2009.10.03 // Antifaaktionstag „Fight the nazis“

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Bericht:

„Ist doch alles scheiße hier!“
(ein Teilnehmer der Nazidemonstration)
Für den vergangenen Samstag den 3.10. hatte der Neonazi Willi Wiener aus Wörth an der Donau eine rassistische „Großdemonstration“ unter dem Motto „Gegen Moscheebau und Islamisierung – für ein christliches Abendland und Deutschland“ in Regensburg angekündigt. Ein breites Bündnis mobilisierte gegen diesen Aufmarsch und konnte ihn letzendlich massiv behindern.
Die Mobilisierung der Nazis stützte sich auf ein Konzept, sich auf den Sieger der Seeschlacht von Lepanto, Don Juan de Austria zu berufen, zu dessen Andenken am altstädtischen Zieroldsplatz ein fragwürdiges Denkmal steht.
Vom Bündnis „Kein Platz für Neonazis – Regensburg“, darunter die antifaschistische Gruppe [anita_f.], die DGB Jugend Regensburg, die Sozialen Initiativen Regensburg, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – VVN-BdA und viele andere, wurde ein breites Aktionsbündnis zivilgesellschaftlicher Gruppen und Institutionen ins Leben gerufen. Der Zusammenschluss organisierte eine Gegendemonstration, um die rassistische Hetze der Neonazis nicht ungehindert gewähren zu lassen.
Hierfür mobilisierte [anita_f.] frühzeitig mit 10.000 Postkartenflyer, Plakaten, verschiedenen Infoständen und anderen Mitteln. Auch der Aufruf, der den Versuch einer inhaltlichen Auseinandersetzung darstellt, wurde frühzeitig veröffentlicht (siehe dazu https://anitaf.net/news/2009-10-03-aufruf-fight-the-nazis/)

In den Tagen vor der Demonstration kam es zu mehreren Aktionen, so wurde zum Beispiel die Don-Juan-Statue mit Farbe verschönert, dem abgeschlagenen Kopf, der unter dem Fuß der Statue liegt, eine Hitlermaske aufgesetzt, und der Zieroldsplatz mittels eines täuschend echten Straßenschildimitats in „Kein Platz für Nazis“ umbenannt.

Demonstrationsverlauf

Der Auftakt der gut besuchten Gegendemonstration startete am Samstag um 12 Uhr am Donaumarkt, die Demo zog anschließend zum Ernst-Reuter-Platz und von dort aus zurück in die Altstadt zum zentralgelegenen Neupfarrplatz, wo die Schlusskundgebung gegen 14 Uhr stattfand. Insgesamt hatten 7000 Menschen an der Demonstration teilgenommen, darunter mindestens 500 aus dem Antifa-Spektrum.
Redebeiträge bei der Auftaktkundgebung wurden u.a. von Ernst Grube, einem Shoah-Überlebenden und aktiven Antifaschisten, und Vertreter_Innen der Initiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ gehalten.
Die an bayrischen Standards gemessenen „milden“ Auflagen (Seitenstransparente erlaubt) und die geringe Polizeipräsenz (kein Spalier) bei der Gegendemo sorgten mit dem Sonnenschein und der Musik aus dem Lautsprecherwagen für Stimmung im antinationalen Block.
Die Breite des mobilisierten Spektrums spiegelte sich in den Parolen auf der Gegendemo wieder. Von expliziter Befürwortung der Moschee, bis hin zu Kritik am politischen Islam als reaktionäre politische Bewegung war alles vertreten.

Äußerst unerfreulich war ein Vorfall bei dem Demoteilnehmer_Innen versuchten ein aufgehobenes Israel-Papierfähnchen anzuzünden, wogegen Teilnehmer_Innen des antinationalen Blocks vorgingen.

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Als der Demonstrationszug den Kassiansplatz Ecke Schwarze-Bären-Straße erreichte entschieden sich zahlreiche Antifas zu einer Sitzblockade, um die vermutete Demoroute der Nazis bereits im Vorfeld zu blockieren. Die Nazis hatten den Auftakt für 14 Uhr und den Abmarsch ihrer Demo vom Hauptbahnhof für 14:30 Uhr geplant, sie waren zum Zeitpunkt der Blockade nocht nicht einmal vollzählig in Regensburg eingetroffen. Die Blockade wurde nach ca. einer halben Stunde aufgelöst bzw. verlagert.

Die Abschlusskundgebung des Bündnisses am Neupfarrplatz begann gegen 14Uhr, doch viele Antifas und engagierte Bürger_Innen strömten bereits zum Hauptbahnhof und zum Kohlenmarkt bzw. Zieroldsplatz in der Absicht den Naziaufmarsch zu verhindern.
Während dieser Zeit herrschte eine allgemein hektische Stimmung. Diese und die geringe Verbindlichkeit bezüglich getroffener Absprachen drohten zeitweise den Erfolg der Blockaden scheitern zu lassen.

Die zwischenzeitlich am Hauptnahnhof ankommenden Nazis wurden von der Polizei in einen Käfig aus Absperrgittern geleitet, der sich in dem nahegelegenen Park gegenüber des Bahnhofs befand. Für die bis dahin etwa 70 Nazis, die vor allem aus den Regionen Niederbayern und Oberpfalz angereist waren, verzögerte sich der Abmarsch: Antifas behinderten bekannte Neonazisit_innen am Verlassen des Bahnhofsgeländes. Während die Nazis vom USK beschützt warteten, zogen ca. 2000 Gegendemonstrant_Innen, mehrere hundert davon vermummt, durch die Maximilanstraße hin zum Startpunkt der Nazidemo und legten so den Stadtverkehr um den Busbahnhof Albertstraße lahm.

Die genaue Route des Naziaufmarsches war zwar unbekannt, aber die blockadewilligen Nazigegner_innen reagierten spontan auf die Aktionen von Nazis und Polizei. Kurz bevor sich der inzwischen auf etwa 100 Nazis angewachsene Zug in Bewegung setzte, besetzten ca. 200 beherzte Antifas die Kreuzung Fröhliche-Türken-Straße / Grasgasse. Im Verlauf der nächsten Minuten wuchs die Blockade an, schließlich waren auch die angrenzenden Gassen unpassierbar. Während der Blockade gingen auf der Ausweichroute, wenige Minuten vor Durchmarsch der Nazis, mehrere Papiercontainer in Flammen auf.

Als die Nazis schließlich losmarschierten wurden sie bereits aus dem fürstlichen Schlosspark mit Kastanien, Eiern, Tellern und Gartengeräten beworfen, die wohl aus dem Besitz der Fürstin Gloria von Thurn und Taxis entwendet werden konnten. Durch die Ummauerung des Parks vor dem Zugriff der Polizei geschützt, konnten die ca. 30 Personen im Park unbehelligt entkommen.
Danke der Blockade in der Fröhlichen-Türkens-Straße, musste die Polizei die Nazis durch die Parkhausunterführung vom Petersweg in die Obermünsterstraße umleiten.

Nach der ersten erfolgreichen Behinderung des Aufmarsches mussten die Nazis bereits nach wenigen Metern erneut eine Stunde ausharren. Der Weg (Obere Bachgasse) zum Neupfarrplatz, auf dem sie geplant hatten ihre Zwischenkundgebung abzuhalten, wurde ihnen erneut durch eine Sitzblockade versperrt. Diesmal beteiligten sich neben autonomen Antifas auch Schüler_Innen und Jugendlichen sowie viele andere.
Die Anwesenden Gegenemonstrant_Innen und Bürger_Innen drängten sich zusehends weiter vom Neupfarrplatz an die angrenzende Blockade heran, so dass der Polizei schnell klar werden musste, dass eine Räumung unmöglich sei.

Zu diesem Zeitpunkt hätte die Einsatzleitung bereits die Möglichkeit gehabt einen Abbruch des Naziaufmarsches zu rechtfertigen.
Jedoch entschied man sich dazu, die im Polizeispalier eingepferchten hundert Nazis durch kleine Gassen weit um den Altstadtkern herum, über den Bismarckplatz zu führen, um schließlich an der Donau entlang doch noch zum Endkundgebungsplatz zu gelangen. Dieses Vorhaben war jedoch von Beginn an zum Scheitern verurteilt.

Von Gegendemonstrant_Innen verfolgt, in den engen Gassen z.T. fast „geschoben“, wurden die Nazis am Bismarckplatz vorbei Richtung Donau geführt. Kurzerhand wurde gegen 16.00 Uhr die einzig noch mögliche Route(Keplerstraße) zum Don-Juan-Denkmal blockiert.
Das USK versuchte, angesichts der Anzahl der Blockierer_innen erfolglos, die Menschen durch ihre Sturmlauf-und-Gebrüll-Taktik zu verjagen. Von der Seite des Fischmarkts stießen weiter Antifaschist_Innen nach, so dass die Blockade zeitweise aus geschätzten fünfhundert Menschen bestand. Von nun an war abzusehen dass die Nazis ihr Ziel nicht mehr erreichen konnten.

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Als die Nazis gegen 16:30 Uhr in der Keplerstraße ankamen, mussten sie wegen der erfolgreichen Blockade auf Höhe des Eisernen Stegs stoppen. Es dauerte nicht lange bis sich auch auf dem Eisernen Steg und hinter ihnen, am Weißgerbergraben, Gegendemonstrant_Innen zum Protest formierten und somit die Nazis von allen Seiten einkesselten. Die Polizei sah sich nicht in der Lage die Blockade zu räumen, also mussten die Nazis um Willi Wiener die Abschlusskundgebung an Ort und Stelle abhalten.
Da die unprofessionelle Lautsprecheranlage, bestehend aus einer mit einem Leiterwagen gezogenen Autobatterie und Lautsprechern, die von Kamerad_innen getragen werden mussten, die Schmähungen der Umstehenden nicht übertönen konnte, blieb der Aufmarsch der Nazis auch weiterhin ohne Außenwirkung. Zudem wurden sie von den Antifaschist_innen zum wiederholten Male mit Eiern, Kastanien, Steinen und Flaschen beworfen. Die Stimmung auf Seiten der Nazis lässt sich wohl am treffendsten mit einem Zitat eines ihrer Kameraden ausdrücken: „Ist doch alles scheiße hier!“Nachdem Willi Wiener und Karl Richter Redebeiträge abgehalten hatten, setzte die Polizei die Nazis unter dem Jubel der Antifaschist_Innen um 18:30 Uhr in Bewegung und geleitete sie, wiederum über einen großen Bogen um die Altstadt, zurück zum Hauptbahnhof. Zu angenehm wollte man es den Nazis auf ihrer Rückreise aber nicht machen, und so setzte sich ein, immer noch aus imposanten 2000 Menschen zusammengesetzter Zug Richtung Bahnhof in Bewegung, um die Nazis dort gebührend zu empfangen. Auch während des Rückweges versuchten zahlreiche Gruppen an die Nazidemonstration heranzukommen. Als die Nazis dort gegen 19 Uhr eintrafen war der gesamte Hauptbahnhof von der Polizei abgesperrt, der gesamte Vorplatz samt mehrspuriger Straße von Gegendemonstrant-Innen blockiert, weshalb die Nazis über einen Seiteneingang direkt zum Gleis eskortiert werden mussten.
Erst als die Nazis mit ihren Zügen abgefahren waren löste sich die Menge vor dem Bahnhof auf.Im gesamten Verlauf der Demonstrationen sowie der Blockaden entfachten sich immer wieder Rangeleien mit der Polizei. Am Hauptbahnhof entstand eine größere Auseinandersetzung zwischen Antifaschist_Innen und dem USK, dass sich noch gegen Ende zu Provokationen hinreißen ließ. Besonders in der zweiten Hälfte des Tages kam es zu insgesamt 13 Festnahmen auf Seiten der Antifaschist_Innen, vorwiegend wegen Vermummung. Einige Gegendemonstrant_Innen wurden leicht verletzt, meist durch Reizgas der Polizei.Auf Seiten der Nazis wurden vier Personen festgenommen.

Aus dem Polizeibericht, der, den Verlauf der Demos betreffend, ungewöhnlich sachlich richtig ausfiel:
„Gegen 14.30 Uhr erfolgte die Festnahme zweier 57 bzw. 63 Jahre alter Männer aus den Landkreisen Cham/OPf. und Neumarkt/OPf. Nachdem die dem rechten Spektrum Zuzurechnenden jeweils Messer mit sich führten, werden sie wegen Verstößen nach dem Versammlungsgesetz angezeigt.[..] Mithilfe des Fotos eines anwesenden Medienvertreters, der das Zeigen des Hitlergrußes eines zunächst Unbekannten im Umfeld des Hauptbahnhofes dokumentiert hatte, gelang es einen 46-jährigen Tatverdächtigen zu ermitteln und festzunehmen. Ihn erwartet eine Anzeige wegen Volksverhetzung.“

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Fazit

Der Aufmarsch war für die Nazis ein totales Desaster.
Die Nazis sind keinen Meter ihere geplanen Route marschiert. Sie haben weder den Zwischenkundgebungsplatz (Neupfarrplatz), noch den Endkundgebungsplatz mit der Statue des Don Juan de Austria (Zieroldsplatz) erreicht. Im Grunde standen sie den ganzen Tag die meiste Zeit eingepfercht herum. Die Nazis litten an einem volkommenen Mobilisierungsmißerfolg: Ein Haufen von hundert Nazis ist alles andere als eine „Großdemonstration“. Sie hatten keine Möglichkeit ihre Propaganda zur Wirkung zu bringen, im Gegenteil sorgten sie durch ihren dilletantischen Auftritt für zusätzliches Gespött. Die Demonstration der Nazis war die erste in der Geschichte Regensburgs, die wegen Protesten nicht durchgeführt werden konnte. Willi Wiener kündigte trotz seines absoluten Scheiterns an, in der Vorweihnachtszeit wieder Demonstrationen durchzuführen, um gegen die „unchristlichen Christen, die mit anti-deutschen Linksfaschisten gemeinsame Sache machen“ und die Polizei, deren Aufgabe es gewesen wäre, ihm den Weg freizuprügeln, zu demonstrieren. Es ist zu bezweifeln, ob ihm sein Totalversagen am 03.10. dann bei der Mobilisierung behilflich sein wird.

Aber nicht nur dem Dilletantismus Willi Wieners und seiner Kamerad_innen ist es zu verdanken, dass der Tag so erfolgreich verlief. Aufgrund der Vorbereitung von Feierlichkeiten und einiger Baustellen in Altstadtbereich war die Zahl der möglichen Nazirouten überschaubar.
Die Koordination zwischen den einzelnen Blockaden funktionierte gut, obgleich die Kommunikationswege aufgrund der großen Zahl der Teilnehmer_innen länger wurden. Das Blockadekonzept war gut vorbereitet.
Dass die Blockaden nicht von der Polizei geräumt wurden, hatte zwei Gründe. Zum einen, dass sich in den Blockaden selbst, neben autonomen Antifaschist_Innen auch Regensburger Bürger_Innen eingefunden hatten. Zum zweiten, weil militante Aktionen wie das Errichten von brennenden Barrikaden, das Eindringen in ein privates Gelände um die Nazis von dort aus zu bewerfen und andere Aktionen gelungen sind. “Die Route der Nazis wurde geändert, als sich konkret massive Ausseinandersetzungen abzeichneten”, äußerte ein Polizeisprecher.

Danke an alle die diesen grandiosen Erfolg ermöglicht haben, auch allen Gruppen und Einzelpersonen mit denen sonst inhaltliche Differenzen bestehen!

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Presse:
Indymedia: