2008.07 // Text: Sauerkraut , Kufenroller und Silberscheiben – VDS Regensburg und sein Sprachpurismus

„Fremde Worte werden nicht mehr in den Blutstrom der natürlichen Sprache eingefügt. Sie werden lediglich heruntergewürgt und bleiben unverdaulich.“ (Literaturwissenschaftler Georg Steiner)

Blutstrom und Verdauung – Diese biologistische Sprache, durch die der menschliche Verdauungstrakt auf sehr seltsame Weise mit verbaler Ausdrucksfähigkeit in Verbindung gebracht werden soll, mag auf manchen Leser unangenehm wirken, bei empfindlichen Menschen sogar Ekel auslösen. Den Mitgliedern des „Vereins für deutsche Sprache“ (VDS) in Regensburg gefiel der Spruch dagegen scheinbar so gut, dass sie sich nicht zu Schade waren, ihn auf ihrer Seite neben einer Reihe weiterer Zitate unter dem Titel „Goldene Worte – Schöne Sprüche“ zu veröffentlichen. Eine zweite Liste, als das entsprechende Pendant zur Ersten, findet sich ein paar Zeilen weiter unten: „aus der Worthölle“ bezeichnet dort eine Sammlung scheinbar diabolischer Slogans wie „It is your Heimspiel! – Make it real“(vgl. VDS Regensburg). Besonderen Anstoß nehmen die Vertreter des VDS an den darin verwendeten Anglizismen.

Ziel des VDS Regensburg als Regionalgruppe des bundesweiten Vereins ist dabei die deutsche „Kultursprache“ vor dem vermeintlichen Untergang zu retten, den dieser in einer „Durchmischung“ mit „fremden“, „undeutschen“ Wörtern finden würde.
Weil dieses Vokabular sofort an typischen Nazijargon denken lässt, wird die Versicherung, dass man auf keinen Fall rechts sei, hektisch hinterhergeschoben: stolz erklärt die Regensburger Vorsitzende Irene Liefländer, dass sich sogar SPD-Mitglieder im Verein befänden (vgl. Wanner). Auf der Startseite der Homepage des VDS ist das Bild eines togolesischen Mitglieds zu bestaunen – man könnte gar nicht genug betonen, dass selbst Schwarze in den Verein aufgenommen werden (vgl. VDS). Der Leitspruch des VDS „für kulturelle und sprachliche Vielfalt in Europa“ verleiht dem ganzen Unternehmen schließlich noch einen positiven und harmlosen Anstrich.

Allerdings bedarf es in diesem Fall keines analytischen Scharfsinns um zu verstehen, was damit gemeint ist: Der Begriff „Vielfalt“ bezeichnet hier die Vorstellung eines Europas in dem alle „Völker“ mit ihrer jeweiligen – per Geburt verordneten – „natürlichen“ Sprache und Kultur, fein segregiert nebeneinander stehen sollen. Die vielfältige europäische „Hochkultur“ wird dabei einzig von der traditionslosen US-amerikanischen „Unkultur“ bedroht, die die „Hochkultur“ durch eine „McDonaldisierung“ zersetzen wolle. Dieser Antiamerikanismus hat zur Folge, dass auch die Wirtschaft, insbesondere Medien und Werbung als Verräter betrachtet werden, die die Sprache korrumpieren würden und wogegen sich das Volk zur Wehr setzen müsse.

Seine scheinbare Kompetenz bezieht der VDS hauptsächlich daraus, dass ihm auch Sprachwissenschaftler angehören. Von diesen wird in der Regel kaum geleugnet, dass es sich bei Sprache weder um etwas statisches noch etwas naturgesetzmäßiges handele, sondern dass diese permanenten Veränderungsprozessen unterworfen ist und sich folglich ständig wandelt. Diese Einsicht erweist sich bei der Gegenüberstellung mit den zeitgleich ausgegebenen Forderungen nach einer „reinen deutschen“ Sprache allerdings als völlig widersprüchlich.
Das Anliegen des VDS ist daher auch kein wissenschaftliches, sondern ein rein ideologisches. Grundlage für die Politik des VDS bildet völkisches und nationalistisches Denken.

Der ideologische Gehalt wird dabei besonders in der Unterscheidung zwischen „guten-domestischen“ und „schlechten-fremden“ Einflüssen deutlich. Auf der einen Seite werden angloamerikanische Einflüsse verurteilt, während gleichzeitig die gezielte Beeinflussung der Sprache durch deutsche Muttersprachler für gut befunden und gefordert wird. Ein guter, weil „natürlicher“ Einfluss auf die Sprache kann offensichtlich nur von Deutschen ausgehen.
Einen rational erklärbaren Sinn oder pragmatischen Zweck hinter der Forderung CD nicht mehr CD, sondern „digitale Schallplatte“ und „Silberscheibe“, Skateboard nicht mehr Skateboard, sondern „Rollbrett“ zu nennen, sucht man vergeblich. Deutsche sollen gefälligst auch deutschstämmige Wörter zur Bezeichnung von Dingen und Ideen verwenden – das ist es was der VDS verlangt (vgl. jimmy boyle berlin).

Für die Vorsitzende des Regensburger Vereins deutscher Sprache, Irene Liefländer, stellt die Arbeit beim VDS nach eigener Aussage die „Rettung vor dem Loch nach der Pensionierung“ dar. Der innerlichen Leere nach dem Arbeitsleben, die jeder nach der Pensionierung erlebt der sich über Arbeit als Sinnstiftung definiert, kann sie scheinbar nur dadurch entgehen indem sie sich vom zu Markte tragen ihrer Arbeitskraft dem unbezahlten Zuarbeiten für den VDS hinwendet. Jenem Verein, der sich dem scheinbar ewigen Kampf echt gegen künstlich, völkisch gegen kosmopolitisch, und in der Konsequenz völkischer Logik, Volk gegen Jude verschrieben hat. So oder so: es bleibt Regression, und es darf bezweifelt werden ob Frau Liefländer mit dieser realitätsverlustigen Weltsicht ihrem Leben rückwirkend noch einen Sinn verleihen kann.
„Liefländers VDS ist kein rechter Verein“schreibt die Mittelbayerische Zeitung. Links sei sie allerdings auch nicht und könne sie nicht sein, schließlich hätten die Sowjets den Vater damals in das ehemalige KZ Buchenwald gesperrt (vgl Wanner). Liefländer, ihrerseits aus der Generation „Wiederaufbau“, hat es scheinbar nie richtig verkraftet, dass der Alptraum aller deutschen Volksgenossinnen und Volksgenossen, „in die Hände der Russen“ zu fallen, schließlich doch zur bitteren Realität wurde.
Es drängt sich einem der Verdacht auf, als wäre es diese „frühzeitige Schädigung des Ichs“ , diese narzisstische Kränkung also, die in der Erfahrung der fehlenden Kongruenz zwischen dem idealisierten Bild einer „vorbildlichen deutschen Kulturnation“ und der tatsächlichen Realität zu finden ist, so prägend für sie war und sie dazu veranlasste, in den wahnhaften, regressiven Wunsch zu verfallen, die „deutsche Kultur“ und dazugehörige „Sprachgemeinschaft“ wieder zu neuem Ruhm führen zu wollen.
Es ist symptomatisch wie sie dabei immer wieder schluchzend an ihren Vater erinnert und den Kontext mit keiner Silbe für erwähnenswert hält. So verkommt die pädagogische Anstrengung der Sieger, die natürlich einige Jahre dauern musste, bis einigermaßen sichere Zeichen der Entsagung erkennbar wurden, plötzlich zur „ungerechten Behandlung“, der Vater sei schließlich nur „Fabrikdirektor“ und sowieso unschuldig gewesen. Wenn es um den uneingeschränkten Opferstatus der eigenen Verwandten geht, ist die deutsche Tötungsindustrie natürlich kein Thema, genausowenig wie die draus resultierte Notwendigkeit der russischen Erziehungslager, in denen die Deutschen zur Raison gebracht werden sollten. Damit diese Deutschen emphatisch und effektiv dazu veranlasst wurden, zuchtvolle Abstinenz zu üben, sollte ihnen nämlich eingetrichtert werden, dass das Morden ein unrentables, jedenfalls aber ein höchst riskantes Vergnügen ist, und dass sie diese Passion sogar das Leben kosten könnte (vgl. Café Morgenland).

Quellen:

Café Morgenland (2002). Stalingrad. Der subjektive Faktor. URL: http://www.cafemorgenland.net/archiv/2002/2002.11.11_Stalingrad.htm. Zuletzt abgerufen am 26.06.2008.

Helmut Wanner (2008). Smörebröd, Reiber-Knödl und Lasagne. In: Mittelbayerische Zeitung vom 21. Juni 2008

jimmy boyle berlin (2004). We are wieder wer. Kritik des Sprachpurismus´ und des Verein Deutsche Sprache (VDS). URL: http://www.junge-linke.de/staat_und_nation/ we_are_wieder_wer_kritik_des_s.html. Zuletzt abgerufen am 26.06.2008.

VDS. URL: http://www.vds-ev.de/ . Zuletzt abgerufen am 26.06.2008.

VDS Regensburg. URL: http://www.vds-regensburg.de/index.php?index=gunde. Zuletzt abgerufen am 26.06.2008.