Der Regensburger AfD-Vorsitzende Dieter Arnold prahlt mit seinem Landtagsmandat und installiert mit Carina Schießl eine junge radikale Frau als Bundestagskandidatin für 2025, Erhard Brucker wird endgültig aus dem Kreisverband gemobbt und findet Zuflucht in Passau.
Eine alter Spaltungskampf wird entschieden…
Im Dezember 2022 kündigte Dieter Arnold bei einer seiner regelmäßigen Wahlkampfveranstaltungen in Neutraubling und Regenstauf an: „Nächstes Jahr ist Landtagswahl und ich sag’s ihnen gleich, ich werde kandidieren für’n Landtag (…) Nach meiner ersten Rede im Maximilianeum wird mich jeder von denen Parasiten in ganz Deutschland kennen, das dürft ihr mir glauben!“. In den Landtag zog er tatsächlich ein, die angekündigte Krawall-Rede blieb aber aus – genau so wie die ebenfalls für das Folgejahr angekündigten Energie- und Krisenproteste. (Mehr zum „heißen Herbst“ 2022)
Kreisvorsitzender der Regensburger AfD ist Arnold bis heute. Schon 2017 bis 2018 hatte er diesen Posten inne, während dieser Zeit agitierte die AfD vor allem gegen einen Moscheebau im Regensburger Stadtosten und wählte den Faschisten Benjamin Nolte zum AfD-Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2018 (Mehr zu Arnold und der AfD 2018). Seit seiner Wiederwahl 2021 führt er den AfD KV Regensburg nun schon in der dritten Amtszeit.
Abgelöst wurde er von 2019 bis 2021 durch Erhard Brucker. Zwischen Arnold und Brucker tobt schon seit Jahren ein Kampf um die Spitze des Kreisverbandes. Um Inhalte ging es dabei weniger, viel mehr handelte es sich um einen Machtkampf und die Frage, wer mehr Mitglieder auf sich vereinen kann. Bis 2023 war der AfD-Stadtrat und gerichtsfeste Alkoholiker Brucker noch Arnolds Stellvertreter. Mittlerweile hat Arnold den Kampf für sich entschieden.
…neues Personal akquiriert…
Das liegt nicht zuletzt an der treuen Gefolgschaft, die Arnold für sich einzusetzen weiß. Als erstes zu nennen ist hier Georg Bäumel (Obertraubling), seit vielen Jahren Teil des AfD-Vorstandes und Arnolds Nummer Zwei. Er übernimmt meist organisatorische Aufgaben wie die Anmeldung und Moderation von Kundgebungen oder Raumbuchungen.
Mit seiner vermeintlichen Expertise als ehemaliger Soldat spricht Bäumel häufig über außen- und verteidigungspolitische Themen. Dabei teilt er die Russlands Aggression verharmlosende und insgesamt isolationistische Linie der AfD und schlägt immer wieder verschwörungsideologische Töne an.
Am 21. Januar 2023 ziterte er beispielsweise aus „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ des US-Politikwissenschaftlers Zbigniew Brzeziński, einem in der verschwörungsideologischen Szene gern rezipiertem Buch, das unter anderem im Kopp-Verlag erscheint: „Der Umsturz in der Ukraine wurde aber seit Jahren vom Westen vorbereitet und mit Milliarden US-Dollar fnanziert, wie zuvor schon in anderen Staaten.“ Als Beleg führte er die antisemitische Chiffre des „umstrittenen amerikanischen Milliardärs George Soros“ an.
Noch mehr Präsenz als Bäumel erhält im Regensburger Kreisverband aktuell – online wie offline – die Mitte dreißigjährige Carina Schießl. Bereits im Landtagswahlkampf 2023 war sie durchgehend an Arnolds Seite, trat als Kandidatin für das (aussichtslose) Direktmandat Regensburg-Stadt an, während Arnold als Direktkandidat für Regensburg-Land und schließlich über die Landesliste tatsächlich in den Landtag einzog. Damals drängte sich der Verdacht auf, Arnold habe in Schießl nur junges, weibliches Beiwerk für eine ansonsten überwiegend alt und männlich dominierte extrem rechte Partei gefunden, denn Schießl trat kaum mit eigenen Inhalten in die Öffentlichkeit, verlas lediglich Auflagenbescheide und lächelte von inhaltsleeren Plakaten im Stadtgebiet.
Das hat sich mittlerweile geändert. Seit einigen Monaten arbeitet Schießl daran, sich ein Image aufzubauen und ein politisches Profil zu entwickeln. Sie verbreitet eigene Sharepics in den sozialen Medien, häufig mit instrumentellem Bezug auf Frauen und die angeblich mangelnde Sicherheit vor Gewalt durch Migrant*innen. Ihr kaum verstecktes Anliegen ist dabei die rassistische Diffamierung von allen, die nicht in ein völkisches Bild von „Deutschen“ passen. Diese rassistische Grundhaltung kommt neuerdings auch in ihren Reden zum Ausdruck:
„Unsere Heimat verkommt immer mehr. Vor einigen Tagen war ich zu Fuß in München unterwegs, in unserer bayerischen Landeshauptstadt. Meine Lieben, manchmal musste ich mir das schon noch mal vor Augen führen, dass ich gerade in München unterwegs bin. In den Parks, bei den Springbrunnen, auf den Grünflächen, größtenteils Menschen aus dem arabischen und afrikanischen Kulturkreis. Ich fühlte mich wieder einmal fremd im eigenen Land. Ich fühlte mich unwohl. Ich machte einen großen Bogen um die Parks. Die deutsche Sprache war selten zu hören. Ein Heimatgefühl, ein Gefühl von Sicherheit – Fehlanzeige.“
– Carina Schießl am 26.10.24 in Regenstauf
Kürzlich wurde Schießl – mutmaßlich nicht zuletzt wegen solcher extrem rechter Positionierungen – zur Regensburger Direktkandidatin für die Bundestagswahl gewählt. Wohl schon im beginnenden Wahlkampfmodus tritt Schießl nun häufiger als Rednerin auf. Rhetorisch verfolgt sie eine gegenteilige Strategie zu Arnold: Während der alte Mann regelmäßig mit Stammtisch-Geschichten, in tiefbayerischem Dialekt und gerne mal mit Beleidigungen und derber Sprache über den politischen Gegner, Migrant*innen, Asylbewerber*innen und „die Jugend“ herzieht, gibt sich Schießl als besonnene, aber zielstrebige junge Frau. Inhaltlich aber vertritt sie ganz klar das extrem rechte Weltbild à la Identitäre Bewegung:
„Und es ist dann an der Zeit, dass wir die Weichen für eine Zukunft stellen, in der wir unsere Identität, unsere Werte bewahren für uns, für unsere Kinder und für kommende Generationen. Denn nur dann wird Deutschland wieder das Land sein, das es immer war. Stark, stolz und frei. Deshalb muss unsere Antwort auf die katastrophale Politik der Kartellparteien heißen, Grenzen dicht und millionenfache Remigration.“
– Carina Schießl am 26.10.24 in Regenstauf
Stilistisch bedienen ihre Reden faschistische Endzeitfantasien bis hin zu NS-Vokabular:
„Meine Lieben, wir stehen vor einer Wahl. Entweder wir nehmen den Weg in der weiteren Kapitulation vor den Kräften der Zersetzung und Zerstörung oder wir entscheiden uns ohne Mut den Weg der Veränderung. Remigration ist kein radikales Konzept, sondern ein notwendiger Schritt, um den Frieden, die Sicherheit und die Zukunft Deutschlands zu bewahren. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass unsere Städte wieder sicherer werden und dass unsere Kinder wieder in Schulen lernen können, in denen die deutsche Sprache, unsere Traditionen und unsere Kultur im Mittelpunkt stehen. Deutschland, unser Zuhause, unsere Heimat. Hier liegen unsere Wurzeln. Hier stand die Wiege unserer Ahnen. Deshalb ist es unsere Pflicht, dass wir uns für unser Deutschland einsetzen. Deshalb, meine lieben Freunde, gibt es nur noch eine Alternative. Die Alternative für Deutschland.“
– Carina Schießl am 12.20.24 in Neutraubling
Dass Schießls Reden so stark an Positionen und Rhetorik der Identitären Bewegung erinnern, ist kein Zufall. Dank ihrer guten Kontakte zu Arnold ist sie mittlerweile nicht nur innerhalb der Regensburger AfD, sondern in der extremen Rechten bundesweit vernetzt. Im Sommer dieses Jahres nahm Schießl an einer „Jugendfahrt ins politische Berlin“ für alle „politisch aufgeschlossenen und motivierten junge Leute von 14-35 Jahren“ des AfD-MdB Rainer Rothfuß teil – gemeinsam mit mehreren bayerischen Aktivist:innen der Identitären Bewegung, darunter die zentralen IB-Akteur:innen aus Oberbayern und Schwabenunter andrem Anni Hünnecke und Robin Mengele. Das offensichtliche Ziel der Reise: die Inszenierung von jungen Aktivist:innen als „Posterboys und –girls“ der extremen Rechten und die Vernetzung von Partei und Vorfeld. (Mehr zur Berlin-Fahrt) In Schießls Fall scheint das mehr als gut funktioniert zu haben. Aus der farblosen Wahllistenplatzhalterin wurde seit dem Besuch eine der radikalsten Scharfmacherinnen des Verbands.
… und altes entsorgt
Da Arnold mittlerweile alle relevanten Positionen innerhalb der Regensburger AfD erfolgreich mit Personen aus seinem Lager besetzt hat, scheint auch Erhard Brucker seine Niederlage einzusehen. Für die kommende Bundestagswahl ließ sich der Regensburger Stadtrat als Direktkandidat zur Bundestagswahl 2025 aufstellen – und zwar im niederbayerischen Passau.
Sein politischer Werdegang ist eng an den Münchner extrem rechten und vorbestraften Aktivisten Michael Stürzenberger geknüpft, an dessen diversen politischen Projekten sich Brucker in der Vergangenheit beteiligte. So war er Teil des Bundesvorstandes der extrem rechten Splitterpartei „Die Freiheit“, Aktivist bei der sich als islamkritisch gebenden „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) und Redner bei diversen Kundgebungen der bayerischen PEGIDA-Ableger in München und Nürnberg. 2019 trat er schließlich in die AfD ein und erhielt außerdem einen Posten im bayerischen Landesvorstand. Bei der Kommunalwahl 2020 wurde Brucker für die AfD in den Regensburger Stadtrat gewählt. Wie nah Brucker seinem extrem rechten Weggefährten Stürzenberger nach wie vor steht, inszenierte er erst dieses Jahr mit einem Video seines Krankenhausbesuchs.
Brucker gibt sich als großer Islam-Kritiker. Tatsächlich verbreitet er Rassismus und Misogynie (besonders gegen migrantische Frauen), hetzt gegen „überall kinderwagenschiebende Kopftuchweiber“ oder komplett entmentschlicht „kinderwagenschiebende Kopftücher“, „die gebährfreudigen Töchter Allahs“ und einen „Geburtenjihad“. Antisemitismus schreibt er ebenfalls ausschließlich muslimischen Migrant*innen zu und behauptete 2018, ein gutes Jahr bevor ein rechtsterroristischer Attentäter die Synagoge in Halle angriff, sogar bei PEGIDA in Nürnberg: „Als ob es noch irgendeinen deutschen Antisemiten geben würde. Da gibt’s wirklich keinen mehr!“ Wie falsch seine Behauptung ist, hat Brucker im November 2023 selbst bewiesen, als er der Vorsitzenden der Regensburger jüdischen Gemeinde (selbst keine israelische Staatsbürgerin) bescheinigte, „dass Sie einen sehr guten Ministerpräsidenten Netanjahu haben der wirklich hinter seinem Volk steht und auch hart durchgreift“. (Mehr zu Brucker)
In Passau scheint sich Brucker, ehemals Mitglied der Regensburger Burschenschaft Ostmark Breslau, mit seiner rassistischen Agitation schnell Freunde gemacht zu haben – ungewöhnlich für den innerhalb der bayerischen AfD bei vielen verhassten Brucker, der parteiinternen Kritikern schon mal mit Prügel drohen soll. Gemeinsam mit dem dortigen AfD-MdL Ralf Stadler inszenierte er kürzlich ein Treffen mit dem parteilosen Bürgermeister von Bad Griesbach. Dieser weigert sich beharrlich, 30 ukrainische Geflüchtete aufzunehmen und nimmt die medienwirksame Unterstützung der AfD in diesem Kampf dankend an. Die AfD wiederum erhält mit ihrer Agitation gegen Geflüchtete eine Eintrittskarte in die Lokalpolitik. Was das Einreißen der vielbeschworenen „Brandmauer“ betrifft, war diese Aktion vermutlich verheerender als Bruckers gesamte Tätigkeit im Regensburger Stadtrat.
Fazit
Dieter Arnold sitzt bei der Regensburger AfD fest im Sattel. Aktuell wirbt diese massiv neue Mitglieder. Mit der aktuell laufenden „Herbstoffensive“und Flyeraktionen im Landkreis soll der Kreisverband zum mitgliederstärksten Bayerns werden. Ob die Personalie Schießl dem AfD Kreisverband die angestrebte Zahl an Neumitgliedern bescheren wird, muss sich zeigen. Die Kundgebungen diesen Herbst waren mit 50-60 Personen kaum besser besucht als die vergangenen.
Mit seinem Abzug nach Passau versucht Brucker einen Neuanfang in einem AfD-Kreisverband, in dem er sich noch nicht vollkommen ins Aus geschossen hat. Klappt seine Einbeziehung, könnte er sowohl lokalpolitischen Einfluss als im äußersten Falle auch ein Bundestagsmandat ergattern. Allerdings ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass die Harmonie zwischen Brucker und der Passauer AfD nicht von langer Dauer ist. Wie erfolgreich die Wahlkampf-Phase für Brucker in Passau verläuft, hängt nicht zuletzt von Antifas und der Zivilgesellschaft im ländlich geprägten Niederbayern ab.
Das Gesicht der Regensburger AfD in den nächsten Monaten und im Bundestagswahlkampf wird jedenfalls Carina Schießl sein. Ihre Chancen auf ein Bundestagsmandat 2025 sind noch nicht abzuschätzen, denn die Listenaufstellung steht noch aus. Ihre Strategie ist aber bereits klar: Extrem rechte Inhalte in harmlosem Gewand. Man darf befürchten, dass dies zumindest gegenüber lokalen Medien aufgehen könnte, denn schon im Landtagswahlkampf war sich die Mittelbayerische Zeitung nicht zu schade, ein Interview mit der vermeintlich unverfänglichen AfD-Kandidatin zu veröffentlichen, die nun lauthalts „Remigration“ fordert.