Gemeinsam für unsere Zukunft“ – die verschwörungsideologische Resterampe

„Gemeinsam für unsere Zukunft“ (GfuZ) nennt sich ein neuer verschwörungsieologischer Zusammenschluss in Regensburg. Der Name erinnert nicht zufällig an Gemeinsam in Regensburg, die 2021 und 2022 teils sehr große Corona-Proteste auf die Straße brachten, und an „Gemeinsam Zukunft Regensburg, der 2021 gestartete Kampagne von Regensburger Unternehmer:innen gegen Corona-Beschränkungen. Denn tatsächlich ist GfuZ genau das hilf- und lieblose Neuarrangement, nach dem es klingt. Die Gruppe setzt sich zusammen aus Akteur:innen, die von GiR, dieBasis, der Werteunion/CSU und weiteren Versuchen rechter Sammlungsbewegungen bekannt sind.

Vergangenen Herbst konnte „Gemeinsam in Regensburg“ (GiR) immerhin noch 200-300 Anhänger:innen in der Altstadt versammeln. Sich unter dem Motto „Wer kann sich das noch leisten?“ als Stimme zu Inflation und Energiekrise zu positionieren, gelang aber nicht. Auch wegen interner Streitigkeiten verabschiedete sich GiR im Winter 2022 als Protestakteur. Martin Breu, zuletzt das Gesicht der Gruppe, betätige sich dann beim AfD-geführten „Regenstauf und Neutraubling stehen auf“-Protest. Aber auch die AfDler rund um Dieter Arnold konnte den „heißen Herbst“ nicht herbeireden und gaben die kläglichen Donnerstagsversammlungen Anfang März 2023 still und heimlich auf.

Die verschwörungsideologische Szene in Regensburg ist damit aber leider noch nicht am Ende. Neben einigen wenigen montäglichen „Spaziergängern“ (darunter Jörg Brunschweiger und Gisela Schreiber) ist vor allem die verschwörungsideologische Partei „Die Basis“ aktiv. Überregional tritt zudem die „Regensburger Trommelgruppe“ auf rechten und verschwörungsideologischen Kundgebungen auf. Ein aktionistische Gruppe jedoch fehlte die letzten Monate. Ende März wurde dann bekanntgegeben: „Wir sind wieder da!“, das heißt: GiR stellt sich als GfuZ neu auf.

Neuer Zusammenschluss – alte Bekannte …

 

Aus der alten Orgagruppe von GiR bleibt GfuZ der bereits erwähnte Martin Breu (Wiesent, Lkr. Regensburg) erhalten. Er hatte ab Mitte 2022 Florian Kuttner als Gesicht der verschwörungsideologischen Gruppierung abgelöst und trat ab dann als Anmelder, Moderator und Redner bei Demonstrationen auf. Am Anfang agitierte die Gruppe vor allem gegen Corona-Impfungen und stellte sich – teilweise leider erfolgreich – als Ansprechpartnerin zum Thema Impfpflicht und als Stimme der Pflegekräfte dar. Extrem rechte RednerInnen wie Peter Ganz oder der Musiker Esteban Cortez wechselten sich mit angeblichen Sorgen harmloser Pflegekräfte ab . Breu selbst war auch überregional als Redner tätig, unter anderem bei den extrem rechten Protesten in Schwandorf unter der Leitung des AfDlers Reinhard Mixl.

Aktiv bei GfuZ ist auch die Regensburger „Heilpraktikerin, Masseurin und medizinische Bademeisterin“ Kristina Wolff. Organisatorisch ist sie eingebunden in die Partei „Die Basis“, im Regensburger Vorstand ist sie stellvertretende „Schwarmbeauftragte“ und schon länger in der Corona-Protestszene aktiv. Die 57-Jährige betreibt eine eigene Praxis für „Naturheilkunde und Heilenergie“ im Westflügel des Regensburger Hauptbahnhofes. Online wirbt sie für ihre „heilenden Hände“ und „übersinnlichen Fähigkeiten“ und bietet Behandlungen mit „Engelsessenzen, Edelsteinen und ätherischen Ölen“ an. Auch ein durch Corona-Impfungen „kaputtgespritztes“ Immunsystem will sie behandeln. Sie hält Vorträge im Regensburger Umland, z. B. am 13. April 2023 in Barbing zum Thema „Krank nach Impfung“, aber auch bundesweit, z. B. beim Symposium des verschwörungsideologischen Vereins „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie, e.V.“ (MWGFD) mit Sitz in Passau.

… und ein rechter Netzwerker

Der Dritte im Bunde der neuen Organisation ist Jörg Uhlig aus Lappersdorf (Lkr. Regensburg). Er ist stellvertretender Ortsvorsitzender der CSU Kareth und seit 30 Jahren in der Partei. 2019 kandierte er zudem für das Amt des Bürgermeisters in Lappersdorf. Uhlig ist durch und durch in das soziale Leben in Lappersdorf eingebunden, er ist Mitglied im Vorstand der Kolpingsfamilie Lappersdorf und des Obst- und Gartenbauverein Kareth.

Interesse an rechten (Sammel-)Projekten hat auch er schon seit längerem. Im April 2021 trat Uhlig bei der Gründung des Oberpflälzer Bezirksverbands der Liberal-Konservative Reformer (LKR), der frühen AfD-Abspaltung unter Bernd Lucke, auf. Dort stellte er den Verein „BFA – Bürgerlich Freiheitlicher Aufbruch e. V.“ vor, den er u. a. zusammen mit Klaus Dageförde (ehemalig neonazistische Kameradschaftsszene; Werteunion) Anfang 2021 gegründet hatte. Aus dem Umfeld des Vereins ging auch die Rechtsaußenpartei „Bündnis Deutschland“ hervor. Im Februar 2023 gründete sich dessen bayerischer Landesverband in einer Gaststätte in Regensburg. Auch gegenüber anderen extrem rechten Parteien und ihren AkteurInnen hat Uhlig kein Abgrenzungsbedürfnis. In den sozialen Medien ist er zum Beispiel mit Christian Paulwitz (ehemals Vorstand der Oberpfälzer AfD) befreundet. Da wundert es nicht, dass auch er Gespräche mit den regionalen AfDlern bei den Coronaprotesten gesucht hatte.

Auch in der verschwörungsideologischen Szene ist Uhlig ist nicht erst seit gestern aktiv. Als Teilnehmer war er zum Beispiel bei der rechten Querdenken-Kundgebung im November 2020 am Dultplatz. Trotz der Anwesenheit von Rechten vor und auf der Bühne hielt Uhlig den Protest für „100% Nazifrei“. Doch Uhlig beließ es nicht nur bei Demonstrationsbesuchen und Verschwörungserzählungen in Social Media, er tritt seit 2022 auch als Akteur auf. Im Mai 2022 sammelte er bundesweit Spenden für Sucharit Bakhdi, Koriphäe der Corona-Verharmloser und laut Uhlig „ein absoluter medizinischer und wissenschaftlicher Kompass“. Anlass für die Solidaritätskampagne war eine Anklage gegen Bakhdi wegen Volksverhetzung. Er hatte wiederholt sowohl antisemitische als auch NS-relativierende Aussagen getroffen.

Ende 2022 trat Uhlig dann öffentlich als Teil von „Gemeinsam in Regensburg“ auf und hielt mehrere Reden. Diese waren mit rechten Narrativen, etwa der Verharmlosung von rechten Terror, die Ablehnung der „Systemmedien“ und antisemitischen Stereotypen (Bezug auf „Globalisten“) versehen.

Whats new?

GfuZ will vor allem Vortragsabende veranstalten. Den Anfang machte Jörg Uhlig mit einem Vortrag „Warum wachen die Menschen nicht endlich auf? Obrigkeitshörigkeit erklärt durch die Evolution des Sozialverhaltens“ am 30. März. Vor – nach Eigenaussage – über 60 Gästen erklärte er unter anderem die „Hierarchie-Pyramide“ aus einer „Obrigkeit“, den „Blockwarten“ und dem „aktiven Widerstand“, zu dem er neben Robin Hood auch Thilo Sarrazin zählt. Bei der Veranstaltung lagen unter anderem Flyer des MWGFD und des österreichischen extrem rechten Senders AUF1 aus.

Als nächstes angekündigt waren ein Vortrag von Wolff am am 13. April sowie ein weiterer am 19. April, beide in Barbing (Lkr. Regensburg). Florian Klingseisen, Referent am 19. April, ist unter anderem für die verschwörungsideologische und Reichsbürger-nahe „Gemeinwohllobby“ aktiv und verbreitet auf Social Media rechte Inhalte von AUF1 und RT Deutsch. Als Experten zum Thema „Krypro-Währung und die dahinterliegende Technologie“ qualifiziert ihn wohl sein aufdringliches Werben für das Kyprowährungssystem Trillant in verschiedenen Sozialen Medien, das „mehr Unabhängigkeit und Selbstbestimmung“ versprechen soll. Augenscheinlich handelt es sich bei Trillant um ein unseriöses Schneeballsystem. (1)

Obwohl also in Regensburg-spezifischen Telegram-Gruppen weiter täglich Fake News und Verschwörungsideologien verbreitet werden und obwohl ein harter Kern von 10 bis 15 Leuten nach wie vor jeden Montag durch die Altstadt spaziert, sind die Zeiten für die ehemaligen Corona-Protestler_innen nicht gerade rosig. Zum 1. Januar wurde die einrichtungsbezogene Impfpflicht aufgehoben, die letzten pandemiebedingten Beschränkungen laufen gerade aus, selbst die Corona-App geht in den Schlafmodus. Massen sind für das Milieu aktuell nicht auf die Straße zu bringen. Statt auf Demonstrationen setzt GfuZ daher auf Vorträge und Vernetzung, um den radikalisierten Kern der Verschwörungsszene weiter bei der Stange zu halten.

 

anita f. // Mai 2023