Seit einer Woche halten Studierende der Universität Regensburg zwei Hörsäle besetzt. Sie protestieren gegen die verschärften Lern- und Lebensbedingungen, die ihnen das reformierte Bildungssystem aufherrscht. Gegen größeren wirtschaftlichen Druck durch Studiengebühren, gegen den verschulten Bachelor, der Eigeninitiative verhindert und Leistungsdruck durch Verkürzung der Studienzeit erhöht, und für ein Bildungssystem, in dem individuelle Entfaltung im Mittelpunkt steht.
Leider wenden sich die Besetzenden mit ihren Forderungen gerade an die Instanz, die die Reformen gerade erste gegen sie durchgesetzt hat. Statt über den offensichtlichen Gegensatz zwischen der Forderung nach einem selbstbestimmten Lernen und Leben und einem nach ökonomischer Nützlichkeit ausgerichteten Studium stutzig zu werden, bringen sie den Staat als Hüter des Gemeinwohls gegen den schädlichen Einfluss der Wirtschaft in Stellung. Dabei sind diese keine Gegenspieler, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Der bürgerliche Staat der im Wirtschaftswachstum das Mittel seines Reichtums hat, ist auf entsprechend qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen, die dieses produzieren. Und das am besten so lange und so schnell wie möglich. Hier kommt er zu seiner Kritk am Hochschulwesen. Das Studium dauert zu lange und verursacht auch noch enorme Kosten. In diesem Licht betrachtet sind die staatlichen Reformen dann auch keine Dummheit, die ungewollter Weise die Bildung den Bach runtergehen lassen, sondern Ergebnis knallharten ökonomischen Kalküls Bildung zu effektivieren und im internationalen Vergleich besser dazustehen. Schließlich ist man als Staat auch nicht allein auf der Welt.
Das Bildungswesen hatte auch vor den Reformen nur den Zweck verschieden qualifizierte Arbeitskräfte für den Arbeitsmarkt auszusortieren. Bildung ist eine Ware und ihre noch schnellere Verfügbarkeit erklärtes Ziel der Reformen.
Statt unter Abstraktion dieses gesamtgesellschaftlichen Zusammenhangs von Bildung, bürgerlichem Staat und kapitalistischer Ökonomie dem harten Ist-Zustand ein edles Bildungsideal – das sich vor dem skizzierten Zusammenhang nur blamieren kann – entgegenzuhalten, gilt es sich dieses Zusammenhangs bewusst zu werden. Von der Feststellung der Ökonomisierung der Universität, auf die Ökonomie und ihre schädliche Durchdringung aller Lebensbereiche zu kommen. So erleichternd es ist, gewisse partikulare Verbesserungen durchzusetzen, es bleiben Rückzugsgefechte, die den Zwang zur Verwertung nicht aufheben können.
Die Forderung nach freier und selbstbestimmter Bildung ist letzten Endes nur gegen die wechselseitige Bevormundung von Staat und kapitalistischer Wirtschaft durchzusetzen.