Wer war dieser Kerl, der sich nicht nur in Regensburg unhinterfragt allzugroßer Beliebtheit erfreut?
Im Laufe Deiner Schullaufbahn bist Du sicher schon häufig in den zweifelhaften Genuss des Schulsports gekommen. Wären eine lockere Runde Basketball häufig noch einen gewissen Charme ausübt, vergessen die gemütlicheren ZeitgenossInnen spätestens wenn Turnen und Schwimmen auf dem Lehrplan steht gerne mal ihren Turnbeutel.
Sich peitschen lassen von einem Sportlehrer, der sich nicht zufällig wie der Oberstleutnant der Bundeswehr oder der örtliche Kameradschaftsführer anhört, ist nun wirklich keine rosige Vorstellung.
Sinnloses über Geräte springen, in verschiedenen Positionen an allen möglichen Seilen, Stangen und Ringen hängen, sich möglichst ungewöhnlich über den Boden rollen oder gar das Bauen von Menschenpyramiden entbehren einfach jeglicher Freude.
Während ähnliche Bewegungsabläufe bei Parcours, beim Breakdance oder beim Schwimmen mit Freunden Spaß machen, kann davon, nicht ohne Grund, beim „Turnen“ nicht die Rede sein.
Zu verdanken sind die „erquickenden Liebesertüchtigungen“ einem Mann: „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852).
Wäre für aktionistische Naturen eigentlich alleine schon der Schulsport Grund genug den vielen Jahn-Statuen, die so zahlreich errichtet wurden, die Nase abzuhauen oder sie mit bunter Farbe zu verzieren, so gibt es da noch einiges mehr:
Der lieblich als Turnvater verklärte und angeblich so unpolitische Dichter und Denker war in Wirklichkeit ein völkischer Nationalist, Rassist und Antisemit übelster Sorte. Dass er ein entscheidender Wegbereiter des Nationalsozialismus war, zeigt spätestens die Tatsache, dass die Nazis die 4 „F“ seines Mottos „Frisch, fromm, fröhlich, frei“ gerne in Form eines Hakenkreuzes an Turnhallen anbrachten.
Er lebte in einer Zeit, als in zahlreichen Ländern Europas, die alten Monarchien von fortschrittlichen Kräften gestürzt wurden und sich wie z.B. in Frankreich, aber auch den USA Republiken gründeten. In Deutschland wurde aber an den preußischen Werten einer straffen Führung festgehalten und statt einem modernen Staatsbürgerbewusstsein bildete sich der völkische Nationalismus. Die Idee des deutschen Volkes, welches sein angestammtes Territorium nie verlassen und seine Sprache beibehalten hätte war geboren
Deutscher konnte nur sein, wer „deutschen Blutes“ war. Von dieser Idee begeistert, kannte Jahn keine Individuen mehr, sondern nur noch Einzelteile des organischen Gesamtkörpers und er verherrlichte diese Volksgemeinschaft. Diese wollte er vor „Rassenmischung“ bewahren, denn er war der Meinung, wenn sich die „Edelvölker“ mischten erhielte man den verächtlichsten Kehricht des Menschengeschlechts“ und „ein Name aus fremder Sprache mache den Namensinhaber zum volksfremden Bastard.“ „Je reiner ein Volk, desto besser“ war es in seinen Augen. Über die „sich ins Negerische verlierende Araber in Nordafrika“ wusste er zu verzeichnen, sie seien „die Schande ihres Volksstamms.“
Für sein Volk forderte er nun ein heiliges deutsches Kaiserreich“, das ganz im Stil der großdeutschen Träume auch Österreich, die Niederlande, Schweiz und Dänemark umfasste. Von „volksfremden Elementen“ sei dieses aber zu „bereinigen“. Sein Hauptwerk „Deutsches Volkstum“ übte großen Einfluss auf die deutsch-nationale Strömung aus. Die damalige Erfindung dieser deutschen Bluts-Nation, basiert Hauptsächlich aus zwei Momenten: Die Abgrenzung gegen das bürgerlich revolutionäre Frankreich nach außen und gegen die JüdInnen, nach innen. Jahn verband beides „vortrefflich“: Er unterstellte den JüdInnen sich mit Frankreich zu verschwören um Deutschland von innen, durch ihre „rassische Minderwertigkeit“ zu zersetzen und von außen zu bekämpfen. „Franzosen […] und Juden sind Deutschlands Unglück.“ Frankreich personifizierte für den reaktionären Romantiker den verhassten, progressiven Wandel zur Moderne, deren Freiheiten er nicht genießen wollte. Seinen Töchtern französisch lehren zu lassen, sei eben so gut, als wenn man sie Hurerei lehren ließe.
Er war Gründer des „Deutschen Bund“, mit dem er anti-französische Propaganda betrieb. Das Turnen verband Jahn auch mit seinen politischen Ideen: Er richtete sein turnerisches Schaffen auf Volk und Vaterland aus. Es sollte der „Höherentwicklung des deutschen Volkes dienen“. Gleichzeitig war die „Körperertüchtigung“ Kriegsvorbereitung und Wehrertüchtigung für den Krieg gegen Frankreich. Er vermisste „des Krieges Eisenband und der Waffen Stahlkur“. Jahn stand in starker Verbindung mit den Urburschenschaften, in denen JüdInnen nicht Mitglied werden konnten. Er organisierte mit seinen Turnern und den Burschenschaften gemeinsam 1817 das 1. Wartburgfest, um die nationalen Kräfte zu mobilisieren. Dort fanden die ersten Bücherverbrennungen republikanischer und jüdischer Autoren statt und es wurde auf die „Vertreibung und Vertilgung der Juden mit Dolch und Schwert“ getrunken.
Trotz dieser Fakten sind Friedrich Ludwig Jahn, dem Unsympathen, der so hässlich war, das Jules Verne ihn als Vorlage für seine „Stahlstadtdeutschen“ benutzte, zahlreiche Straßen, Plätze z.B. die Jahn-Insel und Vereine wie der SSV Jahn Regensburg gewidmet.
Gerade weil seine deutsche Ideologie von Rassismus, Antisemitismus und völkischem Nationalismus auch heute noch besteht, ist mit dieser Tradition genau so radikal zu brechen wie mit dem sportbegeisterten Mob in der Schule.
Der ideologische, deutsche Turnbeutel kann getrost zu Hause vergessen werden.
FREE THE KIDS. STOP THE KRAUTS. NO PHYSICAL EDUCATION – BUT LIBERATION.