2016.02.11 – Tobias B.

Kelheim – rassistischer Übergriff

Text von A.i.d.a.

11. Februar 2016

Der 22-jährige Tobias B. (Kelheim) und ein 19-jähriger Freund konsumieren Alkohol und rauchen Kräutermischungen. Kurze Zeit später soll ein Mann dem 22-jährigen Zimmererhelfer ein Paket mit zwei Macheten und zwei Wurfsterne – wohl ein Honorar für ein erfolgreiches Drogengeschäft – übergeben haben. Anschließend begeben sich B. und sein 19-jähriger Kumpel in eine Kelheimer Obdachlosenunterkunft, wo sie rassistisch gegen Asylbewerber_innen wettern.

Gegen 22.30 Uhr bewegen sich die zwei, mittlerweile mit den Macheten bewaffnet, vor die gegenüberliegende Unterkunft für Geflüchtete in der Wittelsbachergasse Eine der Personen skandiert dabei rassistische Parolen. Tobias B. betritt daraufhin mit seiner fast 50cm langen Machete die Unterkunft und versucht dort zunächst, eine Wohnungstüre einzuschlagen. Ein zum Tatzeitpunkt 22-jähriger Bewohner des Gebäudes öffnet schließlich die Tür für einen Spalt, um den lauten Geräuschen auf den Grund zu gehen. B. schlägt nun waagerecht mit seiner Waffe auf Bauchhöhe des Anwohners, dieser kann jedoch glücklicherweise ausweichen und die Tür schnell wieder verschließen. Der 22-Jährige warnt die übrigen Mitbewohner_innen der Unterkunft und springt anschließend aus dem Fenster. Hierbei verletzt er sich leicht, lockt allerdings den immer noch nicht von ihm ablassenden B. wieder nach draußen. Der Zimmerererhelfer holt erneut zum Schlag aus, dieses Mal in Richtung des Oberkörpers des Geflüchteten. Dieser kann der Attacke erneut ausweichen, B. zu Fall bringen und die Machete des Kelheimers wegkicken. Zwischenzeitlich auf das Geschehnis aufmerksam gewordene Passant_innen fixieren B. schnell am Boden. Eine Streifenbesatzung der Polizeiinspektion Kelheim nimmt den Mann fest und stellt die Machete sicher.

Am 24. November 2016 verurteilt das Landgericht Regensburg den mittlerweile 23-jährigen Tobias B. wegen versuchter, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie fahrlässiger Körperverletzung in einem Fall zu drei Jahren und vier Monaten Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Kelheimer eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren. u.a. wegen Mordversuchs, gefordert. Von den anderen Vorwürfen, nämlich der Volksverhetzung sowie des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, spricht der zuständige Richter den Zimmererhelfer frei. In der Anklageschrift war ursprünglich von „Abschlachten“ in einem Gespräch von B. mit seinem bei der Tat ebenfalls anwesenden Freund die Rede gewesen, Zeug_innen im Gericht berichteteten dagegen von Aussagen wie „platt“ oder „fertig machen“. Auch könne aufgrund mangelnder Zeugenaussagen nicht klar ermittelt werden, von wem der beiden die rassistischen Parolen vor der Geflüchtetenunterkunft damals gebrüllt worden seien. Aufgrunddessen entschließt sich der zuständige Richter, die Aussagen B.’s Freund zuzuschreiben.

Der ursprüngliche Vorwurf des versuchten Mords wird im Urteil zur „gefährlichen Körperverletzung“ herabgestuft: Die „Mittelbayerische Zeitung“ schreibt, ein direkter oder bedingter Tötungsvorsatz sei B. nicht nachzuweisen, da dieser laut Ansicht des Richters nicht versucht habe, die vom Anwohner zugedrückte Tür wieder zu öffnen. Auch den Hieb mit der Machete in Richtung des Oberkörpers des Opfers, das nach dem Sprung aus dem Fenster ins Stolpern geriet, wertete das Landgericht nur als „versuchte, gefährliche Körperverletzung“.

Vor der Urteilungsverkündung hatte der Richter die hohe Zunahme rechter und rassistischer Attacken gegen Migrant_innen und Geflüchtete in den letzten Jahren thematisiert. Dennoch, so zitiert ihn die „Mittelbayerische Zeitung“,  sei es „vornehme Aufgabe der Richter, unabhängig von politischen Strömungen und Erwartungshaltungen ausschließlich auf Grundlage nachgewiesener Fakten die Gesetze auszulegen und Recht zu sprechen“. Auch gebe es nach Ansicht der Geschworenen keine Hinweise einer Zugehörigkeit B.’s zur rechten Szene oder einer Verinnerlichung neonazistischen Gedankenguts.

Quelle: Pressemeldung des Polizeipräsidiums Niederbayern vom 12. Februar 2016 sowie Artikel der „Mittelbayerischen Zeitung“ (Online-Version, www.mittelbayerische.de) vom 24. November 2016 und von „Spiegel Online“ (www.spiegel.de) vom 24. November 2016.