Das Label „GemeinsamZukunft Regensburg“ dient der verschwörungsideologischen Szene in Regensburg als Werbe- und Informationsplattform außerhalb von Telegram. Vor allem auf Facebook und Instagram wird für die sogenannten „Montagsspaziergänge“ und die Samstagsdemonstrationen geworben. Ihren Ursprung hat „GemeinsamZukunft Regensburg“ allerdings weniger in der verschwörungsideologischen Telegram-Blase, als vielmehr in der bürgerlichen Wirtschaftsfraktion. Rita Henke und Andreas Brandl, die hinter dem Label stehen, sind aber mittlerweile seit vielen Monaten fester Bestandteil der regionalen verschwörungsideologischen Szene.
Die Anfänge von „GemeinsamZukunft Regensburg“
Das Label „GemeinsamZukunft Regensburg“ ist ein regionaler Ableger des Zusammenschlusses „Gemeinsam Zukunft“, der als „Bürgerinnen & Bürger, Unternehmer, Selbstständige, Angestellte aus allen Branchen, […] GEMEINSAM[e] Öffnungen & Perspektive JETZT fordern!“ Es soll „für sinnvolle, wirksame, nachvollziehbare, gerechte Maßnahmen!“ auf die Straße gegangen werden. Ein bayerischer Aktionstag im April 2021 forderte ein schnelles Ende des Lockdowns.
In Regensburg gründete sich deshalb unter der Leitung von Andreas Brandl und Rita Henke, beide Sprecher:innen der „Arbeitsgemeinschaft Donaustaufer Gewerbetreibende“, das Label „GemeinsamZukunft Regensburg“. Auf zwei Kundgebungen im Frühjahr 2021 forderten sie: „Lasst uns öffnen!“. Der Primat der Wirtschaft schien dermaßen überzeugend, dass neben Henke und Brandl diverse Politiker:innen auftraten und dem besorgten Mittelstand nach dem Mund redeten: MdB Peter Aumer (CSU), MdB Ulrich Lechte (FDP), MdB Stefan Schmidt (Grüne), Landrätin Tanja Schweiger (Freie Wähler), Jürgen Sommer (SPD-Bürgermeister) machten sich mit den ignorante Forderungen der Veranstalter:innen gemein.
Rita Henke Andreas Brandl
Eine Abgrenzung nur auf dem Papier
Neben einigen pandemieverharmlosenden Aussagen der genannten Redner:innen durfte auf der Kundgebung im April 2021 auch der Pelzhändler Marcus Müller auftreten. Dieser nahm an der von der verschwörungsideologischen Bewegung ausgerufenem „Lockdownbruch“ im Januar 2021 als einziges Geschäft in Regensburg teil. Einziger Kunde an dem Tag war Martin Hoff, zu dieser Zeit schon aktiver Teil der Verschwörungsszene. Für diese Aktion wurde Müller von Brandl auf der „Lasst uns öffnen“-Kundgebung ausdrücklich gelobt.
Dennoch distanzierten sich die Veranstalter:innen rund um den Zusammenschluss „GemeinsamZukunft“ offiziell von „Coronaleugnern, Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen“. Auf der Regensburger Kundgebung war davon aber weniger zu sehen. Im überschaubaren Publikum befanden sich Akteur:innen der rechten verschwörungsideologischen Szene wie Irmgard Haindl und Stefan Schiller von der Partei „dieBasis“.
Angekommen in der Szene
Im Sommer 2021 schien das Abgrenzungsbedürfnis für Henke und Brandl dann überhaupt nicht mehr zu gelten. Für die (damals noch kleinen) „Montagsspaziergänge“ mit anschließendem Parolenmalen am Neupfarrplatz warb der Zusammenschluss auf Facebook und Instagram mit “Wir werden immer mehr – bis nächste Woche“ und einer Verlinkung auf den Blog des kürzlich an Corona verstorbenen verschwörungsideologischen Aktivisten Otmar Spirk. Jede Woche werden seither Bilder und teilweise Aufrufe für „Spaziergänge“ und Demonstrationen der Szene gepostet. Auch das Volksbegehren „Landtag abberufen“ wurde auf der Facebookseite von „GemeinsamZukunft Regensburg“ beworben.
Henke wirbt nicht nur, sondern sie gestalte auch die unangemeldeten Versammlungen mit, indem sie größere Buttons mit politischen Aussagen (u.A. „keine Impfarpartheid“) für die „Spaziergänger:innen“ herstellte, um die Außendarstellung zu verbessern. Auch an strategischen Debatten darüber, ob der „Spaziergang“ Montags oder an einem anderen Tag stattfinden soll, beteiligte sie sich.
Doch nicht nur auf der Straße vernetzten Henke und Brandl sich. Auch in den verschwörungsideologischen Telegramgruppen (u. a. bei „Eltern stehen auf“ und „Regensburg steht auf“) sind beide aktiv. Henke nahm auch am Stammtisch der Partei dieBasis, eine der hauptsächlichen nicht-digitalen Anlaufstellen der Szene im Sommer und Herbst 2021, teil. Außerdem verzeichnete sie ihr Reisebüro in Donaustauf bei „animap“, einer Art Branchenverzeichnis für Impfverweigerer. Auf der Seite hieß es bis vor einigen Monaten noch, alle verzeichneten Unternehmen würden sich dazuverpflichten, keine Zertifikatskontrolle durchzuführen.
Bürgerliches Aushängeschild, Werbeplattform und Sprachrohr
Das Label „GemeinsamZukunft Regensburg“ und die damit verbundenen Web 2.0 Kanäle erfüllen mehre Funktionen. Zum einen sollen sie Bewegungsevents außerhalb der eigenen (Telegram-)Blase bekannter machen. Dass Henke dabei mittleweile im verschwörungsideologischen Dukturs von den „Aufgewachten“ spricht, verwundert nicht.
Unkritisch wird hier über alle Versammlungen der letzten Monate „berichtet“, egal ob es sich um Versammlungen vom rechten Aktivisten Helmut Bauer oder um die unangemeldeten „Spaziergänge“ handelt. Beim Autokorso, bei dem ein Teilnehmer am Dachauplatz das RechtsRock-Lied der neonazistischen Band „Zillertaler Virenjäger“, indem es um den „satanistisch-kabbalistische[n] Plan“ geht, abspielte, fuhr Henke selbst mit. Danach schrieb sie: „Songs für #Frieden und #Freiheit, Sonnenschein, Hupkonzert und viele Daumen hoch am Straßenrand haben den Autokorso begleitet“. Auch NS-relativierende Schilder scheinen für Henke und Brandl kein Problem darzustellen, ein entsprechendes Bild versahen sie mit einem Like.
Die Erlebnisberichte auf der Facebookseite „GemeinsamZukunft Regensburg“ erhalten dabei in der Regel Likes im oberen zweistelligen Bereich. Oft werden die Beiträge zudem von der Partei dieBasis sowie dem AfD-Kreisverband geteilt – auch dies für Henke und Brandl scheinbar kein Problem.
Vor allem Henkes Bekanntheitsgrad (sie leitet neben dem Reisebüro auch die Touristeninformation in Donaustauf) ermöglicht ihr den Auftritt als bürgerliches Aushängeschild der Bewegung. Teilweise werden Beiträge auf der Seite von Kathrin Fuchshuber (CSU-Stadträtin) und Silvia Schmidt (Herausgeberin des Magazin Aktiv & Gesund) geliket.
Gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung (MZ) traten Henke und Brandl zuletzt sogar namentlich als Sprachrohr einer unangemeldeten montäglichen Demonstrationen auf. Wer sie organisiert, wüssten sie aber angeblich nicht – eine dreiste Lüge angesichts der Tatsache, dass beide in die Szene eingebunden sind. Anstatt solche Aussagen zu hinterfragen, scheint die MZ froh zu sein, neben dem Ehepaar Jörg und Verena Brunschweiger (ersterer dieBasis-Vorstand) weitere öffentlich vorzeigbare, d. h. nicht genuin rechte, „Maßnahmenkritiker“ für Interviews gefunden zu haben. Kürzlich durfte Henke der MZ zudem erklären, wie man in Zeiten von Omikron am besten Urlaub macht.
Fazit
Das „GemeinsamZukunft Regensburg“ nichts anderes als Corona-Verharmloser light sind, zeigte sich schon früh. Unter dem Primat der Wirtschaft wurde dort die Gefährlichkeit des Virus geleugnet; statt Forderungen nach stattlicher Unterstützung für Selbstständige, wollte man auf Kosten des Gesundheitschutzes, des Gesunheitssektors mit seiner Mitarbeiter:innen eine „Normalität“ erzwingen.
Aufgrund der fehlenden Mobilisierungskraft ihres Projekts wandten sich Henke und Brandl der verschwörungsideologischen Szene zu und durchliefen dort wohl auch einen Radikalisierungsprozess. Über Monate haben sich Brandl und vor allem Henke der verschwörungsideologischen Szene angenähert, bewegen sich in diesen Zusammenhängen und sind Mitglieder in Chats, in denen Verschwörungsmythen verbreitet, rechte Narrative bedient und Feindbilder geschärft werden.
Bezeichend an dieser Geschichte ist vor allem, wie stark der wirtschaftsnahe Flügel der Verschwörungsszene auf Begeisterung bei Politik und Öffentlichkeit stößt und einer „Protestbewegung“, bei der AfD und III. Weg mitlaufen, das bürgerliche Image gibt, das sie so gerne hätte. Das Label „GemeinsamZukunft Regensburg“ erfüllt so doch noch seinen Zweck.