2006.06.17 // Redebeitrag zum Antifaaktionstag gegen den NPD-Bayerntag

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Redebeitrag:

„good morning cham -weather is changing“ – unter diesem Motto wurde von mehreren antifaschistischen Gruppen nach Cham mobilisiert. Die NPD plante dort einen großen Hallenkomplex zu kaufen um ihn als Veranstaltungsort und Schulungszentrum zu nützen. Die geplanten 1,2 Mio. €, die in die Immobilie investiert werden sollen, verdeutlichen welch ein großes Interesse besteht neonazistische Strukturen in Ostbayern zu stärken.

Heute sollte dort der NPD-Bayerntag stattfinden, der – wie wir wissen und deshalb stehen wir hier – seinen Weg nach Regensburg gefunden hat. In der Stadt-Verwaltung sei über Möglichkeiten nachgedacht worden die Veranstaltung zu verhindern, letztlich sei aber keine Verbotsmöglichkeit gefunden worden. Um die groß propagierte Hilfslosigkeit der Satdt ranken sich jedoch einige Fragen.

Die Veranstaltung wird von der NPD als „Großes Sommerfest in der Oberpfalz“ beworben. Laut Axel Michaelis von der NPD-Landesgeschäftsstelle waren am Mittwoch bereits „500 Karten abgesetzt“. Gilt für die NPD-Veranstaltung am Rockzipfel nun die vom Grundgesetz geschützte Versammlungsfreiheit oder die Rechtslage für ein Privatfest mit Kartenvorverkauf?

Für den ab Nachmittag geplanten Bierausschank ist laut dem nicht gerade auskunftsfreudigen Hr. Santfort vom Ordnungsamt ein Gastwirt aus Regensburg zuständig. Hierfür bedarf es einer Sondernutzungsgenehmigung des zuständigen Amtes. Wurde diese der NPD ausgestellt?

Für die musikalische Untermalung des Nazifestes mit Rechtsrock und deutschem Liedgut ist elektrischer Strom notwendig. Wird dieser von der Stadt Regensburg zur Verfügung gestellt?

Der NPD-Kreisvorsitzende Willi Wiener hatte zunächst die Jahninsel unter der historischen Steinernen Brücke als Veranstaltungsort angepeilt, nicht den abgelegenen Rockzipfel, der zwischen zwei Donauarmen liegt. Kann es sein, dass der Rockzipfel im gegenseitigen Einverständnis mit der NPD ausgehandelt wurde? Geschah dies zum Einen um den Neonazis das Feiern zu ermöglichen und zum Anderen um der Stadt Regensburg möglichst wenig Imageschaden zuzufügen?

Die Verantwortlichen der Stadt Regensburg werden hiermit öffentlich aufgefordert hierzu detailliert Stellung zu nehmen.

Ein Versuch die Versammlung zu verbieten, wäre ein Zeichen des guten Willens gewesen – unabhängig davon ob das Urteil nicht von der nächsten Instanz wieder aufgehoben worden wäre. Doch ohne Klage kann es auch kein Urteil geben.

Analog zu diesem Fatalismus hält sich in Regensburg unbelehrbar die Meinung, dass es eine clevere Taktik sei Nazis mit Ignorieren zu bestrafen. Die NPD verkündete öffentlich mit Bezug zu Ihrem Bayerntag, dass das Fest auf eine „Innenwirkung“ ziele und als „“Dankeschön-Veranstaltung“ für den Einsatz der NPD-Mitglieder bei der Bundestagswahl“ sei. Es besteht – zumindest heute – also überhaupt kein Interesse der Neonazis mit Ihrem Fest beachtet zu werden.

In Cham erkannte der Bürgermeister, dass die Taktik des Ignorierens nicht wirkt, in Regensburg lässt diese Erkenntnis weiterhin auf sich warten. Wer das Mobilisierungspotential der bayerischen Neonazis-Szene kennt, wird wissen, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass in Regensburg ein noch größeres Nazi-Fest statt finden kann. „good morning Regensburg“

Wer die Neonazis jetzt noch ignoriert, hat Sie bereits akzeptiert. Und wer Neonazis akzeptiert ist mitschuldig an deren praktizierter Menschenverachtung.

Doch ein genauerer Blick auf den 3. Juni in Cham, der Tag an dem Cham gegen den Ansiedelungsversuch der NPD protestierte, zeigt auf, dass Neonazis und ihre Gedankengänge Teil der deutschen Gesellschaft sind. Egal, ob die Hauptsorge in der Diskussion um den Immobilienkauf der NPD nun die wirtschaftliche Situation der Heimatregion oder das Image der Heimatstadt war, zentral war stets die Begrifflichkeit der „Heimat“. Leider sind sich nur im optimistischsten Fall die Menschen, die von ihrer Heimat sprechen über die Gefährlichkeit des Begriffes im Klaren.

Wenn mensch nicht an den Mythos der „Stunde null“ glaubt, wenn mensch nicht glaubt, dass der deutsche Mob mal eben für 12 Jahre mordete und im Sommer 1945 plötzlich keine Lust mehr dazu hatte, dann wird der Schluss gezogen werden müssen, dass es eine Summe von Meinungsbildern war, die die Deutschen zum Massenmord motivierte.

Diese Ideologiestränge lassen sich nicht auf einen konkreten Zeitpunkt fixieren, sie ziehen sich viel eher wie ein roter Faden durch die die Geschichte Deutschlands und reichen bis zum heutigen Tag. Diese Ideologiestränge sind die unterschiedlichen Facetten von Antisemitismus, Autoritarimus, Rassismus, Sexismus und Homophobie. Wenn auch unter Umständen in verschiedener Mixtur und Dosierung, sowie in veränderter Form, können diese lebensbedrohlichen Ausgrenzungsmechanismen dennoch stets in nahezu allen Winkeln der öffentlichen Debatten wahrgenommen werden.

Der Begriff der Heimat ist ein elementarer Baustein dieser Ideologiestränge. Das Sprechen von „der Heimat“ erfreut sich so großer Beliebtheit, da „die Heimat“ als Garant für eine Erfüllung der Bedürfnisse nach Sicherheit und Geborgenheit verstanden wird.

Leider ist dies eine eklatante Verwechslung von „einer Heimat“ und „einem Zuhause“. Ein „Zuhause“ ist ein Dach über dem Kopf, dass vor Regen schütz, ein Licht oder offenen Arme, die Wärme spenden. Eine „Heimat“ ist der Versuch Ansprüche geltend zu machen auf ein Territorium mit dem eine biologische Verknüpfung bestünde. Solche mit dem Boden verwurzelte Menschen hätten Vorrechte. Auf diesen Gedankengängen basierte das Blut-und-Boden-Prinzip im Nationalsozialismus und über den Umweg der Kultur auch der Ethnopluralismus der neuen Rechten.

Jedoch: Bäume, sowie die Blumen auf einer Wiese mögen Wurzeln haben. Menschen haben jedoch Beine um über diese Blumenwiese zu springen und zu tanzen – während Heimattreue verwurzelt am Rande stehen und schimpfen, weil dies ihre Wiese sei.

Wie sehr der Begriff der Heimat als Brückenschlag zu einem rechtsextremen Weltbild dient, konnte am 3. Juni in Cham beobachtet werden. Während zwei Studentinnen wohl eher aus einer gewissen Unbedarftheit heraus „ihre Heimatstadt“ gegen Rechte verteidigen wollten, so muss hingegen bei dem Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, der von seiner „friedlichen Heimat“ und im gleichen Atemzug von Menschen „anderer Nationen und Rassen“ sprach, angenommen werden, dass er wusste wovon er sprach.

Gerade weil das Sprechen von „der Heimat“ so weit verbreitet ist, und auch wenn es im Gegensatz zum Zeitgeist der Deutschland feiernden Fussballfans steht, ist dies hier ein Aufruf an alle, die sich als Mitglied dieser ausgrenzenden Gesellschaft schätzen dürfen, ihre eigene Heimatscholle zu versenken, Ausgrenzungsmechanismen zu erkennen un Grenzen gemeinsam zu überwinden.

Um es abschließend kurz zu formulieren: für fortschrittkich denkende Menschen muss es heißen: „Links ist da, wo keine Heimat ist.“