16.01.2016 // Redebeitrag bei der Kundgebung „Emanzipation Jetzt – gegen Sexismus und Rassismus“

Ein Redebeitrag Autonomer Antifaschist*innen, eingebracht von anita f. – der antifaschistischen Gruppe in Regensburg bei der Kundgebung „Emanzipation Jetzt – gegen Sexismus und Rassismus“ am 16.01.2016

Etwas mehr als zwei Wochen ist es jetzt her, seit die sexistischen Übergriffe der Silvesternacht publik wurden. Zwei Wochen beherrscht dieses Thema nun die Medien und das Netz. In diesem Diskurs ging es jedoch selten um die eigentliche Scheußlichkeit der begangenen Taten, oder um die Opfer oder darum, dass sexuelle Übergriffe in der Gesellschaft zur traurigen Tagesordnung gehören.
Vielmehr dient das Thema als weiteres Versatzstück der rassistischen Mobilmachung in der Bundesrepublik. Auf einmal werden die chauvinistischsten Männer zu „wahren“ Frauenrechtlern. Unionspolitiker, welche sich noch 1997 für das Recht auf Vergewaltigung in der Ehe eingesetzt haben sind nun angesichts der sexistischen Übergriffe entsetzt und fassungslos.

Sexismus ist also keinesfalls etwas, das aus „fremden“ Kulturen importiert wird, sondern ist tief im Denken der Gesellschaft verankert. Als Frau* durch betrunkene Männerhorden zu gehen, stellt oft ein Problem dar, da sexuelle Übergriffe und die Relativierung davon eben nichts mit der Herkunft der betrunkenen Männer zu tun hat sondern ein Kernproblem der Gesellschaft ist. So offenbart der Polizeibericht eines Übergriffs auf dem Oktoberfest, dass sexuelle Gewalt von „einheimischen“ Männern kein Problem darstellt. „Ein spaßig gemeinter Griff unter den Rock seiner amerikanischen Wiesn-Bekanntschaft endete für einen 20-jährigen Deggendorfer äußerst schmerzhaft. Die ‚Rockbesitzerin‘ drehte sich mit samt Maßkrug um und das Trinkgefäß landete wuchtig auf dem Kopf des kecken Burschen.“ Dem „kecken Burschen“ drohten keine Konsequenzen, die Frau wurde erst einmal festgenommen und erst gegen Zahlung einer vierstelligen Kaution wieder freigelassen.

Ohne die Ereignisse der Silvesternacht relativieren zu wollen wird es dem*der aufmerksamen Beobachter*in schnell klar worum es den „neuen Frauenrechtlern“ geht. Keinesfalls sind die Akteure interessiert am Feminismus, oder wenden sich wie im Falle der AfD sogar offen gegen diesen. Auch die Bayernpartei wettert im Internet gegen den angeblichen „Genderwahn“. Schnell ging es in der öffentlichen Debatte nicht mehr um die eigentlichen Vorfälle. Vielmehr offenbart der Umgang mit der Thematik den tief verankerten Rassismus der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Die Parteienlandschaft von Links nach Rechts nimmt die Vorfälle zum Anlass die „schnelle Ausweisung von kriminellen Ausländern“ zu fordern. Ausweisung von irgendwem irgendwohin kann jedoch keine Lösung des Problems darstellen.
Es stellt sich die Frage, wie mit den sexistischen „Inländern“ umgegangen werden soll, deren Existenz für die populistischen ScharfmacherInnen anscheinend irrelevant ist. Denn wenn die „respektlose Behandlung“ von Frauen oder ein reaktionäres Weltbild zur Ausweisung führt, wäre das Land bald weitestgehend menschenleer bzw. hier „männerleer“. Für eine sachliche Debatte und und einen weniger emotionsgeladenen Umgang muss folgendes Festgestellt werden. Je religiöser das Weltbild der Gesellschaft, desto konservativer ist diese. Je konservativer das Weltbild, desto reaktionärer das Frauenbild. In vielen Gegenden sind religiöse und/oder konservative Wertvorstellungen verbreiteter als in Deutschland. Über die einzelne Person, die aus so einer Gegend kommt sagt das allerdings erst einmal nichts aus. Genauso wenig, wie die Herkunft aus weniger religiösen bzw. konservativen Gefilden vor dem Begehen sexueller Übergriffe schützt, wie man beispielsweise an den Regensburger Domspatzen sehen kann. Im Einzelfall lässt sich sagen bist du ein Sexist, bist du ein Arschloch, scheißegal wo du herkommst. Es ist Aufgabe einer Gesellschaft durch Bildung, Kultur und soziale Angleichung reaktionäre Vorstellungen zu bekämpfen und ein emanzipatorisches Frauenbild zu vermitteln.

Der Diskurs von Migration und Flucht, der sich mit dem Diskurs der sexualisierten Übergriffe, vermischt treibt den rassistischen Normalzustand in der BRD weiter an. Und obwohl das Elend in der Welt durch Kriege, kapitalistische Ausbeutung und Fundamentalismus, an denen das deutsche Kapital und die deutschen Ausgebeuteten nicht minder kräftig verdienen, weiter wächst, und Menschen vor Flucht dieser Verhältnisse an den Zäunen der Festung Europa verrecken, wenn sie denn überhaupt so weit kommen, spitzt sich die Asyldebatte hier zu Lande immer weiter rassistisch zu. Die Vorfälle von Silvester kommen den VerfechterInnen einer schärferen Abschottungspolitik gerade recht. Es sind aber nicht nur die Hardliner von CSU und CDU die einen härten Kurs fahren, auch Teile der SPD, der Grünen und der Linkspartei verschärfen den Diskurs und argumentieren mit völkischen Parolen.

Die Anmelder der Kundgebung am Alten Rathaus, die Akteure der Bayernpartei, namentlich Fritz Zirngibl und Ante Serdarusic sind Teil davon, was die Soziologie, verrohtes Bürgertum nennt. Dieses verrohte Bürgertum, euphemistisch auch „Wutbürger“ genannt, kann in großen Teilen jeden Montag unter Anderem in Dresden zusammen mit Neonazis und rechten Hooligans beobachtet werden.Dieser Schicht, die sich mit der nationalen Stärke der Ökonomie identifiziert, was eine Art „nazistische Blombe“ ist, reicht es nicht aus den leidvollen Druck des kapitalismusimmanenten Konkurrenzverhältnisses zu befriedigen. Stattdessen brauchen die autoritären Charaktere einen Ausgleich für ihre Aggression.

Diese Aggression richtet sich dann in einem Prozess gegen das als vermeintlich „Anders“ wahrgenommene. Hierzu eignen sich solche Gruppen, die entweder als „schwach“ wahrgenommen werden oder die der Autorität des Marktes scheinbar nicht unterworfen sind. Zum einen, sind dies am Beispiel des Sexismus, meist Frauen, oder es sind in sozialdarwinistischer Weise, Wohnungslose oder Lohnarbeitslose Menschen. Im Rassismus sind es die Gruppen die als vermeintlich „fremd“ oder „rückständig“ betrachtet werden. Allen voran werden diese Eigenschaften Menschen mit muslimischem Glauben unterstellt. In dieser Logik, muss man, wenn es um die Emanzipation und das Glück für alle Menschen geht, die Verhältnisse kritisieren, in denen eine solche Abwertung überhaupt erst passieren kann. Für uns ist klar, wenn wir menschenverachtende Ideologien wie Rassismus beenden wollen, müssen wir auch das Wirtschaftssystem Kapitalismus mit all seinen angeknüpften Machtstrukturen überwinden.

Gerade in der ökonomischen Mittelschicht, die sich als politische Mitte der Gesellschaft gibt, hat es einen bemerkenswerten Anstieg in den Abwertungen von Menschen seit dem Anfang der Krise, 2008, gegeben. Sie beurteilen soziale Gruppen an den Maßstäben der kapitalistischen Nützlichkeit und orientieren sich an der Verwertbarkeit und Effizienz der Menschen. Sie leugnen die Gleichwertigkeit von Menschen, machen ihre psychische und physische Integrität antastbar und führen einen Klassenkampf von oben. Der autoritäre Charakter entlädt sich zuerst in Wut und Verachtung, was zwangsläufig zur Abwertung führt.

Die Angriffe und strafrechtlichen Delikte gegen Geflüchtete und ihre zumeist schäbigen Unterkünfte, im letzten Jahr waren es über 1.600, sind nur ein militanter Ausdruck der rechten Radikalisierung der Gesellschaft. So finden es 10% aller Bürger*innen in Deutschland verständlich wenn sich mit Gewalt gegen Geflüchtetenunterkünfte gewehrt wird. Diese Bürger*innen, die schon vor der sogenannten Flüchtlingskrise oftmals ein rechtes Weltbild hatten, sind durch die Aufmärsche von PEGIDA und Co. nur noch gestärkt worden. Sie sind der Bodensatz und bilden die Legitimation für die militanten Angriffe.

Auch Ante Serdarusic wollte einen solchen PEGIDA Ableger in Regensburg etablieren, gelungen ist dies, durch antifaschistische und zivilgesellschaftliche Intervention zum Glück nicht. Schaut man auf die Facebookprofile der Anmelder erkennt man ihren Rassismus schnell. Das Bild des „wilden, fremden Mannes“, der nach Deutschland gekommen ist und seinen animalischen Bedürfnissen freien Lauf lässt, ist eine unverhohlene rassistische Projektion. Nun wird in der Debatte das Ereignis von Köln völkisch und rassistisch aufgeladen. Es ist nicht das Ereignis der sexuellen Übergriffe auf Frauen, wie sie tagtäglich in Deutschland von Deutschen und Nichtdeutschen Tätern begangen werden, was neu ist. Neu ist hier die Offenheit, mit der die rassistische Deutung der Ereignisse vorgebracht werden kann.

Auch Fritz Zirngibl und Ante Serdarusic haben diesen Rassismus verinnerlicht. Mit der heutigen Kundgebung wollen sie diesen verbreiten und verschärfen damit den Diskurs. Statt eine solidarische Offenheit in der alle Menschen das bestmögliche Leben erreichen können, setzen sie Nationalismus und Rassismus.

Dies wollen wir nicht unwidersprochen lassen. Wir fordern hiermit alle Menschen auf, um 14:00 Uhr der Bayernpartei entgegenzutreten und gegen den Rassismus zu demonstrieren.

Kein Platz für rechte Hetze!
Gegen den rassistischen und sexistischen Normalzustand!
Kapitalismus überwinden!