Die Rechtsaußenpartei „Liberal-Konservative Reformer“ (LKR) in Regensburg

Am Sonntag dem 29. August 2021 lädt die Rechtsaußenpartei Liberal-Konservative Reformer (LKR) zu ihrer Bundestagswahlkampf-Auftaktveranstaltung in das Kolpinghaus in Regensburg ein. Sprechen sollen dort unter anderem der Antifeminist Klaus Kelle und der extrem rechte LKR-Direktkandidat Roland Gruber (Wald, Lkr. Cham). Wir nehmen die Veranstaltung zum Anlass für eine Hintergrundrecherche über die Partei, ihre regionalen AkteurInnen sowie die damit verbundenen rechten Strukturen.

1. Parteihistorie

Die Gründung der LKR geht auf internen Machtkämpfe und die damit verbundene Spaltung der AfD im Sommer 2015 zurück. AfD-Gründer Bernd Lucke und andere VertreterInnen des marktradikalen Flügels wurden aus der Partei gedrängt bzw. verließen die Partei. Die extrem rechten AkteurInnen hatten die Oberhand für sich gewinnen können.

Lucke initiierte daraufhin eine neue Partei mit dem Namen ‚Allianz für Fortschritt und Aufbruch‘ (ALFA), musste diese dann aufgrund eines Namensstreites mit den AbtreibungsgegnerInnen von der Aktion Lebensrecht für alle, im November 2016 in ‚Liberal-Konservative Reformer‘ umbenennen.

Bei den nachfolgenden Länder- und Bundwahlen erlangte die Partei weniger als 1% der Stimmen oder trat gar nicht erst an. Bei der Europawahl 2019 erfolgte dann ein parteiinterner Machtkampf zwischen Lucke und Hans-Olaf Henkel. Letztere trat zusammen mit Ulrike Trebesius und Joachim Starbatty aus der Partei aus. Lucke kandidierte dann unter dem (eher an eine Boy-band erinnernden) Namen LKR – Bernd Lucke und die Liberal-Konservativen Reformer bei der Europawahl, bekam aber nur 0,1% der Stimmen und schied aus dem Europaparlament aus. Bis 2020 schien es, als würde die Partei in der Bedeutungslosigkeit versinken. Durch mehrere Eintritte von ehemaligen AfDlern ist die Partei ab Mitte 2020 jedoch wieder in Parlamenten vertreten und bekam Aufwind. Aufgrund ihrer geringen Mitgliederzahl von 1300 (Stand Juli 2021) ist die LKR jedoch noch immer als Kleinstpartei zu betrachten.

Inhaltlich ist die LKR marktradikal, rechtskonservativ, sowie rechtspopulistisch zu verordnen. Der Mindestlohn soll gestrichen werden, gendersensible Schreibweise sei„Vergewaltigung der deutschen Sprache“, Kernenergie soll ausgebaut werden die Partei fordert:„Deutschland entfesseln – Dynamik entfachen – zurück zur Weltspitze“. Bis letztes Jahr hieß es noch im verschwörungsideologischen Duktus auf der Homepage, Merkel hätte die große Umverteilung gestartet. Die Partei ordnet sich selbst rechts der Union und links der AfD ein und will ein (weiteres) rechtes Sammelbecken etablieren. Wie bei vielen anderen rechtskonservativen Projekten, grenzt sie sich formal von anderen Spektren der (extremen) Rechten ab, regional finden sich jedoch Verbindungen wieder – so auch beim Bezirksverband Oberpfalz der LKR.

2. Bezirksverband Oberpfalz

Der Bezirksverband LKR Oberpfalz wurde am 24. April 2021 im Golf- und Yachtclub ‚Minoritenhof‘ in Sinzing (Lkr. Regensburg) gegründet. In den Vorstand wurden gewählt:

    • Vorsitzender: Roland Heinrich Gruber (Wald, Lkr. Cham)
    • 1. stellvertretender Vorsitzenden: Thomas Faltermeier (Bruck, Lkr. Schwandorf)
    • 2. stellvertretender Vorsitzenden: Tomazs Laczynski (Deining, Lkr. Neumarkt)
    • Schatzmeister: Thomas Wiesner (Regensburg)
    • Jugend- und Frauenbeauftragte: Melanie Bradl (Kastl, Lkr. Amberg)

Als Versammlungsleitung fungierte Christian Wiesner (Regensburg), dieser ist im bayerischen Landesvorstand der LKR, sowie ehemaliger Bundesgeneralsekretär der Partei. Auch wenn Christian Wiesner keinen regionalen Vorstandsposten inne hat, muss er doch als treibende Kraft hinter den Kulissen betrachtet werden. Auf seine Wohnadresse ist die Partei in Regensburg für den Wahlkampf registriert, zudem organisierte er Mitte März 2021 in der Regensburger Innenstadt einen Infostand zum Unterstützungsunterschriften sammeln.

Auffallend ist, dass viele Mitglieder der Wiesner-Familie bei der LKR-Gründungsversammlung im April 2021 anwesend waren, so etwa auch Dominik Wiesner (Regensburg), der Sohn von Christian Wiesner. Zudem trat bis jetzt der Schatzmeister Thomas Wiesner noch nicht in die Öffentlichkeit, auf der Homepage des Bezirksverbandes ist noch kein Bild von ihm vorhanden. Vermutlich handelt es sich hierbei um einen stadtbekannten Immobilienmakler, der in Regensburg diverse Socialsponsoring betreibt.

Die Parteihistorie spiegelt sich in der regionalen Besetzung wieder. Faltermeier war bis letztes Jahr in der AfD organisiert, bei der Kommunalwahl 2020 erhielt er für die extrem rechte Partei ein Mandat für den Marktrat in Bruck (Lkr. Schwandorf). Im Herbst 2020 zerwarf er sich aber mit der Partei und trat aus.

Gruber, Laczynski und Christian Wiesner sind Ex-CSU Mitglieder und haben aufgrund des behaupteten Linksruck bzw. „linksradikale Regierung“ (Gruber) die Partei verlassen. Davor hatten sie sich im Rechtsaußen-Flügel der CSU und rund um den Verein ‚WerteUnion in Bayern – Konservativer Aufbruch‘ bewegt. Der Verein organisierte am 14. Februar 2020 in Weiden eine Veranstaltung mit dem rechten Akteur Hans-Georg Maaßen. Im Publikum saßen etliche Vertreter der örtlichen AfD sowie diverse Klimawandelleugner.

Bei der Gründungsveranstaltung des LKR Oberpfalz im April 2021 war auch Dr. Jörg Uhlig aus Lappersdorf (Lkr. Regensburg) anwesend. Der stellvertretende Ortsvorsitzende der CSU Kareth stellte den Verein ‚BFA – Bürgerlich Freiheitlicher Aufbruch e.V.‘ vor, den er u. a. zusammen mit Klaus Dageförde¹ Anfang 2021 gegründet hatte. Auch dieser Verein ist ein Versuch eines Sammelbeckens außerhalb der AfD, rechte Politik voranzutreiben. Aktuell läuft unter dem Hashtag #OekosozialismusVerhindern bzw. #GruenerMist eine Kampagne des Vereins gegen die Partei der Grünen.

Auch die regionalen LKR-Vorsitzenden treiben die Vernetzung unterschiedlicher rechter Spektren voran. So betreibt Roland Gruber die Facebook-Gruppe ‚Bürgerinitiative Deutschland‘ mit 236 Mitgliedern, die diverse Beiträge rechtskonservativer Medien, des verschwörungsideologischen Spektrums sowie der AfD teilen und kommentieren. In Christian Wiesner Facebookfreundesliste sind viele regionale Akteur:innen aus unterschiedlichen Spektren, darunter auch der extrem rechte Verschwörungsideologieanhänger und Organisator entsprechender Veranstaltungen in Regensburg Christian Ehmann (Regensburg).

Dies ist kein Zufall, da sich C. Wiesner und Gruber seit letztem Jahr in der regionalen Verschwörungsszene bewegen. Vor allem in der extrem rechten Facebookgruppe ‚Oberpfalz steht auf‘ (hierzu eine Rechercheartikel von uns) – wo wiederum Ehmann Admin ist – posten beide viele Beiträge. Dass dort viel Content mit NS-Vergleiche, Rassismus, Antisemitismus und Neonazismus gepostet wird, scheint die beiden nicht zu stören.

Christian Wiesner bewarb zudem in der Vergangenheit regelmäßig die regionalen Kundgebungen und Versammlungen der verschwörungsideologischen Bewegung rund um Querdenken, beispielsweise den Schweigemarsch. Er selbst war am 18. November 2020 bei der (unangemeldeten) Demonstration in Berlin dabei. Dort waren neben Verschwörungsideologieanhänger:innen auch Neonazis und andere extrem rechte Personen vor Ort. Wiesner versuchte auch den rechten Klimawandelleugner, Verschwörungsideologieanhänger und Querdenkenaktivist Helmut Bauer (Eslarn, Lkr. Weiden) für die Partei zu gewinnen und ihn in der Mittleren Oberpfalz als Direktkandidaten für die LKR aufzustellen. Dies scheitere, vermutlich an formalen Umständen.

3. Roland Gruber: der extrem rechte LKR-Direktkanditat

Als LKR-Bundestagsdirektkandidat für Regensburg wurde der bereits erwähnte Vorsitzende Roland Gruber gewählt. Wie lange der Parteienhopper es diesmal in der Partei aushält, ist ungewiss. Gruber blickt auf zahlreiche Mitgliedschaften zurück, so etwa in FPD, CSU, sowie den Kleinstparteien Zentrumspartei und der Bürgerpartei Deutschland.

Seinen rechten Einstellungen ließ er in der Vergangenheit vor allem auf Facebook freien Lauf. Immer wieder wertete er Menschen rassistisch ab, schreibt zum Beispiel 2019:

„Ich sage Negerkuss, Zigeunerschnitzel und Kanacken. Wer es nicht tut ist selber schuld. Seid selbstbewusste Menschen. Man ist kein Rechtsradikaler wenn man seine eigene Meinung sagt. Die linksgrüne Idiotengesellschaft kann mich gewaltig am Arsch lecken. Sorry das musste mal gesagt werden!“ (Fehler im Original)

In vielen Posts drückt sich auch sein Ressentiment gegen Muslime aus, wenn er beispielsweise pauschal vorwirft, dass „die meisten radikal und brandgefährlich“ und „vielen Bürgern als Verbreiter von Angst und Terror im Gedächtnis“ seien. Er behauptet, sie würden sich nicht an die Corona-Regeln halten und der deutsche Staat würde ihnen deshalb nachgeben. In Deutschland würden „Christen langsam diskriminiert und die Muslime hofiert“.

Zudem verbreitet er rassistische Stereotype gegen Geflüchtete:

„Dass sollten mal alle Linken, Grünen und Frau Merkel bei Ihrer Flüchtlingspolitik berücksichtigen. Was nicht zusammenpasst wird nie irgendwie zusammengehen! Integration ist ein unerfüllbarer Wunschtraum blinder Gutmenschen“ (Fehler im Orginial)

Wie in der extremen Rechten gängig verbindet er die Diskurse Gewalt und Migration und behauptet, dass „diese Menschen aufgrund ihrer „Mentalität […] UNINTEGRIERBAR sind“ und „Asylanten“ den „hohen Wert an Lebensgefühl“ in deutschen Städten zerstören.

2017 beschwerte sich Gruber auf Facebook, dass „Deutschland […] immer mehr ein Narrenhaus [wird] […], Multi-Kulti, Schwuli-Lesbi, bin gespannt was da noch alles kommt……..“. Gruber führt einen wahnhaften Abwehrkampf gegen vermeintliche kommunistische und ‚volksschädliche‘ Kräfte, die er aktuell in der Partei den Grünen sowie der SPD sieht. Hierzu heißt es in seiner Antrittsrede für die bayrische LKR-Kandidatenliste 2021:

„Die Grünen träumen vom Genderwahn besessen davon die deutsche Kultur auszurotten, sämtlichen Verkehr zu verstromen und gleichzeitig alle noch nicht ersetzbaren Kraftwerke zu eleminieren ohne zu bedenken dass wir nicht einmal die Infrastruktur dazu haben. Die SPD will die Linken links überholen. Am Besten alle Unternehmen enteignen und Kapitalisten aus dem Land treiben…“ (Fehler im Orginial)

Auch seine Wortwahl gegenüber dem politischen Kontrahent:innen ist vielsagend. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken beleidigte er als „sozialistische Kröte“, spricht in Bezug auf die Grüne Jugend von „degenerierten Schulschwaenzern“ und allgemein vom „linken Abschaum“. Dem Comedian Jan Boehmermann will er „endlich mal die Fresse polieren“. Angela Merkel nennt er eine „Verbrecherin“ und will sie „zum Teufel jagen“.

Im Kontext der Corona-Pandemie reiht Gruber sich in die regionale verschwörungsideologische Bewegung ein, spricht z. B. in Anlehnung an den Nationalsozialismus von einem Ermächtigungsgesetz. („durch die Einführung von Ermächtigungsgesetzen im Zuge einer nicht belegten Pandemie“). Bei einem Beitrag über die „Coronadiktatur“ schreibt er:

„Merkels Plan seit vielen Jahren wird umgesetzt. Herr Söder unterstützt sie dabei mit allen Mitteln. Die Wähler haben es in der Hand diesrs Verbrechen an der Bevölkerung rückgängig zu machen…“ (Fehler im Original)

In einem anderen Beitrag spricht von der jetzigen „linksradikalen Regierung“, die nach der Wahl einen „DDR 3.0“ einführen wird. Dagegen will Gruber vorgehen und postet:

„Jetzt wird es Notwehr. Ich bitte alle noch klar denkenden Menschen in Deutschland sich zur Wehr zu setzen. Diese von der Regierung Merkel völlig unverhältnismäßigen widerrechtliche geplanten Maßnahmen zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes dienen nicht dem Gesundheitlichen Wohl der Bevölkerung sondern zur Zerstörung des Föderalismus.“

4. Veranstaltung mit dem Antifeministen Klaus Kelle

Bei der Veranstaltung im Kolpinghaus wird mit drei Rednern geworben: Jürgen Joost (Bundesvorsitzender der LKR), Thilo Schneider („Achse des Guten“) und dem Antifeministen Klaus Kelle. Kelle ist Mitglied der CDU und der ‚Werteunion e. V.‘ und fungiert als Publizist als ein Scharnier zwischen (christlichen) Konservativen und der Neuen Rechten.

Für die Veranstaltung im Kolpinghaus ist er als Herausgeber des Blogs „The GermanZ“ angekündigt. Die Internetzeitung versteht sich als Stimme der schweigenden Mehrheit der politischen Mitte und grenzt sich offensiv von „Political Correctness“ ab. Dort veröffentlicht er Artikel wie „Ein bisschen Sexismus sollte in einer freien Gesellschaft normal sein“ oder „Kann ich bei Ihnen ein Zigeunerschnitzel bestellen?“, um ja deutlich zu machen, dass er sich nicht die „Meinungsfreiheit“ nehmen lässt.

Doch Kelle belässt es nicht bei Stammtischparolen, sondern treibt das Projekt der Vernetzung christlicher, konservativer und rechter Kräfte aktiv voran. 2020 organisierte er zum fünften Mal die ‚Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz‘ in Erfurt, bei der sich Konservative und Rechte verschiedener Spektren austauschen und vernetzen sollten. An der Veranstaltung nahmen bekannte Rechte wie der Chefredakteur der neurechten Zeitung Junge Freiheit, Dieter Stein, der Vorsitzende des AfD-nahen Klimawandelleugner-Vereins ‚EIKE‘, Holger Thuß, sowie die im Geflecht der Neuen Rechten aktive Publizistin Vera Lengsfeld und die katholische Antifeministin Hedwig von Beverfoerde, Vorsitzende des ‚Vereins Ehe-Familie-Leben e. V.‘ und Organisatorin der antifeministischen ‚Demo für Alle‘ teil. Auch Christian Wiesner war bei dem Treffen anwesend.

Wie Kelles Ehefrau, die Talkshow-Antifeministin Birgit Kelle, bedient er vor allem antifeministische Narrative. Im Anschluss an die von der konservativen bis extremen Rechten angeführten Elternzusammenschlüssen wettert er gegen Sexualkundeunterricht und geschlechtliche Aufklärung als „Frühsexualisierung“ und Gender Mainstreaming als „menschenverachtende, ja groteske Ideologie“ Die „größte Bedrohung für die traditionelle Familie aus der Mitte der Gesellschaft“ sieht er im „Gender-Schwachsinn“.

Fazit

Die Veranstaltung am 29. August im Kolpinghaus, der LKR Bezirksverband Oberpfalz sowie der Direktkandidat Roland Gruber sind inhaltlich klar rechts positioniert. Die LKR Oberpfalz sind in das Projekt der Vernetzung konservativer, christlicher, rechter und auch verschwörungsideologischer Kräfte eingebunden und sollten trotz ihrer im Vergleich zur AfD geringeren Relevanz als rechte Kräfte ernst genommen werden.

¹ 1990 stand Dageförde im Verdacht die neonazistische "Kameradschaft Bamberg" geführt zu haben und hatte hierzu auch einen Prozess. Siehe: https://twitter.com/robertandreasch/status/1399887641802334210/photo/1 sowie https://www.antifainfoblatt.de/artikel/der-stuttgarter-neonazi-proze%C3%9F