Offener Brief: Kritik an Werner Patzelt an der UR

Dieses Sommersemester veranstaltet die Fachschaft Politikwissenschaft der Universität Regensburg eine Vortragsreihe mit dem Titel „Gewalt & Politik“, in deren Rahmen ein Vortrag von Werner Patzelt mit dem Titel „Für Radikalität, gegen Gewalt! Vom Wert der pluralistischen Demokratie“ stattfinden wird.Der zunächst interessant klingende Vortrag hat jedoch einen Haken: den Referenten.

 Werner Patzelt ist Professor für Politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden. Seit Beginn der rechten Bewegung PEGIDA beschäftigt er sich mit ihr und führte bislang vier Umfragen auf den montäglichen Demonstrationen durch. Anstatt seiner Position durch eine wissenschaftliche Analyse gerecht zu werden, ergreift er regelmäßig Partei für die Rechtspopulist*innen.
In einem Interview mit der neurechten Zeitung „Jungen Freiheit“ kritisiert Patzelt den Umgang mit den „PEGIDA-Demonstranten“ und plädiert stets dafür, mehr Verständnis für ihre Nöte aufzubringen. (1) Dadurch bestärkt er die Demonstrant*innen von PEGIDA in ihren menschenverachtenden Positionen und fördert Gewalt. Er selbst sieht keinerlei Ansatzpunkte, weshalb PEGIDA undemokratisch sein sollte. Die „Lügenpresse“ und „Merkel muss weg“-Rufe der Demonstrant*innen ignoriert er völlig. Insgesamt argumentiert er strikt gegen den Vorwurf, dass PEGIDA eine rechtspopulistische und menschenfeindliche Gruppierung ist, bzw. fordert, wie in einem Interview im „Sachsen Fernsehen“, dass die Politik Menschen „nur“ weil sie rechts sind, nicht einfach vom Platz stellen darf. (2) (3). Um zu verhindern, dass PEGIDA und AfD stärker wachsen, sieht er einen Lösungsansatz darin, weniger Geflüchtete in Deutschland aufzunehmen. (4) Damit verkennt er die existenzbedrohte Situation der Menschen und fordert das Eingehen auf rechte Positionen.
Des weiteren schürt Patzelt in seinem Artikel „Masseneinwanderung“ Ressentiments gegen Muslim*innen und wirft ihnen ohne weitere Begründung vor, „dass die freiheitliche demokratische Grundordnung sehr viele überhaupt nicht kümmert, sondern Ideologie oder Religion ihnen weit wichtigere Orientierungspunkte sind.“ (5) Damit bedient er den Stereotyp des ungebildeten, religiös fanatischen geflüchteten Menschen, den es zu zivilisieren gelte und konstruiert den Gegensatz zu „einer zugleich wertgebundenen und weltanschaulich neutralen, obendrein pluralistischen und demokratischen Ordnung“ (5), wie er sie in Europa sieht, und inszeniert sich selbst als weltoffenen Demokraten. Die „Akzeptanz“ dieses europäischen Systems hingegen sei „eine höchst seltene Frucht von Kulturen“. (5) Weiterhin setzt Patzelt die derzeitige Flucht der Menschen vor Armut und Krieg mit der Eroberung Afrikas durch europäische Kolonialist*innen gleich. (5) Dieser unverschämte Vergleich verharmlost die brutale und rassistisch motivierte Unterwerfung, Versklavung und Tötung zahlloser Afrikaner*innen und unterstellt zugleich den derzeitigen Flüchtenden sowohl ähnlich böswillige Motive, als auch ähnlich weitreichende Konsequenzen.
Somit outet sich Patzelt nicht nur als Sympathieträger rechter Bewegungen, sondern lässt auch ein Verständnis des Begriffs Pluralismus durchscheinen, der in seiner Scheinheiligkeit schwer zu übertreffen sein dürfte. Entsprechend fällt sein Urteil aus, wenn es um Positionen geht, die sich mit seiner eigenen nicht vereinen lassen: Während PEGIDA lediglich den besorgten Bürgern, deren Sorgen man ernst nehmen müsse, eine Stimme gibt, werden antifaschistische Aktionen von Bündnissen wie „Dresden für alle!“ schnell als undemokratisch diffamiert. Dass eine Gegendemonstration bereits als Angriff auf die Meinungsfreiheit der sogenannten besorgten Bürger*innen gesehen wird, zeugt von einem verqueren Weltbild, in dem die vermeintliche „Angst vor dem Fremden“ (lediglich ein weniger unbequemes Wort für Rassismus, der die Abgrenzung zum vermeintlich Fremden erst möglich macht) als Recht tituliert und so hoch gewichtet wird, dass sie selbst Diskriminierung, soziale Ausgrenzung und Vorverurteilung von Menschen rechtfertigt. Dass die Kritik an Patzelts Pluralismusbegriff nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt auch die Reaktion seiner Kolleg*innen, die sich in einer öffentlichen Stellungnahme von seinen Aussagen distanzieren. (6) Auch die Studierenden der TU Dresden positionieren sich gegen seine fragwürdige Interpretation von PEDIGA und erleben Patzelt „in der gesamten Pegida-Debatte mehr [als] politische[n] Akteur denn Wissenschaftler“. (7)
Das bestätigt sich bei genauerer Betrachtung seiner Forschungsmethoden. Einige Kritiker*innen kreiden den Studien besonders an, dass Patzelt sich einige Belege „aus der Luft gegriffen und seine eigene politische Haltung zu stark hat einfließen lassen.“ (3) Kritisiert wird beispielsweise die Fragestellung bei seinen Umfragen, die einerseits ungenau, andererseits auf bestimmte Antworten abzielend beschrieben wird. Dass viele PEGIDA-Teilnehmer*innen angeben, in der Demokratie grundsätzlich etwas Positives zu sehen, ist ohne vorhergehendes Eingehen auf den Demokratiebegriff der Befragten kein aussagekräftiges Ergebnis. (8) Darüber hinaus betreibt Patzelt großzügige und tendenziöse Interpretation seiner gesammelten Daten. So werden rassistische Aussagen der PEGIDA-Teilnehmer*innen als lediglich undurchdachte Parolen deklariert. (9) Dass seine Person und Forschung von rechten Bewegungen wie den Identitären auf eine Stufe mit Peter Sloterdijk, der sich durch völkische und rassistische Aussagen schon mehrmals für einen wissenschaftlichen Diskurs disqualifiziert hat, gestellt wird und sie als „wirklich denkende Professoren“ (10) beworben werden, spricht ebenfalls für sich.
Patzelt ist besonders im Kontext des Themas der Vortragsreihe brisant: In einer Zeit, in der sich die Zahl der statistisch erfassten Straftaten von rechts nun das dritte Jahr in Folge vervielfacht und nicht nur Parolen sondern auch Gewalttaten gegen Geflüchtete zum Tagesgeschehen gehören, erscheint es mehr als zweifelhaft, Personen eine Bühne zu bieten, die nachweislich immer und immer wieder unter dem Deckmantel wissenschaftlichen Arbeitens in den rechtspopulistischen Tenor einfallen und somit rassistische und islamfeindliche Positionen zu legitimieren versuchen. Dass er unkritisch und unreflektiert eingeladen ist, seine Thesen zu verbreiten, führt zu einer gesellschaftlichen Akzeptanz und Verharmlosung. Verstärkt wird dies durch die Tatsache, dass Patzelt als Person des öffentlichen und akademischen Lebens eine Vorbildfunktion und Verantwortung zukommt, die er für seinen unwissenschaftlichen Rechtspopulismus missbraucht.
Wir positionieren wir uns ganz klar dagegen, Patzelt ein Podium an der Universität Regensburg zu bieten. Die Einladung einer Referentin oder eines Referenten kann nur dann sinnvoll sein, wenn sie*er einen sinnvollen Beitrag zur Debatte leistet. Wir sind der Überzeugung, dass Werner Patzelt im Licht der dargelegten Tatsachen nicht dazu in der Lage ist, einen solchen Beitrag zu leisten. Da die Fachschaft Politikwissenschaft bedauerlicherweise ihrer Verantwortung als veranstaltende Gruppe nicht gerecht wird, sehen wir uns in der Pflicht, die Einladung zu kritisieren und uns klar davon zu distanzieren.
All refugees welcome! Solidarität mit den kämpfenden Geflüchteten in Dresden und überall!
Gezeichnet:
Studentischer Sprecher*innenrat Universität Regensburg
Fachschaft Philosophie Universität Regensburg
AK queer Regensburg
festival contre le racisme Regensburg
Petra Pan Projekt Regensburg
Linksjugend [’solid] Regensburg
AK Ökologie Regensburg
anita f – antifaschistische Gruppe in Regensburg
AK Gewerkschaften Universität und OTH Regensburg
DGB Jugend Regensburg
Bunte Liste Universität Regensburg
LAF/Juso-Hochschulgruppe Universität Regensburg
Forum Sozialwissenschaften OTH Regensburg
Quellen: