete, wurde sie durch ihr Party-Leben bekannt und stand als „Bayerns Gloria“, „Pop-Aristokratin“ oder „Jet-Set-Darling“ im Fokus der Boulevardmedien. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm Gloria ab 1990 das Management des Familienunternehmens und –vermögens. Die Mutter dreier Kinder residiert einen Teil des Jahres im Schloss Emmeram im Zentrum Regensburgs, den Rest der Zeit verbringt sie in Italien und Afrika. Doch während Gloria in den 1980er Jahren mit gewagten Frisuren und Outfits provozierte, sind es seit inzwischen über zwei Jahrzehnten ihre hochproblematischen, oft rassistischen, rechtskonservativen und antifeministischen Positionierungen und ihre Nähe zu extrem rechten Netzwerken, mit denen sie von sich reden macht.
So warnte sie 2015 davor, dass die Flüchtlingskrise in Deutschland eine „Art Krieg“ und der Vorbote „eines dritten Weltkriegs“ sei. Knapp zehn Jahr später wiederholte sie diese Haltung in der Sendung „Achtung, Reichelt!“ und bezeichnete Geflüchtete als „Invasoren“, die nach Europa gesteuert würden, um die Bevölkerung ethnisch zu „durchmischen“ und damit letztlich in ihrer Identität zu entkernen bzw. abzuschaffen. Auch ihre Begeisterung für US-Präsident Trump, den Kreml oder ihre Nähe zu AfD-Netzwerken zeigt sie immer wieder offen. Inzwischen scheint die Regensburger Fürstin vollends im Milieu der extremen Rechten angekommen zu sein, tritt beispielsweise immer wieder mit ihren führenden AkteurInnen der Szene auf und verbreitet deren Thesen öffentlichkeitswirksam.
Im Herbst 2016 ließ sie den umstrittenen Kardinal Gerhard Ludwig Müller sein damals neues Buch in ihrem Schloss vorstellen. Unter den rund 70 geladenen Gästen fanden sich u.a. Henryk M. Broder, Prälat Wilhelm Imkamp, der Bruder des emeritierten Papstes Benedikt XVI., Georg Ratzinger, und sowie Sven von Storch, der Mann von AfD-Politikerin Beatrix von Storch und Michael Klonovsky. Klonovsky war „publizistischer Berater“ der damaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry, später arbeitete er als persönlicher Referent des damaligen AfD-Bundestagsfraktionschefs Alexander Gauland. Ein knappes Jahr darauf, im Juni 2017, wurde Gloria von Thurn und Taxis Mitglied im Aufsichtsrat des Kreml-nahen Thinktanks Dialogue of Civilizations Research Institute.

Ebenfalls im Sommer 2017 relativierte sie, angesichts des Skandals um mindestens 547 Fälle von Kindesmisshandlung und -missbrauch bei den Regensburger Domspatzen, dass es sexuellen Missbrauch in jeder Schule und jedem Sportverein gebe und es ihn immer geben werde. Dies habe mit der Institution Kirche nichts zu tun. Folglich müsse sich Kardinal Gerhard Ludwig Müller (der seinerzeit noch als Regensburger Bischof das Oberhaupt des Bistums stellte) nicht entschuldigen, die Vorgänge seien weit vor seiner Zeit gewesen, zudem seien Schläge als Erziehungsmittel ein „ganz normales pädagogisches Mittel“.
Sehr wohl als eine „Form von Kindesmissbrauch“ hingegen, betrachtet die Fürstin die sogenannte Sexualpädagogik der Vielfalt. Dies erklärte sie im September 2018, als sie beim „Bus für Meinungsfreiheit“ in Regensburg auftrat. Die Bustour wurde maßgeblich aus dem Umfeld der AbtreibungsgegnerInnen (wie Hedwig von Beverfoerde, Vorsitzende des Vereins „Ehe-Familie-Leben“) und OrganisatorInnen der so genannten „Demo für alle“, heraus organisiert. Auf der Tour wurde sich gegen eine Sexualpädagogik der Vielfalt und gegen die Akzeptanz von homo- und transsexueller Identität in der Schule ausgesprochen. Vor Ort beim Stopp in Regensburg waren auch AfD-Vertreter, darunter die AfD-Politiker Benjamin Nolte und Thomas Deutscher, berichtete Regensburg Digital.
Ihre mehr als fragwürdigen Haltungen zu den Themen Kirche, Kinder und Kontrazeption dürfte von Thurn und Taxis außerdem beim Besuch des Weltfamilienkongresses in Verona im März 2019 vertreten haben. Dort fungierte sie als Sprecherin des Kongresses ultrakonservativer Christen, von dem sich sogar der Vatikan distanzierte. Der World Congress of Families (WCF) [Weltkongress der Familien] ist eine US-amerikanische Organisation, die ultra-christlich-konservative Werte international fördert und sich gegen Scheidung, gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibung ausspricht (Anti-Gender-Agenda) und rechten Politiker:innen und Aktivist:innen eine Plattform sowie Vernetzungsmöglichkeiten bietet. Auf dem Weltkongress der Familien (WCF) und dem European Congress of Families (ECF) traten beispielsweise neben Gloria von Thurn und Taxis bereits Matteo Salvini (Italien, stellv. Ministerpräsident), Viktor Mihály Orbán (Ungarn, Ministerpräsident), Maximilian Krah (AfD, Mitglied des Europäischen Parlaments), Beatrix von Storch (AfD, Mitglied des Bundestags), Hedwig von Beverfoerde (Aktivistin und Sprecherin der Initiative „Demo für Alle“) und viele weitere auf. Dem WCF wird in verschiedenen Ländern massiver politischer Einfluss zugeschrieben. So soll er an Anti-LGBTQ-Gesetzen in Nigeria, Uganda und Kenia mitgewirkt haben, Kooperation der spanischen Partnerorganisation CitizenGo mit der deutschen Anti-Gender-Bewegung „Demo für Alle“ gefördert und die Formulierung von Anti-LGBTQ-Gesetzen in Russland unterstützt haben.

Ein halbes Jahr nach dem WCF in Verona besuchte die Fürstin die USA und bekundete dort bei einer Veranstaltung: „Die einzigen beiden Menschen auf der Welt, die uns heute Klarheit geben, sind Donald Trump und [Kardinal] Gerhard Ludwig Müller“, denn Trump habe, so Thurn und Taxis, in den USA die Abtreibungsindustrie gestoppt. Beim Weltkongress der Familien XIV 2023 in Mexico City erklärte Gloria im Interview mit Brian Brown, Präsident der Internationalen Organisation für die Familie auf dessen Frage, ob in Europa angesichts dominierender Ideologien wie der Gender-Ideologie Familienpolitik wie z. B. in Ungarn noch tragfähig und nachhaltig seien:
„Nun, was ich sagen kann, ist, dass die Familie in Europa sehr, sehr stark angegriffen wird. Die Regierungen wollen nicht, dass man heiratet, und sie sind gegen Kinder. Man soll schwul sein oder man soll vielfältig sein in dem Sinne, dass man gar nichts hat.“ (ab Min 4:39).
Seit Ende 2022 tritt Fürstin Gloria regelmäßig als Kommentatorin und Interviewpartnerin im YouTube-Format des Ex-BILD-Chefredakteures Julian Reichelt („Achtung Reichelt!“) auf. Dort beliefert sie die Sendung des inzwischen endgültig nach Rechtsaußen abgedrifteten Journalisten zuverlässig mit homophoben, transfeindlichen, rassistischen und rechtskonservativen bis extrem rechten Ressentiments und Verschwörungserzählungen. Inhalte, die in ihren aktuellen Netzwerken offenbar zum guten Ton gehören. Wie diese Milieus aussehen, zeigte sich beispielhaft in den Sommern 2023 und 2024.
Im Juli 2023 richtete von Thurn und Taxis im Schloss St. Emmeram ein Spenden-Dinner zugunsten des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen aus, gegen den zum damaligen Zeitpunkt ein Parteiausschlussverfahren aus der CDU lief. Mit den eingegangenen Spenden sollte Maaßens juristische Gegenwehr finanziert werden. Teil der erlesenen Gästerunde des Spendendinners war auch Gernot Mörig, der im November desselben Jahres das „Potsdamer Treffen“ zur „Remigration“ mit dem Rechtsextremisten Martin Sellner organisierte. Auch andere Personen aus dem Umfeld der WerteUnion waren in Regensburg dabei, unter anderem Simone Baum als stellvertretende Bundesvorsitzende der WerteUnion, die später ebenfalls auf dem Potsdamer Treffen anwesend war, und der Chef der Potsdamer Villa Adlon, Wilhelm Wilderink (CDU). Obwohl Gloria von Thurn und Taxis für die Runde in Regensburg die Begrüßungsrede gehalten haben soll, behauptete sie nach dem Bekanntwerden des Events, keine Rechtsextremen zu kennen.
Diese Behauptung führte Gloria ein Jahr später mit der Einladung des rechtsextremen AfD-Abgeordneten Maximilian Krah als VIP zu den Thurn und Taxis Schlossfestspielen erneut ad absurdum. Nur wenige Monate danach trat Gloria von Thurn und Taxis in der „Sonntagsrunde mit Burkhard Müller-Ullrich“ (28.09.2024) der extrem rechten Plattform „Kontrafunk“ mit dem Philosophen Prof. Norbert Bolz und dem Aktivisten der rechtsextremen IB, Martin Sellner, auf, um „über den immer groteskeren Einsatz der Staatsgewalt gegen die Meinungs- und Redefreiheit“ zu diskutieren. Mit letzterem verbindet die Fürstin mindestens der erzkatholische Glaube.
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