Seit 2005 agiert anita f. gegen Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus und andere menschenverachtende Ideologien beziehungsweise deren Auswüchse. Seit zehn Jahren tragen wir als Gruppe durch konsequente antifaschistische Arbeit dazu bei, dass rechte und neonazistische Strukturen in Regensburg keine Erfolge verbuchen können. Zugleich wurde stets versucht, durch theoretische Arbeit emanzipatorische Inhalte in der Regensburger Politlandschaft und darüber hinaus zu etablieren.
Dieses Jubiläum wollen wir nutzen, die letzten Jahre Revue passieren zu lassen, das Vergangene kritisch zu reflektieren und uns in Richtung Zukunft zu orientieren.
Unsere Praxis gestaltet sich vielfältig und besteht neben „klassischer“ Antifa-Arbeit, wie Recherche und Nazis das Leben schwer zu machen, auch in Spektren übergreifender Bündnis- sowie Aufklärungs- und Bildungsarbeit. Trotz allem Pragmatismus versuchen wir stets aus einer radikal linken Perspektive zu handeln. Dies zeigt sich sowohl in dem Regensburger Bündnis „Kein Platz für Nazis“ und bei der „Initiative gegen Rechts“, als auch bei der aktiven Begleitung des alljährlich stattfindenden „Gedenkwegs für die Opfer des Faschismus“. Schon immer war es für uns wichtig, dass antifaschistische und antirassistische Arbeit Hand in Hand gehen müssen. Deshalb haben wir beispielsweise die selbstorganisierten Refugee-Proteste, die 2012 von Bayern und auch Regensburg aus zu einer bundesweiten Bewegung gegen die menschenverachtende Asylpolitik der BRD geführt haben, weitgehend unterstützt. Aber auch viele andere Texte, Aktionen, etc., die in den letzten Jahren von der Gruppe ausgingen, können sich sehen lassen.
Während viele ehemalige Antifa-Gruppen ihr langjähriges Bestehen dazu nutzten, sich aufzulösen oder umzustrukturieren, gehen wir einen anderen Weg. Wir sind der Meinung, dass antifaschistische Arbeit gerade in Zeiten, in denen der deutsche Mob gegen geflüchtete Menschen, die von ihnen bewohnten Unterkünfte oder Menschen, die nicht in das völkisch, nationalistische Weltbild passen, mobilisiert, immens notwendig ist. Hierbei ist es uns egal, ob der Rassismus hinter einer vermeintlichen Kulturkritik versteckt, oder als blanker Hass geäußert wird. Wir erachten es als besonders wichtig, nicht nur die eigene „Szene“ und ihre Codes zu bedienen, sondern emanzipatorische Inhalte in die Gesellschaft hinein zu tragen. Das Ziel sollte dabei sein antifaschistisches Engagement mit sozialen Kämpfen zu verbinden. Leider scheitern wir hier all zu sehr an der Praxis, was natürlich kritisch reflektiert werden muss.
Da weder die radikale Linke an sich, noch wir als Teil davon die Weisheit mit Löffeln gefressen haben, halten wir es für unerlässlich, die eigenen Positionen stets kritisch zu hinterfragen, statt Ideologiepflege zu betreiben. Uns sollte allen klar sein, dass auch „Antifa“ nicht frei von struktureller Diskriminierung ist und sich aufgrund dessen bei einigen Themenfeldern ein partieller Tunnelblick auftut.
Das letzte Jahrzehnt verlief für uns als Gruppe nicht statisch. Verschiedene Generationen prägten die politische Arbeit und etablierten die Gruppe in Regensburg. Das zehnjährige „Jubiläum“ wollen wir auch zum Anlass nehmen, die Gruppe und unsere Positionen erneut zu definieren.
Als undogmatische kommunistische Gruppe streben wir eine herrschaftsfreie, klassenlose und selbstbestimmte Gesellschaftsordnung an. Zudem versuchen wir ideologiekritisch Denkansätze aus verschiedenen emanzipatorischen Spektren zu verbinden. Folglich lehnen wir den Kapitalismus als Garant für Ausbeutung, Konkurrenz und Krisen ab, denn dieser negiert die Bedürfnisse der Menschen und findet seinen Ausdruck in Tod und Elend. Die Ökonomie sollte sich nach den Bedürfnissen der Menschen richten, nicht die Menschen mit ihren Bedürfnissen nach der Ökonomie. Eine Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft, wie auch immer diese aussehen mag, und der Aufbau einer wie auch immer gearteten befreiten Gesellschaft ist daher die radikalste unserer Forderungen. Unsere Kritik zielt nicht gegen einzelne Menschen oder Gruppen dieses Konstrukts, sondern gegen die Strukturen, die diese ökonomischen Charaktermasken hervorbringen. Für die befreite Gesellschaft ist es unabdingbar, dass exklusive Faktoren wie Rassismus, Nationalismus und Sexismus überwunden werden. Deshalb sehen wir in der Bekämpfung dieser Strukturen und Ideologieformen den Hauptteil unserer politischen Praxis verortet.
Eine besondere Stellung innerhalb der reaktionären Ideologien nimmt dabei für uns der Antisemitismus ein, welchem ein eliminatorischer Charakter innewohnt. In der bürgerlichen Gesellschaft wendet sich der Rassismus gegen vermeintlich minderwertige Menschen, der (strukturelle) Antisemitismus gegen vermeintlich mächtigere Personen und Gruppen. Oft manifestiert sich diese menschenfeindliche Ideologie im Antizionismus, Antiamerikanismus und/oder regressiver „Kapitalismuskritik“.
Solche Verhaltensmuster sind in jeder Gesellschaft zu finden. Deutschland und Österreich nehmen für uns allerdings eine Sonderrolle ein, da hier der antisemitische Vernichtungswahn mit der Shoah seine Praxis gefunden hat und nur unter massivem materiellen und personellen Aufwand der Alliierten 1945 gestoppt werden konnte.
In der postnazistischen Gesellschaft gab es nie eine vernünftige Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus, der Shoah und der NS-Vergangenheit weshalb verschiedene Denkmuster, die für den Nationalsozialismus tragend waren, wenn in ihrer Ausprägung zwar verändert, jedoch immer noch virulent sind. Diese gilt es zu überwinden.
Als logische Konsequenz aus dem Vernichtungsfeldzug gegen Jüdinnen* und Juden* und dem weltweiten Antisemitismus braucht es einen Schutzraum für diese. Diesen stellt der Staat Israel dar, mit dem wir uns solidarisch erklären. Da Israel jedoch ein Staat ist, der unterschiedliche Funktionen erfüllt und von dem daher auch strukturelle Gewalt und Zwang ausgehen, muss in letzter Konsequenz dieser ebenfalls überwunden werden. Zuvor muss jedoch erst der Antisemitismus in all seinen Facetten verschwinden. Alle Staaten müssen für eine emanzipatorische Perspektive abgeschafft werden: Deutschland zuerst, Israel zuletzt.
Dies ist aber wahrlich in Zeiten, in denen rechte Hegemonieprojekte nicht nur in Deutschland auf dem Vormarsch sind, schwer vorzustellen. Denn eine Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft würde im Hier und Jetzt ins Barbarische abgleiten.
Es sind vor allem in Deutschland völkische NationalistInnen, nicht nur hervorgebracht von der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise, die massenweise ihre Ideologie auf die Straße tragen und eine deutsche ethnisch homogenisierte Volksgemeinschaft erreichen wollen. Hierbei definieren sie Deutsch-Sein nicht nach einem Pass, sondern nach einer „Blut und Boden“- Ideologie. Alle Akteur*innen, die hier nicht hineinpassen, werden als Feinde markiert und je nach Gewaltbereitschaft auch als solche behandelt.
Seit dem aufkommen der PEGIDA-Bewegung, treten vor allem sichtbar im öffentlichen Raum zunehmend rechte AkteurInnen auf, die nicht als klassische Neonazis bezeichnet werden können.
Denn das bürgerliche Subjekt des Mittelstands sieht den vermeintlichen „deutschen“ Wohlstand gefährdet. Zudem fühlen sie sich um ihr Stück des Kuchens betrogen, der ihnen durch ihre „Abstammung“ ihrer Meinung nach zustehen sollte.
Durch die sog. „Flüchtlingskrise“ hat dieses Klientel ein Feindbild gefunden, zu dem es ein sehr ambivalentes Verhältnis, bestehend aus Rassismus und Sozialneid hat. Einerseits sehnen sich die oben genannten AkteurInnen nach einem traditionellem, patriarchalem Familien- und Wertesystem wie es in vielen islamisch geprägten Strukturen vorhanden ist. Andererseits leugnen sie die Gleichwertigkeit von Menschen und machen ihre psychische und physische Integrität antastbar.
NutzniesserInnen dieses soziologischen Phänomens, genannt verrohtes Bürgertum, sind in erster Linie die Repräsentanten der sog. „Neuen Rechten“, also die AfD, Pegida bzw. deren Ableger und deren Freunde in diversen rechten „Thinktanks“ und bei Zeitungen und Blogs.
Dieses Milieu, das über alle Klassen und Schichten der Gesellschaft reicht, kann den Diskurs momentan massiv mitbestimmen und versucht diesen weiter nach rechts zu verschieben.
Aber auch die CSU in Bayern versucht als Regierungspartei mit allen Mitteln ihre restriktive und rassistische Asylpolitik weiter zu verschärfen, um keine Wähler*innenstimmen an die AfD abtreten zu müssen. All das schafft ein Klima der rassistischen Mobilmachung in der BRD das in letzter Konsequenz für die über 800 Anschläge auf Asylbewerber*innenunterkünfte im Jahr 2015 verantwortlich ist.
Es gilt dieser rechten Mobilmachung breiten Widerstand entgegenzustellen. Hierbei werden wir auch einzelne AkteurInnen dieser rechten Bewegung in den Fokus nehmen, um eine Multiplikatorwirkung zu verunmöglichen.
Unsere politische Praxis richten wir nach der Ma(r)xime aus, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“
Antifa in die Offensive!
anita f. – antifaschistische Gruppe in Regensburg (Dezember 2015)