Redebeitrag Kundgebung „Wir alle gegen rechte Terror.“

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,

danke, dass ihr heute hier so zahlreich gekommen seid. Wieder einmal ist die Gesellschaft erschüttert und die Politik sprachlos. Seit sich die Hinweise verdichteten, dass Walter Lübcke vom Neonazi Stephan Ernst aus politischen Motiven ermordet wurde, wird einmal mehr deutlich: Aus dem NSU und dem Scheitern von Behörden, Polizei und Politik wurden keine Lehren gezogen! Die Politik tut sich weiterhin schwer die von Rechts ausgehende Gefahr zu analysieren und einzuordnen. Und so wurde mal wieder von einem verwirrten Einzeltäter gesprochen, extrem rechte Beweggründe und gar die Mitgliedschaft in einem rechten Terrornetzwerk am Anfang negiert.

Die Politik reagiert wie gewöhnt. Law and Order Hardliner wie Horst Seehofer wollen mit aller Härte des Rechtsstaates gegen Rechts vorgehen. Wie dies aussieht kann man seit Jahren betrachten, 467 verurteilte Personen der extremen Rechten gelten weiterhin als untergetaucht, zu deren Verbleib die Sicherheitsbehörden keinerlei Hinweise haben. Tausende Neonazis können ungestört auf Konzerten dem Nationalsozialismus huldigen und werden auch bei strafbaren Handlungen, wie dem Zeigen des Hitlergrußes nicht belangt. Stattdessen bereitet sich ein Netzwerk von extrem Rechten in den Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr auf den von ihnen postulierten Rassenkrieg vor.

Andere Politiker wie Heiko Maas – die sinnbildlich für einen Teil der Zivilgesellschaft stehen – fordern eine an die Freitagsdemonstrationen angelehnte Bewegung für die Demokratie: Donnerstags auf die Straße, so die Losung des SPD Politikers. Doch auch das eine Symbolpolitik, die hilflos wirkt. Denn natürlich gab es in der Vergangenheit genügend Anlässe auf die Straße zu gehen und seine Meinung kundzutun. Doch interessiert das Neonazis und den rechten Mob? Nein keinesfalls, was sie interessiert sind nicht Demonstrationen im luftleeren Raum und wohlfeile Erklärungen, sondern wenn sie ganz konkret gehindert werden das zu tun was sie tun. Und das ist ganz konkret jeden rechten Aufmarsch, jede rechte Kundgebung und jeden rechten Infostand zu stören, zu blockieren und zu sabotieren. Es gilt der menschenverachtenden Ideologie keinen Meter und kein Wort zu überlassen!

15 Jahre nach den Nagelbombenanschlägen in der Kölner Keupstraße, die sich dieser Tage jährten, schlüpfte erneut ein gewaltbereiter Neonazi durch das Netz der Ermittlungsbehörden und ermordete Walter Lübcke, weil dieser sich gegen menschenverachtende Hetze positioniert hatte. Der Polizei war Stephan Ernst seit Jahren bekannt, man habe ihn aber als nicht mehr aktives, ehemaliges Mitglied eingestuft, heißt es von Seiten der Behörden. Auch von Seiten des Verfassungsschutz hieß es, dass er nicht mehr zur rechten Szene gehöre. Recherchen von autonomen Antifaschist_innen haben schon vor mehreren Tagen umfangreich dargelegt, wie tief der vorbestrafte und gewalttätige Neonazi bis zu seiner Tat in die Szene involviert war. Mittlerweile haben sogar die etablierten Medien diese Recherche aufgenommen und aufgezeigt, dass Ernst Kontakte zu Combat 18 hatte. Wären diese Recherchen, die teilweise unter Lebensgefahr erstellt worden sind, nicht aufgetaucht würden die Behörden wahrscheinlich immer noch behaupten, es sei keine rechten Tat und wenn dann ein »verwirrter Einzeltäter«.

Combat 18 ist eine, in mehreren europäischen Ländern aktive neonazistische Terrororganisation und gilt als bewaffneter Arm des Blood and Honour Netzwerkes. Seit 1999 kommt es immer wieder zu Morddrohungen und tätlichen Übergriffen von Mitgliedern und Anhängern von Combat 18 gegen politische Gegner. Politik und Sicherheitsbehörden besitzen kein adäquates Mittel, um extrem rechte Netzwerke und Organisationen und deren Bestrebungen tatsächlich verstehen und einschätzen zu können.

Wie auch. Sie haben nicht mal ein fähiges Analysekriterium menschverachtende Ideologien herauszuarbeiten. Stattdessen wird – anhand des sogenannt Extremismusmodell, von einer ideologiefreien „Mitte“ der Gesellschaft gesprochen, die von den Rändern den sogenannten Extremisten bedroht ist. Es ist aber genau diese sogenannten Mitte, in der Rassismus und Nationalismus gedeihen – in der das Klima des Rechtsterrorismus geschaffen wird.

Kein Wunder, dass zu Anfangs erneut die Rede war von privaten Motiven für die Tat. Kein Wunder, dass eine politisch motivierte Tat, für die Ermittlungsbehörden anfangs nicht ins Bild passte. Wir werden nicht zulassen, dass Behörden und Politik erneut den rechten Terror verharmlosen. Dass erneut der Mythos des verwirrten »Einzeltäter« kultiviert wird! Im Zuge der Ermittlungen müssen alle Informationen zu Tage getragen und öffentlich gemacht werden. Stephan Ernst war eben nicht untergetaucht, er war gut vernetzt und bis zu seiner Tat in der neonazistischen Szene aktiv.

Dass wir uns dabei aber nicht auf den Staat und seine Organe verlassen können, zeigte der NSU Prozess nur zu gut. Denn die Fragen der neonazistischen Vernetzung, der Mittäter, genau diese Fragen wurden dort nicht behandelt. Auch hier bleibt – das haben die Enthüllungen der letzten Tage, die nicht von der Ermittlungsbehörden sondern von Antifaschistinnen und Antifaschisten vorangetrieben wurden gezeigt – auch hier bleibt Antifa Handarbeit!

Handarbeit bleibt es auch denen das Handwerk zu legen die mit rechter Hetze, menschenverachtende Positionen und einer weiter voranschreitende Enttabuisierung der Sprache den Nährboden für rechte Gewalt legen. Wenn Unions-Politiker nun für Koalitionen mit der AfD plädieren machen sie sich zum Steigbügelhalter genau derjenigen, aus deren rechter Hetze der Terror erwächst, dessen Opfer Walter Lübcke wurde. Aber wir wissen auch, die Union – und gerade die CSU in Bayern – braucht keine AfD-Politiker an ihrer Seite um, sei es in ihrer Sprache oder ganz real in ihrer Gesetzgebung, Rassismus und Nationalismus zu propagieren und Vorurteile und Hass zu schüren.

Als Antifaschistinnen und Antifaschisten können wir uns also im Kampf gegen rechten Terror weder auf die politisch Verantwortlichen verlassen, noch auf die Sicherheitsbehörden. Wir müssen uns gerade machen und uns rechter Hetze, rechten Taten und rechtem Terror in den Weg stellen!

In diesem Sinne:

No pasaran! Antifa in die Offensive! Für eine umfangreiche und öffentliche Aufarbeitung des Mordes an Walter Lübcke und all der anderen Opfer rechter Gewalt! Für die Zerschlagung von Combat 18 und anderer neonazistischer Netzwerke! Für die Auflösung des Verfassungsschutzes der rechte Strukturen schützt und finanziert, statt den braunen Sumpf trocken zu legen!